Glettler zu Abtreibung: Ziel nicht Strafbarkeit, sondern Ja zum Leben
Die katholische Kirche ist beim Thema Schwangerschaftsabbruch "keinesfalls an der Strafbarkeit interessiert, sondern daran, dass Menschen Ja zum Leben sagen": Das hat Bischof Hermann Glettler, Zuständiger in der Österreichischen Bischofskonferenz für Familie und Lebensschutz, am Dienstag in einer Kathpress vorliegenden Stellungnahme zum Urteil der US-Höchstrichter zu diesem Thema erklärt. Der Innsbrucker Bischof lenkte dabei den Blick besonders auf werdende Mütter: Mehr gesellschaftliche Unterstützung sei notwendig, "damit sich keine Frau durch soziale Umstände oder andere Einflüsse genötigt sieht, eine Abtreibung vorzunehmen".
Die Kirche wolle, "dass Frauen in Konfliktschwangerschaften jene Hilfen erhalten, die sowohl ihren Bedürfnissen und Rechten als auch jenen ihrer Kinder gerecht werden", erklärte Glettler. Besonderen Schutz müssten dabei immer die Schwächsten der Gesellschaft bekommen. Jene Förderungen, die für die Annahme und Erziehung von Kindern notwendig seien, müssten garantiert werden. Eine sachliche Diskussion darüber sei jedoch in Österreich bisher kaum möglich gewesen, bedauerte der Bischof.
Die Stellungnahme im Wortlaut |
Die Entscheidung des US Supreme Court vom 24. Juni 2022 ist eine juristische Entscheidung und keine ethische. Deshalb sind weder euphorische Kundgebungen noch aggressive Gegenreaktionen angemessen. Das Höchstgericht ist zur Auffassung gelangt, dass das vormals erkannte Grundrecht auf Abtreibung (Roe vs. Wade aus dem Jahr 1973) nicht aus der amerikanischen Verfassung abgeleitet werden kann. Als Konsequenz dieses Urteils liegt die Kompetenz zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen nun wieder in der gesetzgeberischen Hoheit der Bundesstaaten. Diese entscheiden durch ihre demokratisch gewählten Regierungen, wie sie den Zugang zu Abtreibungen gesetzlich gestalten wollen. Das vorliegende Urteil hat diesbezüglich Klarheit geschaffen.
Die katholische Kirche betrachtet das Urteil des US Supreme Court als Chance und Auftrag, in der bedenklich polarisierten Debatte um einen angemessenen Schutz des Lebens zu einer "Kultur des Dialogs" zurück zu kommen.
Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass weder die europäische noch die internationale Rechtsordnung ein "Recht auf Abtreibung" kennt. Kein Staat kann daher rechtlich verpflichtet werden, Abtreibung zu legalisieren. Demgegenüber ist das Recht auf Leben sehr wohl grundrechtlich geschützt. Abgesehen von der rechtlichen Regelung sind vor allem gesellschaftliche Unterstützungsmaßnahmen für werdende Mütter notwendig. Entscheidend wird es sein, gesellschaftliche Bedingungen so zu gestalten, dass sich keine Frau durch soziale Umstände oder andere Einflüsse genötigt sieht, eine Abtreibung vorzunehmen.
Aus vielen therapeutischen und seelsorglichen Gesprächen ist bekannt, dass für die meisten betroffenen Frauen eine vollzogene Abtreibung ein Leben lang Thema bleibt - unabhängig von ihrer religiösen Einstellung. Klar ist: Niemandem steht es zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben. Auch damit wurde viel Leid verursacht. Als Kirche sind wir keinesfalls an der Strafbarkeit interessiert, sondern daran, dass Menschen Ja zum Leben sagen. Deshalb ist es wichtig, jene Förderungen zu garantieren, die für die Annahme und Erziehung von Kindern benötigt werden.
Leider war bisher eine sachliche Diskussion kaum möglich. Die geforderten und längst überfälligen Begleitmaßnahmen wie die statistische Erhebung von Schwangerschaftsabbrüchen und eine damit einhergehende Motivforschung sowie eine gesetzlich vorgegebene Wartefrist zwischen Beratungsgespräch und Eingriff wurden bislang nicht umgesetzt. Bedauernswert ist außerdem, dass in unserer Rechtsordnung noch immer der diskriminierende Tatbestand Platz hat, gemäß dem Kinder mit möglicher Behinderung bis zur Geburt abgetrieben werden können.
Eine Enttabuisierung des hochsensiblen Themas Schwangerschaftsabbruch ist unbedingt notwendig - einen überzeugenden Schritt in diese Richtung geht der jüngst angelaufene Film "Lass uns reden". Als Kirche wollen wir, dass Frauen in Konfliktschwangerschaften jene Hilfen erhalten, die sowohl ihren Bedürfnissen und Rechten als auch jenen ihrer Kinder gerecht werden. Wir weisen darauf hin, dass in jedem Fall die Schwächsten in unserer Gesellschaft einen besonderen Schutz erfahren müssen. |
Da das Thema so "hochsensibel" sei, brauche es eine Enttabuisierung und die Schaffung einer neuen "Kultur des Dialogs", sagte Glettler, der hier als Impuls zum Gesprächseinstieg den jüngst angelaufenen Film "Lass uns reden" empfahl. Eine vollzogene Abtreibung bleibe für die meisten betroffenen Frauen unabhängig ihrer religiösen Einstellung lebenslang ein Thema, erklärte Glettler. Das sei aus therapeutischen und seelsorglichen Gesprächen bekannt. Zugleich sei klar: "Niemandem steht es zu, über Frauen zu urteilen, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben. Auch damit wurde viel Leid verursacht", so der Bischof.
Glettler bekräftigte die Forderung von "längst überfälligen Begleitmaßnahmen" wie etwa von statistischer Erhebung von Schwangerschaftsabbrüchen und einer damit einhergehende anonyme Motivforschung, sowie auch nach einer vorgeschriebenen Wartefrist zwischen Beratungsgespräch und Eingriff. Dass Kinder mit möglicher Behinderung in Österreich weiterhin bis zur Geburt abgetrieben werden können, bezeichnete der Bischof als "diskriminierend".
Zum Urteil des Supreme Courts in Washington erklärte der Innsbrucker Oberhirte, er empfinde hier "weder euphorische Kundgebungen noch aggressive Gegenreaktionen" als angemessen. Die Entscheidung der Höchstrichter sei von juristischer Natur gewesen, nicht von ethischer. Sie habe insofern Klarheit geschaffen, als dass die Zuständigkeit für die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen in den USA nun wieder den einzelnen Bundesstaaten und deren demokratisch gewählten Regierungen zurückgegeben worden sei.
Ein "Recht auf Abtreibung" gebe es weder in Europa noch international, unterstrich Glettler. Es könne deshalb kein Staat rechtlich verpflichtet werden, Abtreibung zu legalisieren - während jedoch das Recht auf Leben sehr wohl grundsätzlich geschützt sei.
Quelle: kathpress (28.06.2022)