Synodaler Prozess: Österreich-Bericht veröffentlicht
Ein vielfältiges und vielschichtiges Bild von Kirche und den zentralen Herausforderungen zeichnet die "Nationale Synthese zum synodalen Prozess", die von der Österreichischen Bischofskonferenz Mitte August nach Rom weitergeleitet wurde. Gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner, dem Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, haben die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak und die Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) in Innsbruck, Petra Steinmair-Pösel, am Mittwoch in Wien den Österreich-Bericht nun im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Zentral sind u.a. die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Partizipation in der Kirche.
Nationale Synthese zum Synodalen Prozess
Es wird zudem differenziert zwischen Themen und Anliegen, die in Österreich angegangen bzw. umgesetzt werden können, und solchen, für die die Weltkirche zuständig ist. In der "Nationalen Synthese" sind die Ergebnisse der synodalen Beratungen in den österreichischen Diözesen und der Vorsynodalen Beratung der Bischofskonferenz in Mariazell gebündelt und thematisch geordnet.
Die Statements zur Synthese im Wortlaut |
Wortlaut Statements Lackner, Steinmair-Pösel, Polak
Statement von Erzbischof Franz Lackner
Im Mai des letzten Jahres hat Papst Franziskus mit der Ankündigung des Themas für eine weitere Bischofssynode im Jahr 2023 viele überrascht: "Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft - Teilhabe - Sendung" lautet der vollständige Titel. Auch mit zeitlichem Abstand halte ich diese Themenwahl des Heiligen Vaters für einen genialen, vom Heiligen Geist inspirierten Einfall. Gerade in einer Zeit, in der kirchenintern viel in Bewegung ist, gibt es nun eine Synode über Synodalität selbst, weil Synodalität das Wesen der Kirche ist.
Der Papst betont von Anfang an immer wieder, dass es sich dabei um einen geistlichen Prozess des Hinhörens und der Unterscheidung handeln möge. Dem dient auch das Synodengebet, ein Gebet, das bei den Zusammenkünften des II. Vatikanischen Konzils regelmäßig gesprochen wurde. Im Rahmen der Eröffnung des synodalen Prozesses fand in Rom ein Studientag statt, an dem die Methode des so genannten Anhörkreises - ursprünglich aus der jesuitisch-ignatianischen Tradition - praktiziert und empfohlen wurde. Sie nimmt Maß an der ersten Synode, dem Apostelkonzil in Jerusalem, von dem die Apostelgeschichte berichtet. Die dortige Auseinandersetzung mündet in ein Hören auf das, was es an authentischer Glaubenserfahrung zu berichten gibt, zugleich aber auch in ein Hören auf den Beitrag der zuständigen Autoritäten. Am Ende steht der für synodale Prozesse entscheidende Satz: "Der Heilige Geist und wir haben beschlossen." (Apg 15,28).
Zur Unterstützung der ehrlichen Auseinandersetzung, des aufmerksamen Hörens und des geistvollen Schweigens, hat Papst Franziskus diesem Prozess einen Fragebogen vorgegeben. Mit ihm wurde seit Oktober des letzten Jahres auch in unserem Land in Diözesen, Pfarren, Orden, Universitäten und vielfältigen Laienorganisationen gearbeitet. In vielen Diözesen fanden so genannte "vorsynodale Versammlungen" statt. Wir Bischöfe haben uns mit Gästen zu einem Studientag in Salzburg getroffen und zu einer solchen vorsynodalen Versammlung im Rahmen der Sommervollversammlung der Bischofskonferenz in Mariazell eingeladen. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Konfessionen, Ordensleuten, Abordnungen von Laienverbänden, Christinnen und Christen aus verschiedensten Bereichen der Gesellschaft und des öffentlichen Lebens, haupt- und ehrenamtlich, wurden die Erfahrungen und Erkenntnisse dieses Prozesses dort in einem zweitägigen synodalen Geschehen reflektiert.
Die Beratungen in Mariazell haben nochmals deutlich werden lassen: Als Kirche stehen wir in einer doppelten Verantwortung. Einerseits für das Reich Gottes hier vor Ort, wie es lebt, leidet und von Sehnsüchten geprägt ist. Andererseits aber auch in der Verantwortung empfänglich, andockfähig, ergänzungsfähig zu bleiben mit Blick auf die Universalkirche. Beidem gerecht zu werden, darin besteht die große Herausforderung. Konkret bedeutet das, nicht der Gefahr von 100%-Antworten zu verfallen. Der Papst hat mehrmals davor eindringlich gewarnt. Ich darf zitieren: "Ich bin allergisch gegen Gedanken, die bereits vollständig und abgeschlossen sind." Und: "Es gibt nichts Gefährlicheres für die Synodalität, als zu denken, dass wir schon alles verstanden haben, dass wir schon alles kontrollieren."
Die Ergebnisse des synodalen Prozesses in Österreich sind in einem Bericht zusammengefasst, der nun vorliegt. Er wurde von einem vierköpfigen Redaktionsteam verfasst und beinhaltet auch die Rückmeldungen der vorsynodalen Versammlung in Mariazell. Wir Bischöfe haben in das Corpus dieser Synthese und der Rückmeldungen nicht eingegriffen. Unser Beitrag ist lediglich ein Begleitbrief, der Ihnen ebenfalls zugegangen ist.
Wenn wir heute den Österreich-Bericht in den Händen halten, ist uns bewusst, zwar viele Stimmen gehört zu haben, nicht jedoch repräsentativ alle. Trotz intensiver Arbeit, ehrlichen Bemühens wurden einige Gruppen fast gar nicht gehört. Wir vernehmen dies nicht nur als Mangel, sondern als Aufgabe, den synodalen Prozess weiterzuführen und die synodale Verständigung generell als Arbeitsweise der Kirche in Österreich zu etablieren.
Abschließend möchte ich allen danken für das Mitwirken. Denen, die besondere Aufgaben übernommen haben - insbesondere den Synoden- und Redaktionsteams auf diözesaner und nationaler Ebene -, gilt mein besonderer Dank.
Nach der nationalen Phase wird der Prozess nun auf kontinentaler Ebene fortgesetzt. Das römische Generalsekretariat der Bischofssynode erstellt aus allen Einsendungen ein Arbeitsdokument, das auf sieben kontinentalen Versammlungen beraten wird. An ihnen werden nicht nur Bischöfe, sondern auch drei Laiinnen bzw. Laien pro Nation teilnehmen. Die kontinentale Versammlung für Europa wird im Februar des nächsten Jahres in Prag stattfinden. Wir dürfen gespannt sein, wohin uns der Geist Gottes durch diesen gemeinsamen Weg auf allen Kontinenten weiter führen wird!
Statement von PD Dr. Petra Steinmair-Pösel
"Eine Kirche, die Synoden abhält, ist noch keine synodale Kirche. Als eine solche können wir uns bezeichnen, wenn der Alltag der Kirche auf allen Ebenen [...] von einem synodalen Stil geprägt ist."
Diese Feststellung aus einer der eingegangenen Rückmeldungen bringt eine zentrale Einsicht des Synodalen Prozesses in der österreichischen Kirche auf den Punkt: die anstehende Aufgabe eines Kulturwandels hin zu einer synodalen Kultur, die das Leben der kirchlichen Gemeinschaft auf allen Ebenen prägt und durchdringt. Wie dies von den am Synodalen Prozess Beteiligten konkret verstanden wird, sei mit den folgenden 9 Thesen kurz zusammengefasst:
1. Der begonnene Synodale Prozess soll unbedingt weitergeführt werden. Auch wenn es bei einigen Beteiligten anfänglich Zurückhaltung und Skepsis gab, stimmen doch die meisten Rückmeldungen darin überein, dass der Synodale Prozess eine zukunftsweisende und spirituell fundierte Suchbewegung darstellt, die unbedingt weitergeführt werden soll. Dies gerade auch angesichts des vielerorts wahrgenommenen Bedeutungsverlusts der katholischen Kirche in einer religiös und weltanschaulich pluralen, von Säkularisierungstendenzen geprägten Gesellschaft und angesichts der zahlreichen Fragen, die sich derzeit im Blick auf die Zukunft der katholischen Kirche stellen.
2. Synodalität ist kein Selbstzweck. Weitestgehend einig sind sich die Synthesen auch darin, dass Synodalität kein Selbstzweck ist, sondern dazu dienen soll, dass die Kirche ihren Auftrag, ihre Mission, im Sinne Jesu bestmöglich leben kann. Im Mittelpunkt dieser "Mission" steht Jesus Christus, das Hinschauen auf ihn und von ihm aus auf die Mitmenschen. Kirchliche Leitlinien und Strukturen sollen deshalb auf diesen Auftrag hin geprüft und weiterentwickelt werden, sodass sie die Kirche dabei unterstützen, aktiv auf die Menschen zuzugehen, allen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erfahrbar zu machen und eine klare Option für die Armen und Benachteiligten zu leben.
3. Das Engagement der Kirche im karitativen und gesellschaftspolitischen Bereich ist essenziell und unverzichtbar. Das Engagement der Kirche im Bereich der Caritas wird sehr geschätzt; dazu zählen Themen wie Armutsbekämpfung, Einsatz für Flüchtlinge, Begleitung von alten, kranken, notleidenden Menschen, Einsatz für Obdachlose, Engagement für globale Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Diese soziale Dimension im Engagement der Kirche und der Gläubigen soll weiter gestärkt werden, sie trägt zur Glaubwürdigkeit der Kirche nach außen und nach innen bei.
4. Gemeinschaft wird in erster Linie in den Pfarrgemeinden erlebt - diese Gemeinschaften gilt es entsprechend zu gestalten. Viele erfahren in der Pfarre Heimat, Halt und Sinn. Geschätzt wird von den Gläubigen die Eucharistie als Quelle der Stärkung und Gottesbeziehung, aber auch als Fundament der Gemeinschaft. Es besteht der Wunsch, dass Gottesdienste attraktiv gestaltet werden und eine zeitgemäße Sprache gesprochen wird. Eine große Sehnsucht gibt es zudem nach spirituellen Angeboten, sowie grundsätzlich nach mehr Mystik und Kontemplation, also der Tiefendimension des Glaubens.
5. Synodalität lebt von Partizipation - diese ist in allen Bereichen und auf allen Ebenen zu fördern. Von mehreren Synthesen thematisiert wurde, dass diese Partizipation auf Hindernisse stößt:
6. Anliegen aus der synodalen Beratung, die man vor Ort aufgreifen und umsetzen kann, sollen sofort umgesetzt werden. Dazu gehören gemäß den Synthesen Themen wie
7. Bei Anliegen, die nicht vor Ort umgesetzt werden können, wünschen sich die Gläubigen eine Thematisierung auf entsprechender kirchlicher Ebene. Dazu zählen gemäß den Synthesen Themen wie
8. Das Verständnis und die Praxis von Synodalität sind weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Dazu gehört das Einüben in die "spirituelle Konversation": Hier geht es darum, in Phasen der Stille bewusst eine Haltung des intensiven und aktiven Hörens auf den Hl. Geist und die anderen Teilnehmer:innen einzunehmen. Im Hintergrund steht die Überzeugung, dass ausnahmslos jeder Mensch ein "kleines Wort Gottes" ist, durch das Gott in dieser Welt wirkt. Aus dieser spirituellen Haltung heraus wird dann in darauffolgenden "Anhörkreisen" zugehört und auch selbst gesprochen.
9. Die synodale Kommunikation und eine darauf aufbauende synodale Dialog-, Diskussions- und Konfliktkultur könnte auch ein zukunftsweisender Beitrag der Kirche für eine fragmentierte Gesellschaft sein. Das bewusst eingeübte "Hören" in Form der spirituellen Konversation mit ihrer Sequenzierung von Phasen des Dialogs mit Phasen der Stille erweist sich als eine "nachhaltige Entdeckung des Prozesses". Die Einübung dieser Haltung verspricht positive Entwicklungen, zumal wenn dem gegenseitigen Zuhören die notwendige Unterscheidung, Entscheidungen und konkrete Handlungen folgen.
Statement von Prof. Dr. Regina Polak
1. Synodaler Prozess im Sinne von Papst Franziskus
Im Synodalen Prozess soll das Volk Gottes auf den Geist und das Wort Gottes, auf die Zeichen der Zeit, auf die Ausgegrenzten und aufeinander hören. Insbesondere sollen die Bischöfe auf das Volk Gottes hören. Der Synodale Prozess ist daher ein methodisch geordnetes Zu- und Hinhören, um in einem geistlichen Prozess gemeinsam die Sendung der Kirche im 21. Jahrhundert zu identifizieren. Auf diese Weise sollen Erkenntnis, Teilhabe und Mitverantwortung gestärkt, Brücken gebaut und voneinander gelernt werden sowie Hoffnung wachsen: "Auf diesem gemeinsamen Weg sind wir aufgerufen, eine neue Haltung einzunehmen und unsere kirchlichen Strukturen zu erneuern, um dem Ruf Gottes für die Kirche unter den Zeichen der Zeit zu folgen. Dem gesamten Volk Gottes Gehör zu schenken, wird der Kirche helfen, die pastoralen Entscheidungen zu treffen, die dem Willen Gottes am besten entsprechen." (vgl. Vademecum für die Synode, S. 8)
Im Vergleich mit dieser Vorgabe folgen nun exemplarische Beobachtungen zum Synodalen Prozess in Österreich aus pastoraltheologischer Sicht:
2. Diözesane Unterschiede in Methodik, Beteiligung und Intensität
Der Synodale Prozess wurde in Österreich sehr heterogen interpretiert und umgesetzt. Die Methoden reichten von Top-Down Umfragen durch das Ordinariat und wissenschaftlich begleiteten Umfragen über "Anhörkreise" bis zu demokratisch abgestimmten Entwürfen von Programmen zur Stärkung synodaler Strukturen. In der Mehrheit der Diözesen beteiligten sich die Gläubigen sehr aktiv, und der Prozess stieß vor allem im Binnenraum der bereits Engagierten auf positives Echo. Infolge enttäuschender Vorerfahrungen mit ähnlichen Prozessen (Dialog für Österreich, Zukunftsforum3000) fanden sich im Kernsegment aber auch Zurückhaltung, Skepsis und Misstrauen. Einzelne Gruppen - u.a. konservative Gruppierungen und Bewegungen - distanzierten sich vom Prozess. Aus einzelnen Diözesen waren Klagen über intransparente Vorgänge und zu wenig Beteiligung zu hören. Schwierigkeiten gab es auch bei der Teilhabe von jungen Menschen, anderssprachigen Gemeinden sowie externen Gesprächspartnern, wie z.B. anders- und nichtreligiösen Personen, sogenannten "Kirchenfernen", sozialen Randgruppen und säkularen Experten. Generell zeigte sich vor allem im "inneren Kreis" ein großer Gesprächsbedarf über die verschiedenen Gruppierungen hinweg bzw. auch mit den Bischöfen über Glaubens- und Strukturfragen. Neben vielen neuen und positiven Erfahrungen mit der synodalen Methodik waren auch Ängste, Misstrauen, Ärger und latente Konflikte zu beobachten.
3. Inhalte
Es dominierten Themen, die die Katholische Kirche in Österreich bereits seit Jahrzehnten beschäftigen und zu denen es umfassende Positionspapiere gibt: v.a. Frauen (inkl. Diakonin, Priesteramt), Partizipation der Laien, transparente Bischofsernennungen, klerikaler Führungsstil, Jugend, Sexualethik. Neue Themen waren insbesondere der mehrfach beobachtete und beklagte Relevanzverlust in der Gesellschaft sowie die Frage des Umgangs der Kirche mit gleichgeschlechtlichen Paaren bzw. diversen sexuellen Identitäten. Es sind vor allem die innerkirchlichen Themen, die einer Mehrheit der beteiligten Gläubigen auf der Seele brennen - vor allem den Hochengagierten. Zwar herrscht diesbezüglich keine völlige Einheit, aber die erstaunlich homogenen nationalen Synthesen zeigen deutlich, dass die Beteiligten sich diesbezügliche Reformen erwarten.
Zugleich scheinen die innerkirchlichen Probleme und der diesbezügliche Reformstau die Kirche in Österreich daran zu hindern, sich intensiv mit ihrer Sendung in der taumelnden Welt des 21. Jahrhunderts zu befassen. Zwar verweisen die Caritas, die Katholische Aktion (KAÖ) und die Ordensgemeinschaften auf zahlreiche diakonale und gesellschaftspolitische Aufgaben (Armut, Klimawandel, Migration etc.), auf Gemeindeebene wird die Relevanz der Diakonie benannt, aber mehrheitlich fällt eine starke Binnenorientierung und ein gewisser Mangel an diakonalen und gesellschaftspolitischen Beiträgen auf. Auch Themen wie Ökumene oder der interreligiöse Dialog wurden nur in einzelnen diözesanen Synthesen thematisiert. Die Auseinandersetzung mit den "Zeichen der Zeit" ist zumeist schwächer als die innerkirchlichen Themen.
4. Konsequenzen
Der Synodale Prozess sollte weitergeführt werden und bedarf dafür einer nationalen und diözesanen Institutionalisierung. Dabei sollte die synodale Methodik als Stil und Haltung des Zuhörens weiter verbreitet und geübt werden, da diese spezielle Art des Zuhörens und des Austausches von Argumenten in der österreichischen Kirche noch nicht umfassend bekannt ist. Überdies sollten jene Personen, Gruppe etc., die bisher nicht beteiligt waren, aktiv einbezogen werden.
Die synodale Methodik ("Anhörkreise") eignet sich aufgrund ihrer Regeln ausgezeichnet dafür, um Erfahrungen bzw. persönliche Zugänge auszutauschen und so einander zuhören und verstehen zu lernen. Für die Zukunft bedarf es aber Formen, wie man auch sachbezogene Argumente austauscht und (notwendige) Konflikte führt. Die synodalen Erfahrungen können dafür eine gute Basis bilden.
Offen geblieben und vielfach geäußert wurde die Frage, wie man zu Entscheidungen kommt. Dazu bedarf es einer Unterscheidung der Geister. Dieser Prozess hat meiner Wahrnehmung nach kaum stattgefunden, da Kriterien und Methode dafür unklar sind. Die Unterscheidung der Geister sollte nicht allein durch die Bischöfe erfolgen, sondern ebenfalls unter Einbeziehung der Gläubigen: Dafür verfügt Österreich über zahlreiche theologisch gebildete Laien. Überdies ist auch die universitäre Theologie gefordert, sich verstärkt einzubringen.
Manche der Anliegen und Wünsche der Gläubigen können und sollen auf diözesaner Ebene bereits jetzt umgesetzt werden, u.a. die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und Frauen in Führungspositionen, Stärkung von Transparenz und Partizipation, Seelsorge mit sogenannten "Randgruppen" etc.
Jene Anliegen und Argumente, die nur weltkirchlich entschieden werden können, sollten die Bischöfe beherzt auf den nun folgenden Bischofssynoden einbringen und verständlich machen - denn sie sind auch Fürsprecher ihrer Gläubigen. Sie müssen diese Anliegen nicht teilen, aber sie sollten schwierige Themen auch nicht in vorauseilendem Gehorsam vorschnell unter den Tisch fallen lassen.
Die starke Binnenorientierung der österreichischen Kirche bedarf einer Horizonterweiterung über die Kirchengrenzen hinaus, um die kirchliche Sendung im Kontext multipler Krisen zu erfüllen. Dazu gehören vertiefte Glaubensbildung und eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Zeichen der Zeit. Diese sind auch dann unverzichtbar, wenn Reformwünsche nicht erfüllt werden. |
Erarbeitet wurde die Synthese von einem Autorenteam, dem kein Bischof angehörte. Die Bischöfe haben das Dokument, das die authentische Stimme der Katholikinnen und Katholiken in Österreich wiedergeben will, lediglich mit einem Begleitwort ergänzt, das von Erzbischof Lackner und Bischof Josef Marketz gezeichnet ist. Wiewohl keine genauen Zahlen vorliegen, dürften sich insgesamt rund 50.000 Menschen österreichweit am Synodalen Prozess beteiligt haben, wie es hieß.
"Als Kirche in einer doppelten Verantwortung"
Erzbischof Lackner zeigte sich bei der Präsentation dankbar für das vielfältige Engagement so vieler, die zum Entstehen des Synodalen Berichts beigetragen haben. Der Prozess habe deutlich gemacht: "Als Kirche stehen wir in einer doppelten Verantwortung. Einerseits für das Reich Gottes hier vor Ort, wie es lebt, leidet und von Sehnsüchten geprägt ist. Andererseits aber auch in der Verantwortung empfänglich, andockfähig, ergänzungsfähig zu bleiben mit Blick auf die Universalkirche." Die große Herausforderung bestehe darin, beidem gerecht zu werden. Konkret bedeutet das auch, nicht der Gefahr von 100-Prozent-Antworten zu verfallen. Papst Franziskus habe mehrmals davor eindringlich gewarnt.
Lackner weiter: "Wenn wir heute den Österreich-Bericht in den Händen halten, ist uns bewusst, zwar viele Stimmen gehört zu haben, nicht jedoch repräsentativ alle." Trotz intensiver Arbeit und ehrlichen Bemühens seien einige Gruppen fast gar nicht gehört worden. "Wir vernehmen dies nicht nur als Mangel, sondern als Aufgabe, den synodalen Prozess weiterzuführen und die synodale Verständigung generell als Arbeitsweise der Kirche in Österreich zu etablieren", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Gezielte Förderung von Frauen
Petra Steinmair-Pösel, sie war maßgeblich an der Endredaktion des Textes beteiligt, skizzierte die inhaltlichen Eckpunkte des Österreich-Berichts. Anliegen aus der synodalen Beratung, die man vor Ort aufgreifen und umsetzen kann, sollten sofort umgesetzt werden, so der Wunsch der Gläubigen, die sich am Synodalen Prozess beteiligt haben. Dazu gehörten Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, etwa durch gezielte Förderung von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen, oder der Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten in Richtung Transparenz von Entscheidungsprozessen und Mitbestimmung auf allen Ebenen.
Ein weiterer Bereich sei die vermehrte Mitwirkung von Laien und Laiinnen in der Liturgie, beispielsweise durch Predigt- und Tauferlaubnis für Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten und die Erlaubnis für Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger, die Krankensalbung zu spenden.
Weitere zentrale Anliegen seien das Bemühen um eine verständlichere Sprache in Liturgie und Verkündigung sowie ein pastoraler Umgang mit Menschen, die in verschiedener Weise vom kirchlichen Leben ausgeschlossen sind; ebenso eine weiterhin transparente Aufarbeitung von Missbrauch und die Förderung von Glaubensbildung.
Weihe von Frauen und Zölibat
Bei Anliegen, die nicht vor Ort umgesetzt werden können, wünschten sich die Gläubigen eine Thematisierung auf entsprechender kirchlicher Ebene. Dazu zählten gemäß den Synthesen Themen wie der Zugang von Frauen zur Weihe und den damit verbundenen Ämtern, der Zölibat als Zulassungsbedingung zum Weiheamt oder die Adaptierung von Lehrmeinungen; etwa ein Überdenken mancher kirchlicher Positionen im Bereich der Sexualmoral.
Synodalität sei kein Selbstzweck, sondern dienen dazu, "dass die Kirche ihren Auftrag, ihre Mission, im Sinne Jesu bestmöglich leben kann", so Steinmair-Pösel. Kirchliche Leitlinien und Strukturen sollten deshalb auf diesen Auftrag hin geprüft und weiterentwickelt werden, "sodass sie die Kirche dabei unterstützen, aktiv auf die Menschen zuzugehen, allen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erfahrbar zu machen und eine klare Option für die Armen und Benachteiligten zu leben".
Ein weiteres zentrales Ergebnis: Das Engagement der Kirche im karitativen und gesellschaftspolitischen Bereich sei essenziell, unverzichtbar und werde geschätzt. Dazu zählten Themen wie Armutsbekämpfung, Einsatz für Flüchtlinge, Begleitung von alten, kranken, notleidenden Menschen, Einsatz für Obdachlose, Engagement für globale Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Diese soziale Dimension im Engagement der Kirche und der Gläubigen solle weiter gestärkt werden.
Deutlich werde bei den bisherigen Beiträgen zum Synodalen Prozess auch, dass Gemeinschaft in erster Linie in den Pfarrgemeinden erlebt werde. Diese Gemeinschaften gelte es entsprechend zu gestalten. Ein weiteres Thema bzw. Anliegen: Partizipation müsse in allen Bereichen und auf allen Ebenen gefördert werden. Von mehreren Synthesen sei zudem thematisiert worden, dass diese Partizipation auf Hindernisse stoße. Steinmair-Pösel: "Manche beobachten geschlossene Gemeinschaften, zu denen sozial Benachteiligte, Migrant:innen, Familien, Kinder und Jugendliche, wiederverheiratet Geschiedene und Mitglieder der LGBTQIA+-Community keinen Zugang finden, bzw. auch umgekehrt, dass es für Mitglieder der Kirche schwierig ist, einen Zugang zu diesen Gruppen zu finden."
Fast durchgängig thematisiert werde in den Eingaben der Diözesen die Partizipation von Frauen: "Diese tragen das kirchliche Ehrenamt, erleben sich aber oft nicht entsprechend gehört und wertgeschätzt", so die Theologin. Bemerkenswert sei, "dass die Gläubigen hier durchaus zwischen der Weihe und der Ausübung von Leitungsfunktionen unterscheiden: Sehr viele Äußerungen sprechen für die gezielte Förderung von Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen im Sinne von mehr Geschlechtergerechtigkeit, nicht automatisch wird damit auch die Forderung nach der Weihe von Frauen unterstützt, auch wenn sich viele diese zumindest in Form des Diakonats vorstellen können oder wünschen."
"Innerkirchliche Themen brennen auf der Seele"
Prof. Regina Polak, die dem nationalen Synodenteam angehört, betonte in ihren Ausführungen, dass die bisherigen Ergebnisse des Synodalen Prozesses in Österreich eine starke Binnenorientierung der österreichischen Kirche zeigten, die einer Horizonterweiterung über die Kirchengrenzen hinaus bedürfe, um die kirchliche Sendung im Kontext multipler Krisen zu erfüllen.
Es hätten beim bisherigen Synodalen Prozess Themen dominiert, die die Katholische Kirche in Österreich bereits seit Jahrzehnten beschäftigen und zu denen es bereits umfassende Positionspapiere gibt. Dies betreffe vor allem die Frauenfrage, die Partizipation der Laien, transparente Bischofsernennungen, einen klerikalen Führungsstil, Jugend oder Sexualethik. Neue Themen seien insbesondere der mehrfach beobachtete und beklagte Relevanzverlust in der Gesellschaft sowie die Frage des Umgangs der Kirche mit gleichgeschlechtlichen Paaren bzw. diversen sexuellen Identitäten gewesen.
Polak: "Es sind vor allem die innerkirchlichen Themen, die einer Mehrheit der beteiligten Gläubigen auf der Seele brennen - vor allem den Hochengagierten." Zwar herrsche diesbezüglich keine völlige Einheit, aber die erstaunlich homogenen nationalen Synthesen zeigten deutlich, dass die Beteiligten sich diesbezügliche Reformen erwarteten.
Zugleich scheine es, dass die innerkirchlichen Probleme und der diesbezügliche Reformstau die Kirche in Österreich daran hindern würden, sich intensiv mit ihrer Sendung in der taumelnden Welt des 21. Jahrhunderts zu befassen. Mehrheitlich falle eine starke Binnenorientierung und ein gewisser Mangel an diakonalen und gesellschaftspolitischen Beiträgen auf. Auch Themen wie Ökumene oder der interreligiöse Dialog seien nur in einzelnen diözesanen Synthesen thematisiert worden.
In der Mehrheit der Diözesen hätten sich die Gläubigen sehr aktiv am Synodalen Prozess beteiligt, infolge enttäuschender Vorerfahrungen mit ähnlichen Prozessen habe sich im Kernsegment aber auch Zurückhaltung, Skepsis und Misstrauen gefunden. U.a. konservative Gruppierungen und Bewegungen hätten sich überhaupt vom Prozess distanziert. Schwierigkeiten habe es auch bei der Teilhabe von jungen Menschen, anderssprachigen Gemeinden sowie externen Gesprächspartnern bzw. "Kirchenfernen" und sozialen Randgruppen gegeben.
Für Polak folgert daraus: "Der Synodale Prozess sollte weitergeführt werden und bedarf dafür einer nationalen und diözesanen Institutionalisierung." Es brauche eine vertiefte Einübung der synodalen Methodik als Stil und Haltung des Zuhörens. Überdies sollten jene Personen oder Gruppen, die bisher nicht beteiligt waren, aktiv einbezogen werden. "Wir müssen dringend alle Gruppen an einen Tisch bringen", so der Appell der Theologin.
Jene Anliegen und Argumente, die nur weltkirchlich entschieden werden können, sollten die Bischöfe hingegen "beherzt" auf den nun folgenden Bischofssynoden einbringen und verständlich machen - "denn sie sind auch Fürsprecher ihrer Gläubigen". Die Bischöfe müssten diese Anliegen nicht teilen, betonte Polak, "aber sie sollten schwierige Themen auch nicht in vorauseilendem Gehorsam vorschnell unter den Tisch fallen lassen".
Synodale Beratungen auf Europa-Ebene
Erzbischof Lackner bekräftigte, dass man die auf dem Tisch liegenden Ergebnisse nun in den weiteren Synodalen Prozess einbringen wird. Nach der nationalen Phase wird der Prozess nun auf kontinentaler Ebene fortgesetzt. Das römische Generalsekretariat der Bischofssynode erstellt aus allen Einsendungen ein Arbeitsdokument, das auf sieben kontinentalen Versammlungen beraten wird. An ihnen werden nicht nur Bischöfe, sondern auch drei Laiinnen bzw. Laien pro Nation teilnehmen. - Aus Österreich sind dies neben Erzbischof Lackner Prof. Polak und Rektorin Steinmair-Pösel sowie Markus Welte, der zuständige Referent für den Synodalen Prozess in der Erzdiözese Salzburg.
Die kontinentale Versammlung für Europa wird im Februar 2023 in Prag stattfinden. "Wir dürfen gespannt sein", so Lackner, "wohin uns der Geist Gottes durch diesen gemeinsamen Weg auf allen Kontinenten weiter führen wird". Er hoffe jedenfalls auf eine "große Bewegung mit Papst Franzis an der Spitze". Das unterscheide wohl auch diesen Reformprozess von früheren, dass er vom Papst persönlich initiiert worden sei.
Der Erzbischof bekräftigte zudem auf Nachfrage, dass der Synodale Prozess auch in Österreich weitergehen werde. In welcher institutionalisierten Form dies geschehen wird, sei aber noch offen.
Zuversicht über Ausgang überwiegt
Die für den Synodalen Prozess in Österreich maßgeblich Verantwortlichen blicken mit Zuversicht auf seinen weiteren Verlauf und auf die Ergebnisse bei der Bischofssynode mit dem Papst im Oktober nächsten Jahres. Es gebe gute Gründe für die Zuversicht, unterstrichen sowohl Erzbischof Lackner, als auch die Theologinnen Polak und Steinmaier-Pösel bei der Präsentation der Österreich-Ergebnisse.
Hauptgrund für ein Gelingen der Weltsynode sei Papst Franziskus selbst, "der uns mit dem weltweiten Synodalen Prozess wieder einmal überrascht hat", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Der Papst selbst wolle hören, was die Menschen bewegt. Die Bischöfe werden daher die Anliegen, wie sie jetzt in der Österreich-Synthese vorliegen, beim Ad-limina-Besuch im Dezember weitergeben. Dabei sei es wichtig, sich nicht selbst einengen zu lassen oder einen Erwartungsdruck zu erzeugen. "Die großen Themen liegen auf dem Tisch, und das ist gut so", hielt der Salzburger Erzbischof fest und sagte: "Ich hoffe sehr, dass wir einen Schritt weiterkommen." Es gelte, jetzt so zu säen, dass andere ernten können. "Dafür brauchen wir die Weichenstellungen jetzt."
Ähnlich zuversichtlich äußerte sich Prof. Polak: Im Unterschied zu Prozessen in der Vergangenheit wie beispielsweise dem "Dialog für Österreich", der am Ende bei den Beteiligten viel Frustration ausgelöst habe, gebe es jetzt u.a. eine andere gesamtgesellschaftliche Ausgangssituation.
Es gebe unter vielen Gläubigen bei den anstehenden Themen einen "Bewusstseinswandel und Bildungszuwachs". Wenn die Quantität sehr hoch ist, dann ändere sich auch die Qualität, das sei jetzt spürbar. Außerdem gebe es einen "großen Leidensdruck" in der Kirche angesichts der ungelösten Fragen. Sozialpsychologisch sei dieser in der Regel nötig, damit sich in großen Institutionen etwas ändert, so die Pastoraltheologin.
Auch Rektorin Steinmaier-Pösel konstatierte: "Es gibt bereits Vorerfahrungen, wir starten nicht bei Null." Das sei aus den Rückmeldungen zum Synodalen Prozess deutlich geworden.
Quelle: kathpress (21.09.2022)