Synodaler Prozess: Innerkirchlichen Kulturwandel vorantreiben
Die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, die Innsbrucker Hochschul-Rektorin und Theologin Petra Steinmair-Pösel und der Salzburger Theologe Markus Welte werden ab 5. Februar gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner an der Kontinentalversammlung in Prag im Rahmen des Synodalen Prozesses teilnehmen. Kathpress befragte Polak, Steinmair-Pösel und Welte am Montag im Interview zu ihren Erwartungen. Ein Grundtenor: Die Österreich-Repräsentanten erhoffen sich, dass der vom Synodalen Prozess ausgelöste Kulturwandel in der katholischen Kirche ein gutes Stück weitergeht, wie es Steinmair-Pösel ausdrückte.
Polak sprach von großen Ungleichzeitigkeiten in der Weltkirche wie auch in der katholischen Kirche in Europa. In Prag müsste deshalb im Blick auf Europa und unterschiedliche Voraussetzungen in Ost und West ein Raum geschaffen werden, in dem man aufeinander hört und versucht, den anderen besser zu verstehen. Das sei die Bedingung der Möglichkeit, in einem weiteren Schritt auch die bestehenden Spannungen und Konflikt auszudiskutieren.
Ähnlich äußerte sich Welte. Er erwarte sich, dass auch Spannungen und Divergenzen thematisiert werden. Ein Beispiel dafür sei die Synodalität selbst, "denn gerade über sie gibt es derzeit einen durchaus kontroversen Diskurs". Öffentlich ausgetragen werde diese Debatte vor allem zwischen Vertretern des deutschen Synodalen Weges und denen des weltweiten synodalen Prozesses.
Was der Soziologe Niklas Luhmann für die moderne Gesellschaft gezeigt hat, nämlich, dass sich in den verschiedenen Teilsystemen der modernen Gesellschaft unterschiedliche Synodalitätsparadigmen ausbilden, gelte offenbar auch für die Kirche. Daher hoffe er, so Welte, "dass durch Prag auch divergierende kirchliche Konzepte von Synodalität in ein vertieftes Gespräch miteinander kommen." Für das Miteinander der Kirche in Europa erscheine ihm dies als essenziell, so der Salzburger Theologe.
Polak zeigte sich in diesem Zusammenhang besorgt, dass der Konflikt zwischen Rom und der katholischen Kirche in Deutschland die Versammlung belasten bzw. dominieren könnte.
Drängende Themen
Auf Basis der Einreichungen aus aller Welt erarbeitete eine Gruppe von 50 Fachleuten ein Arbeitsdokument für die aktuelle kontinentale Phase der Synode. Unter dem Titel "Mach den Raum deines Zeltes weit" (Jes 54,2) fasst das im Oktober 2022 vom Vatikan veröffentlichte Papier auf 45 Seiten Sorgen und Nöte in katholischen Diözesen weltweit zusammen. Dabei stehen vor allem besseres gegenseitiges Zuhören und Beteiligung aller im Fokus. Hervorgehoben werden Frauen, gesellschaftliche Randgruppen und Minderheiten.
Das Arbeitspapier wurde in den heimischen Diözesen nochmals behandelt und Rückmeldungen wurden an die Österreich-Delegierten gesandt. Diese haben nun neuerlich eine Synthese erarbeitet, die in Prag präsentiert wird.
Auffallend sei einmal mehr, wie sehr sich die Themen auf Weltkirche-Ebene mit jenen aus Österreich ähneln würden, wenn auch mit Akzentverschiebungen, erläuterte Steinmair-Pösel. Das sei zum einen die Frauenfrage bzw. die Frage der Geschlechtergerechtigkeit, die Partizipation aller Getauften in der Kirche bzw. das Verhältnis von Klerus und Laien in der Kirche und die Frage einer inklusiven Kirche. Das betreffe etwa wiederverheiratete Geschiedene, den Themenkomplex LGBT, die Jugend oder Migranten. Ein weiteres zentrales Thema sei die missionarische Präsenz der Kirche in der Welt und das Offenhalten der Gottesfrage, ebenso eine zeitgemäße kirchliche Sprache.
Dass etwa die Frauenfrage auch im Globalen Süden evident ist, überrasche sie nicht, ergänzte Polak. In vielen Ländern würden die Frauen die Hauptlast in der Verkündigung und auch im diakonalen Dienst tragen. Wenn man nun im Rahmen des Synodalen Prozesses offen über alles spricht, dann sei es nur logisch, dass die Frauenfrage auch thematisiert wird.
Einig waren sich die drei Theologen, dass sie sich als Vertreterinnen und Vertreter der Kirche in Österreich verstehen. Es gelte, eigene Positionen oder Priorisierungen zurückzustellen und als Repräsentanten der heimischen Katholikinnen und Katholiken aufzutreten. Zusätzlich werde man aber auch, klar deklariert, eigene Anliegen formulieren, so Polak. Sie betonte etwa, dass ihr im Österreich-Papier die diakonale Dimension der Kirche zu wenig vorkommt, auch seien einige kirchliche Gruppierungen bisher überhaupt nicht im Prozess aufgetreten und daher im Papier auch nicht vertreten. Auch das müsse benannt werden.
Auch Welte erwartet sich von der Versammlung u.a., dass auch Menschen und Gruppen in den Blick kommen, deren Perspektiven in den bisherigen Prozessphasen unterrepräsentiert waren. "Wenn durch Prag eine solche Suchbewegung in Gang käme, wäre das ein großes Geschenk", so der Theologe.
Keine Delegation sollte auch mit dem Gefühl nach Hause fahren, Gewinner oder Verlierer zu sein. Damit das gelingt, brauche es die Bereitschaft der Delegierten, ehrlich über die eigenen Erfahrungen zu sprechen. Welte: "Es genügt nicht, nur Standpunkte zu bestimmten Themen zu vertreten. Viel wichtiger ist es aus meiner Sicht, unter die Oberfläche zu gehen und über die Erlebnisse zu sprechen, die zu den Standpunkten geführt haben." Die kontinentale Synodenversammlung brauche Momente, in denen spürbar werde: "Hier bezeugt ein Mensch, was er in seinem Leben existenziell erfahren hat".
Offenheit für künftige Entwicklungen
Ein Spannungsverhältnis des Synodalen Prozesses, das Polak deutlich zum Ausdruck brachte: Sie erwarte sich zum einen von Prag, dass man danach klare Vorstellungen habe, wie es weitergeht, zum anderen dürfe man auch nicht mit allzu konkreten Erwartungen in die Versammlung gehen. Es brauche "Offenheit für das, was sich vor Ort entwickeln wird", so Polak.
Im Blick auf ein Interview von Papst Franziskus mit dem "America Magazine" der US-Jesuiten von Ende November 2022, in dem er sich erneut gegen ein Frauenpriestertum in der katholischen Kirche ausgesprochen hatte, meinte Steinmair-Pösel, dass es nicht absehbar sei, welche Dynamik sich noch im Rahmen des Synodalen Prozesses ergeben werde. Und womöglich könnte dann ja auch der Papst seine Positionen nochmals überdenken.
Polak ergänzte in diesem Zusammenhang, dass Dogma und Pastoral seit jeher in einer Spannung zueinander stünden. Zugleich gehörten sie auch zusammen und müssten stets voneinander lernen. Sie verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass das vatikanische Arbeitspapier für die kontinentale Synodenphase die Erfahrungen aus allen Regionen der Welt als "vortrefflichen theologischen Schatz" bezeichnet, weil es die vielfältigen Arten des Glaubenslebens des Volkes Gottes, das die Stimme des Heiligen Geistes gehört hat, bündelt. Dies müsse man ernst nehmen.
Die mehrtägige Kontinentalversammlung in Prag teilt sich in zwei Phasen: Die erste dauert vom 5. bis 9. Februar und an ihr nehmen 200 Personen vor Ort sowie 390 Online-Delegierte teil. Erklärtes Ziel ist die gemeinsame Erarbeitung und Verabschiedung eines Abschlussdokuments. Anschließend tagen von 10. bis 12. Februar die 39 Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen in Europa. Sie werden sich mit dem Abschlussdokument befassen und planen dazu eine Stellungnahme.
Dass die Bischöfe eigens und unter sich tagen, sei "ganz normal", so Prof. Polak. Schließlich hätten sie ein Leitungs- und Lehramt und demgemäß das Recht und die Pflicht, die zuvor erarbeitete empirische Bestandsaufnahme zu bewerten. Sie könne sich freilich nicht vorstellen, so die Theologin, "dass die Bischöfe dann alles nochmals auf den Kopf stellen".
Quelle: kathpress (30.01.2023)