Prag: Österreich-Plädoyer für synodale Kirche
In Prag haben am Montagvormittag die Beratungen der Kontinentalversammlung zum Synodalen Prozess begonnen. Die österreichische Delegation hat dabei gleich als zweite - nach Albanien - ihr mitgebrachtes Positionspapier in die Beratungen eingebracht. Erzbischof Franz Lackner hielt zu Beginn der österreichischen Wortmeldung einmal mehr fest, dass die Teilkirchen und die Weltkirche einander bedürften, sie seien aufeinander angewiesen. Es gelte für beide Seiten, andockfähig und ergänzungsfähig zu sein, so Lackner. Für die Teilkirchen gelte es, den Anschluss an die Gesamtkirche stets im Auge zu behalten. Umgekehrt hoffe man freilich auch, dass die weltweite Kirche ihrerseits ergänzungsfähig bleibe durch die Teilkirchen.
Lackner betonte, dass die Kirche von ihrer Konstitution her sowohl wesenhaft synodal als auch wesenhaft hierarchisch verfasst sei. Er zeigte sich überzeugt, dass es in den Entscheidungsfindungen keine Gewinner und Verlierer geben dürfe. Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz informierte zudem über die breiten und intensiven Aktivitäten, die es in Österreich seit dem Herbst 2021 zum Synodalen Prozess bereits gegeben hat.
Österreich ist in Prag durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak, die Innsbrucker Hochschul-Rektorin und Theologin Petra Steinmair-Pösel und den Salzburger Theologen Markus Welte vertreten.
Ausgangspunkt für die mehrtägigen Beratungen ist das Vorbereitungsdokument "Mach den Raum deines Zeltes weit" (Jes 54,2), das Ende Oktober 2022 vom Vatikan veröffentlicht wurde. Die mehrtägige Konferenz in Prag teilt sich in zwei Phasen: Die erste dauert vom 5. bis 9. Februar, an ihr nehmen 200 Personen vor Ort sowie 390 Online-Delegierte teil. Erklärtes Ziel ist die gemeinsame Erarbeitung und Verabschiedung eines Abschlussdokuments. Anschließend tagen von 10. bis 12. Februar die 39 Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen in Europa. Sie werden sich mit dem Abschlussdokument befassen und planen dazu eine Stellungnahme.
Das Vorbereitungsdokument wurde in den heimischen Diözesen in den vergangenen Monaten nochmals behandelt und Rückmeldungen wurden an die Österreich-Delegierten gesandt. Diese haben daraus neuerlich eine Synthese erarbeitet, die nun in Prag präsentiert wurde. (Jede der 39 Länderdelegationen brachte nach Prag ein zusammenfassendes Statement mit.)
In Weltkirche ähnliche Anliegen
Im Anschluss an die Ausführungen Lackners stellte Prof. Polak das Österreich-Statement im Detail vor: Einleitend hält das Papier fest, dass der Wunsch nach Reformen trotz widersprüchlicher Vorstellungen groß sei. Geäußert werde die Sorge, "dass der synodale Prozess ohne konkrete strukturelle Folgen bleibt, die als Voraussetzung für eine glaubwürdige Sendung betrachtet werden".
Es wird in Folge eine große Übereinstimmung weltkirchlicher Problemfelder festgestellt. Genannt werden die Förderung der Teilhabe aller Gläubigen an der Sendung der Kirche, die Stärkung der Rolle der Frauen, eine "inklusive" Kirche, Evangelisierung und Mission. "Der ohrenbetäubende Schrei der Armen und der Erde nach Rettung" in der Kirche des Südens werde zwar wahrgenommen, finde in Österreich aber vergleichsweise wenig Gewicht.
Unterschiede zwischen West- und Osteuropa
Das Österreich-Papier hält weiters fest, dass "deutliche kontinentale und regionale Unterschiede, im Besonderen zwischen den Ortskirchen in West- und Osteuropa", festgestellt werden. Der Wunsch nach einer "inklusiven" Kirche stehe in Spannung zum Wunsch, unverändert an den kirchlichen Strukturen und Lehren festzuhalten. Spannungen zeigten sich zwischen Klerus und Laien. Die Interpretation der "Zeichen der Zeit" sei heterogen: Die einen äußerten Sorge um die Anpassung an den "Zeitgeist" und orteten ein "Kreisen der Kirche um sich selbst", den anderen gehe das "Aggiornamento" zu langsam. - Dieses Spannungsverhältnis bedürfe der Aufmerksamkeit und Bearbeitung.
Neues Verhältnis zwischen Klerus und Laien
Schließlich geht das Österreich-Papier konkret auf die Frage ein, über welche prioritären Themen man sich mit anderen Ortskirchen in der Welt austauschen könnte und welche auf der ersten Sitzung der Synodenversammlung im Oktober 2023 diskutiert werden sollten. Auf der Basis der gemeinsamen Taufberufung sollten etwa die Mitverantwortung und die Mitentscheidungsbefugnis aller Gläubigen an der Sendung der Kirche gefördert und kirchenrechtlich verankert werden. Gewünscht werde die Beauftragung von bewährten Männern und Frauen zu kirchlichen Diensten. Priester erlebten sich zudem unter Kritik und wünschten sich ein positives Priesterbild. Und: "Das Verhältnis zwischen Klerus und Laien sowie das Verständnis von Amt und Dienst bedürfen einer grundlegenden Auseinandersetzung", heißt es in dem Papier wörtlich.
"Rolle und Rechte der Frau in der Kirche"
Synodale Entscheidungen zum Thema "Rolle und Rechte der Frau in der Kirche" würden in Österreich trotz heterogener Vorstellungen über die Umsetzung als entscheidend für die Zukunft der Kirche in Europa betrachtet. Nicht nur die bisher am Prozess beteiligten Frauengruppen wünschten sich eine Diskussion über die Teilhabe am kirchlichen Weiheamt, insbesondere am Diakonat. So könnte die sakramentale Dimension des diakonalen Handelns der Kirche als Form der Christusrepräsentanz gestärkt werden, heißt es in dem Papier.
Diskutiert werden sollte auch, wie eine "inklusive" Kirche verwirklicht werden kann, "die für Arme und Marginalisierte, für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und LGBTQI-Personen offen ist". Auch die Anliegen, Perspektiven und aktive Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Kirche bedürften mehr Aufmerksamkeit.
Gottesfrage und Glaubensweitergabe
Ein weiterer wesentlicher Punkt: "Evangelisierung und Mission seien angesichts von Glaubensschwund und gesellschaftlichem Bedeutungsverlust zentrale Themen. Vertiefung des Glaubens, das Lebendig-Halten der Gottesfrage, Glaubensweitergabe in den Familien sowie Katechese sollten Thema werden.
Das Österreich-Papier spart auch das Thema Missbrauch nicht aus: Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche und andere Männer und Frauen im kirchlichen Dienst müsse weltkirchlich weiter bearbeitet werden, heißt es.
Zwei weitere Punkte: Die Möglichkeit kontinentaler und ortskirchlicher Lösungen sollte ventiliert werden. Dazu könnten "Probier-Räume" eröffnet werden. Und: Das Bewusstsein der Kirche Europas für die Mitverantwortung für den globalen Süden und die Weltkirche müsse gefördert werden.
Initiative von Papst Franziskus
Der von Papst Franziskus initiierte Synodale Prozess startete im Herbst 2021. Der Herbst und das Frühjahr 2022 standen im Zeichen der lokalen Konsultationen über Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung in Diözesen und kirchlichen Organisationen in aller Welt. Um möglichst viele Menschen zu beteiligen, setzte man neben verschiedenen Gesprächsformaten, diözesanen Versammlungen und anderen Impulsen vielerorts auch auf Fragebögen zur Erhebung von Anliegen und Ideen der Gläubigen. Auch aus Österreich gingen die Ergebnisse, gebündelt in eine nationale Zusammenfassung ("Österreich-Synthese"), im Sommer 2022 an das Synodensekretariat in Rom. Die heimischen Bischöfe griffen inhaltlich in das Korpus des Berichts nicht ein. Sie ergänzten es lediglich um ein kurzes Begleitschreiben. Auf Basis der Einreichungen aus aller Welt erarbeitete eine Gruppe von 50 Fachleuten das Arbeitsdokument für die aktuelle kontinentale Phase der Synode.
Quelle: kathpress (06.02.2023)