"Hoffnung statt Hass": Kirchen und Politik gedenken der Anschlagsopfer
Mit einem Gedenkmarsch in Stille und einem ökumenischen Gedenkgottesdienst haben am Dienstagabend in Villach das offizielle Österreich und die Glaubensgemeinschaften der Opfer des Messerangriffs vom vergangenen Samstagnachmittag gedacht. In dieser aktuell belastenden Situation dürfe Hass nicht die Herzen und die Hoffnung der Menschen vergiften, betonte Diözesanbischof Josef Marketz in seiner Predigt beim Gedenkgottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Jakob, dem er gemeinsam mit Superintendent Manfred Sauer vorstand. "Ohne Hoffnung kann kein Mensch überleben, auch keine Gesellschaft", so die Worte des Bischofs.
Die Hoffnung gebe "angesichts der vielfältigen Zumutungen und Bedrängnisse unseres Lebens inneren Antrieb und langen Atem", so der Bischof. Hoffnungslosigkeit hingegen führe zu Resignation, zunehmender Gereiztheit und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft. Marketz richtete seine Worte vor allem an Jugendliche, die ihm durch ihre Offenheit und Neugierde Hoffnung schenkten. Auch Mut, gute Gespräche und "Menschen, die für eine Sache einstehen und couragiert handeln" seien Quellen für tragende Hoffnung, sagte Marketz.
Am Beginn verlas der Bischof eine Beileidsbekundung des Apostolischen Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana. "Ich spreche der Familie des Verstorbenen mein aufrichtiges Beilied aus und bete für seine ewige Ruhe und die rasche Genesung der Verletzten", so der Repräsentant des Papstes.
Wut darf nicht Handlungsmaxime werden
Auch politische Vertreter ergriffen am Ende des Gottesdienstes das Wort. Bundeskanzler Alexander Schallenberg rief dazu auf, "gemeinsam dem Netzwerk des Terrors ein starkes Netzwerk der Wehrhaftigkeit und der Sicherheit entgegenzusetzen". Der Regierungschef bekundete sein Beileid gegenüber der Familie des 14-jährigen Opfers, das bei dem Terroranschlag "so brutal, so sinnlos" ermordet worden sei. Dass der islamistische Extremismus erneut "seine hässliche Fratze gezeigt" habe, mache traurig und wütend, dennoch dürfe Wut nicht zur "Maxime unseres Handelns werden", betonte der Bundeskanzler.
Dem Terrorismus dürfe es nicht gelingen, Österreichs Grundwerte, Lebensmodell und Freiheit anzugreifen, die Gesellschaft zu spalten und mit Furcht und Schrecken zu erfüllen. "Es wird ihm auch nicht gelingen. Denn unsere Gesellschaft, unsere Gemeinschaft ist stärker", so Schallenberg. Weiters rief Schallenberg zu einem gemeinsamen couragierten Eintreten "für unsere Werte, für den Pluralismus und für die Freiheit" auf. In diesem Zusammenhang dankte der Kanzler den Helfern nach dem Anschlag vor Ort "und ganz besonders dem syrischen Passanten, der Zivilcourage und Mut gezeigt und nicht gezögert hat, die barbarische Tat zu stoppen". Er habe damit vermutlich weitere Opfer verhindert.
Worte könnten nicht fassen, welchen Schmerz die Hinterbliebenen derzeit erleben müssen, bekannte der Villacher Bürgermeister Günther Albel. Der "feige" Anschlag hätte Villach in eine "dunkle Wolke voll Trauer gehüllt" und den Villachern ihre Sicherheit, ihre Leichtigkeit und ihr "Leilei-Gefühl" genommen, so der Politiker. Die Messerattacke sei nicht ein Anschlag auf einige gewesen, "sondern auf uns alle, unsere Demokratie, unsere Freiheit, auf all das, was Villach ausmacht". Die Antwort auf ein solches schreckliches Attentat dürfe nicht Angst oder Hass sein, sondern Liebe und Zusammenhalt. "Wir alle stehen hinter euch, wir umarmen, wir umfassen euch", versicherte Albel den Trauernden den Rückhalt der Stadt.
Hellsichtigkeit und Zivilcourage
Seitens der evangelischen Kirche sprach Superintendent Manfred Sauer der Trauergemeinde Trost zu. Er thematisierte die Finsternis, die vergangenen Samstag über die Stadt und die Gemüter der Menschen "hereingebrochen" sei und das Licht, das sich schon in einer Kerze als Zeichen der Hoffnung und Zuversicht ausdrücke. Bezugnehmend auf das Johannesevangelium führte er aus, wie nah "Licht und Finsternis, Verblendung und Hellsichtigkeit" beieinander liegen können. Das junge Licht und Leben des Opfers sei mit einem Messerstich "ausgelöscht" worden, "wie man eine Kerze auslöscht". Ein junger Syrer habe sich durch Hassprediger im Netz verblenden und verhetzen lassen. Und ein anderer Mann aus Syrien habe mit Hellsichtigkeit und Zivilcourage den Attentäter gestoppt.
Sauer erinnerte an die Worte Jesu "Ich bin das Licht der Welt" und "dass die Liebe stärker ist als jede Finsternis und der Tod nicht den Sieg behält". Angesichts der Trauer, die sich über die Stadt gelegt habe, sagte der Superintendent: "Es lichten sich die dunklen Schleier unseres Schmerzes, wenn eine ganze Stadt mittrauert, wenn andere Menschen beistehen, da sind, Hände halten, in den Arm nehmen, trösten, vielleicht nur schweigend eine Kerze entzünden."
Schlichtes Gedenken
Am Beginn der Feier begrüßte Stadtpfarrer Richard Pirker die Kirchengemeinde, "besonders jene, die durch das tragische Ereignis verletzt und verwundet wurden". Er kündigte den Gottesdienst als "schlichtes und stilles Gedenken" an, bei dem allein der Klang der Worte und die Klänge eines einzelnen Chellos mit Musikstücken Johann Sebastian Bachs zu hören seien. In einem Eingangsgebet bat er darum, "dass verwundete Herzen sich nicht verkrampfen, zurückziehen und verschlossen bleiben".
Auch der Villacher Imam Esad Memi und weitere Vertreterinnen und Vertreter der Islamischen Religionsgemeinde Kärnten haben an der offiziellen Trauerveranstaltung in Villach teilgenommen, "um die Solidarität und das Mitgefühl der muslimischen Gemeinschaft zu unterstreichen", wie es seitens der IGGÖ am Dienstag hieß. Zum Abschluss des Gottesdienstes wurde das ökumenische Lied "Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen" angestimmt, das "schon in der DDR gesungen worden ist", wie Stadtpfarrer Pirker ausführte.
Gedenkmarsch und Kranzniederlegung
Dem Gottesdienst ging ein Gedenkmarsch um 18 Uhr voraus, der mit den Glocken aller christlichen Pfarren rund um Villach eingeläutet wurde. Startpunkt war auf der Höhe des Cafés Bernold (Nikolaigasse 2) in der Villacher Innenstadt. Der Weg führte über die für den Verkehr gesperrte Stadtbrücke vorbei an der Stelle des Anschlags. Um die Sicherheit der in großer Zahl erwartenden Menschen zu gewährleisten, gab es im Bereich der Innenstadt umfangreiche Sperren.
Am eingerichteten Gedenkplatz an der Stadtbrücke hatten Trauernde die Möglichkeit, ihre Kerzen und Blumen abzulegen. Auch Bundeskanzler Schallenberg, Landeshauptmann Kaiser und Bürgermeister Albel legten dort einen Kranz nieder. Während des Schweigemarsches über den Hauptplatz zur Stadthauptpfarrkirche St. Jakob läutete die große Friedensglocke der Stadthauptpfarrkirche. Der schlichte Trauergottesdienst wurde auf ORF III live gesendet und aufgrund der vielen gekommenen Menschen, die keinen Platz in der Kirche fanden, auch ins Freie übertragen.
Quelle: kathpress (19.02.2025)