Presseerklärungen der Herbstvollversammlung
Presseerklärungen der Herbstvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, vom 6. bis 8. November 2001 in Wien
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1. Weltfrieden
In großer Sorge um den Weltfrieden bitten die Bischöfe die Katholiken Österreichs um inständiges Gebet und um jene Schritte, die jeder an seinem Platz für den Frieden zwischen Menschen verschiedener religiöser und politischer Überzeugungen tun kann. Es gibt keine Alternative zu einem fairen und realistischen Dialog zwischen Christentum, Islam und anderen Weltreligionen untereinander und mit der gesamten Zivilgesellschaft auf der Basis wechselseitiger Achtung. Terrorismus muss entschieden bekämpft und seine Täter müssen bestraft werden. Dieser Kampf wird aber auf Dauer nicht erfolgreich sein ohne beharrlichen Abbau des weltweit riesigen Gefälles zwischen Arm und Reich. Die katholische Kirche trägt dazu seit Jahrzehnten in Österreich und weltweit durch zahlreiche Initiativen und Werke bei.
2. Landwirtschaft, ländlicher Raum
Die Österreichische Bischofskonferenz hat sich bei einem Studientag am 5. November 2001 eingehend mit dem Thema Landwirtschaft auseinander gesetzt. Das Ziel ihres Studientages war es, einen Einblick in die aktuelle Situation der Landwirtschaft zu erhalten, sich über die Entwicklungen der österreichischen und der europäischen Landwirtschaftspolitik zu informieren und die möglichen Aufgaben der katholischen Kirche in dieser Situation zu diskutieren. Im Gespräch mit jeweils einem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums, der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission und der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (ComECE) wurde den Bischöfen deutlich, dass die derzeitige Krise der Landwirtschaft umfassend ist und ihre Konsequenzen für die Gesellschaft weit reichend sind.
Die Schwierigkeiten sind zuerst wirtschaftlicher Natur: durch globalen Wettbewerb und große Konkurrenz sind die Preise für landwirtschaftliche Produkte auf einem so niedrigen Niveau, dass die meisten Bauern von den Erträgen ihrer landwirtschaftlichen Produktion alleine nicht mehr leben können. Die Investitionen für die von der Politik und der Wirtschaft geforderten Anpassungen und Umstellungen sind für sie nicht mehr leistbar. Sie beenden ihren bäuerlichen Betrieb, weil er sich - trotz aller Liebe zu ihrer Arbeit - nicht mehr rechnet.
Damit verbunden ist ein oft unterschätzter sozialer Aspekt: Infolge der schlechten wirtschaftlichen Aussichten und der im gesellschaftlichen Vergleich immer noch harten Arbeitsbedingungen ist es für viele Bauern schwierig, eine Lebenspartnerin oder einen Nachfolger für den Betrieb zu finden. Die Kinder wandern in die Stadt ab. Die Infrastruktur im ländlichen Raum wird immer dünner: Schule, Postamt, Kaufhaus und Handwerksbetriebe schließen. Bauernhäuser werden zu Zweitwohnsitzen von Städtern. Langsam zerbricht die soziale Struktur, der ländliche Raum wird entvölkert und verödet, seine Attraktivität als Ganzes nimmt ab.
Umfassender als der wirtschaftliche und der soziale Aspekt der derzeitigen Situation der Landwirtschaft ist die "kulturelle Krise": Immer weniger Menschen sind mit dem bäuerlichen Leben, mit den Bedingungen, unter denen unser "tägliches Brot" produziert wird, vertraut. Die Arbeit des Bauern ist vielen Menschen fremd geworden. Eine Konsequenz davon ist, dass die Menschen als kritische Konsumenten immer höhere Anforderungen an die Qualität der Lebensmittel und an die Standards ihrer Erzeugung stellen, gleichzeitig aber nicht bereit sind, einen dafür angemessenen (und oft höheren) Preis zu bezahlen. Ein Indiz dafür: in den vergangenen 30 Jahren ist der Anteil für Lebensmittel im Budget eines durchschnittlichen Haushaltes von 30 Prozent auf etwa 16 Prozent gefallen.
Der wahrscheinlich schwerstwiegende Aspekt der Krise der europäischen Landwirtschaft ist die Tatsache, dass viele Bauern in ihrem Selbstverständnis als "ehrliche Bauern" zutiefst verunsichert sind. Sie fragen sich, welchen Sinn es hat, weiterhin "gesundes Getreide anzubauen und gesunde Tiere aufzuziehen", wenn die Produkte bäuerlicher Anstrengung vom Supermarkt um die Ecke zu Diskontpreisen verschleudert werden.
Die von der europäischen Agrarpolitik als Kompensation für den Wegfall der Produktstützung gedachte Zusatzbeschäftigung als "Pfleger und Erhalter des ländlichen Kulturraumes" scheint ebenfalls am Selbstverständnis der Bauern vorbeizugehen. Sie verstehen sich als "Ernährer der Menschen" und nicht als "Landschaftspfleger", als "Produzenten" und nicht als "Dienstleister".
So stellt die derzeitige Situation der Landwirtschaft eine Herausforderung für all die Menschen dar, die auf dem Land leben und das Land bearbeiten. Sie sehen sich mit Forderungen der Gesellschaft und der Wirtschaft nach Flexibilität, Erneuerung und Anpassung sowie mit agrarpolitischen Entwicklungen konfrontiert, die viele von ihnen nicht nachvollziehen können: Sie treffen nicht ihr Verständnis und ihre Bereitschaft, dieses zu verändern. Viele von ihnen sehen für sich selbst keine Perspektive und keine Zukunft mehr im ländlichen Raum.
Den Bischöfen ist während ihrer Diskussion der Problematik deutlich geworden, dass sie auf die umfassenden Fragen der aktuellen Situation der Landwirtschaft keine fertigen Antworten besitzen, dass ihr Platz aber zuerst und vor allem bei den von diesen eingreifenden Veränderungen betroffenen Menschen ist. Die Aufgabe der Kirche kann es aber nicht sein, die "bessere Agrarpolitik" zu machen, sondern diese Krise der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes als pastorale Herausforderung zu verstehen und anzunehmen.
Konkret heißt das, den Menschen und ihren Nöten aufmerksam zuzuhören und zu versuchen, ihre Situation zu verstehen. Es heißt auch, den Menschen im ländlichen Raum vorsichtig Perspektiven für ihre Zukunft zu eröffnen und gemeinsam mit ihnen Strategien und Projekte für diese Zukunft zu entwickeln.
Das Engagement der Kirche für den ländlichen Raum bedeutet aber auch, gegenüber den politisch Verantwortlichen, mit Blick auf die von der Krise Betroffenen und auf der Grundlage der Katholischen Soziallehre eine deutliche Position zu beziehen. So wird das Ökumenische Sozialwort, an dem derzeit gearbeitet wird, auch auf die Situation des ländlichen Raums und ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte mit aller Deutlichkeit eingehen.
Darüber hinausgehend sollen erste bereits bestehende Ansätze für konkrete Projekte gebündelt und zu einem Pilotprojekt für "Pastorale Begleitung von Veränderungen im ländlichen Raum" weiterentwickelt werden, um sie bei der Europäischen Kommission zu Förderung einzureichen.
3. "Jahr der Berufung"
Dieses für 2002 ausgerufene Jahr soll eine Ermutigung für jene sein, die sich als getaufte und gefirmte Christen, als Väter und Mütter, als Priester und Ordensleute darum bemühen, in ihrem Leben Antwort auf den Anruf Gottes zu geben. Mit dem "Jahr der Berufung" - das unter dem Thema "sinnvoll leben.berufen.engagiert" steht - wollen die österreichischen katholischen Bischöfe die Freude über die "Vielfalt der Berufungen im Volk Gottes" zum Ausdruck bringen, zugleich aber auch in besonderer Weise die Notwendigkeit der geistlichen Berufe betonen. Es soll ein Klima entstehen, in dem alle Menschen ihre Berufung finden, in dem aber auch Berufungen zum Leben als Priester oder Ordenschrist wachsen können.
Die Bischöfe möchten daran erinnern, dass die Taufe nicht nur die Eintragung in ein Mitgliederverzeichnis bedeutet, sondern eine Herausforderung zum Engagement für Gott und die Welt. Berufung zu leben bedeutet, sich einzulassen auf eine personale "Geschichte mit Gott". Es ist die Bereitschaft, das eigene Leben Gott zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang erinnern die Bischöfe daran, dass gerade auch die säkulare und plurale Gesellschaft Menschen braucht, die bereit sind, Berufung in diesem Sinn zu leben. Innerkirchlich geht es den Bischöfen darum, die gegenseitige Wertschätzung von Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien zu fördern.
Ein inoffizieller Auftakt des "Jahres der Berufung" war der Jugendevent "Ruf(!)Zeichen" mit Chiara Lubich am 3. November im Wiener Stephansdom. Eine Pressekonferenz in Wien im Dezember wird den offiziellen Startschuss bilden. Auch der Radiogottesdienst am 1. Jänner 2002 aus der Wiener Votivkirche thematisiert das "Jahr der Berufung".
2002 werden viele kirchliche Aktivitäten im Zeichen des "Jahres der Berufung" stehen: die "Dreikönigsaktion" der Katholischen Jungschar, die "Exerzitien im Alltag" in der Fastenzeit, die Pfarrgemeinderatswahlen am 17. März.
In besonderer Weise wird der "Weltgebetstag um geistliche Berufe" am 21. April - er steht unter dem Motto "Ein Dach über der Seele" - vom "Jahr der Berufung" geprägt sein. Unter anderem sind in zahlreichen österreichischen Klöstern rund um dieses Datum "Tage der offenen Tür" geplant, um jungen und reiferen Menschen Gelegenheit zu geben, das Leben "nach den evangelischen Räten" unmittelbar kennen zu lernen.
Auch "unkonventionelle" Initiativen sind geplant: So die Einrichtung einer eigenen Website zum Thema "Berufung" und ein Aufruf des "Canisiuswerks" zur Sammlung von Berufungsgeschichten ("Komm, erzähl mir..."); diese Berufungsgeschichten werden zum Jahresende 2002 als Dokumentation erscheinen.
4. Pfarrgemeinderatswahlen
Am 17. März 2002 wählen die Pfarrgemeinden in allen österreichischen Diözesen die neuen Pfarrgemeinderäte. Sie sind Rückgrat und Knotenpunkt des ehrenamtlichen Engagements in der Kirche und damit die wesentlichen Träger des pfarrlichen Lebens.
Wahlberechtigt sind mehr als vier Millionen Katholiken; etwa 30.000 Frauen und Männer werden als Mitglieder der Pfarrgemeinderäte gewählt.
Das Wahlmotto lautet "VIELstimmig - Pfarre mitverantworten und gestalten". Viele sollen am 17. März ihre Stimme abgeben. In der Unterschiedlichkeit der Kandidatinnen und Kandidaten sollen viele unterschiedliche Stimmen und Meinungen zur Sprache kommen und im Pfarrgemeinderat gehört werden, sodaß vieles in den Pfarren "stimmig" werden kann.
Die zweite Phase der Vorbereitung auf die Wahl steht in einigen Diözesen unter dem Motto "getauft - gefirmt - gewählt". Der Dienst eines Pfarrgemeinderats ist eine Konkretisierung der Nachfolge Jesu Christi und der Grundberufung aus Taufe und Firmung.
Für die Zeit vor der Wahl werden die Pfarren im Rahmen der Aktion "Grüß Gott 2002" eingeladen, auf die Menschen zuzugehen, Milieugrenzen der Kirche zu überschreiten und die Distanz vieler Menschen zu Glaube und Kirche ein Stück zu verringern. Botinnen und Boten der Pfarren überbringen mehr als einer Million Menschen einen Gruß der Kirche, einen Gruß ihrer Pfarrgemeinde. Dabei überreichen sie als Zeichen der Verbundenheit einen Kalender als Begleiter durch das Kirchenjahr, aber auch Glasscheiben mit sakralen Motiven, Weihrauch usw....
Die Österreichische Bischofskonferenz unterstützt diese Aktion als "Zeichen einer lebendigen Kirche". Sie dankt allen Mitgliedern der Pfarrgemeinderäte, die in den vergangenen fünf Jahren ihre Zeit und Kompetenz der Pfarrgemeinde geschenkt haben. Die Bischofskonferenz ruft zu einer sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung der Pfarrgemeinderatswahl 2002 auf und ermutigt die Gläubigen, von ihrem aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch zu machen.
5. Allianz für den freien Sonntag
Nach der offiziellen Konstituierung der bundesweiten "Allianz für den freien Sonntag" unter dem Vorsitz von Bischof Maximilian Aichern wird in den nächsten Monaten der Schwerpunkt auf einer Kampagne zur Bewusstseinsbildung liegen. Inhaltlich geht es dabei vor allem um die Bedeutung des freien Sonntags für die "Qualität des Lebens". Unter dem Motto "Schneller leben? Lebensqualität durch eigene Zeit" wird der Trend zur Beschleunigung in allen Lebensbereichen kritisch hinterfragt und die gestiegene Bedeutung des freien Sonntags als gemeinsamer Atempause und kontinuierlichem gesellschaftlichem Rhythmusgeber umfassend thematisiert. Diesem Ziel dient auch eine gemeinsame österreichweite Plakataktion.
Von den kirchlichen Trägern der "Allianz für den freien Sonntag" wird der religiösen Dimension des Sonntags besonderes Augenmerk gewidmet. In diesem Zusammenhang ist auch das gemeinsame Hirtenwort der österreichischen Bischöfe "Sonntag und Feiertage in Österreich" zu sehen, das als erste Nummer der neuen Schriftenreihe der Österreichischen Bischofskonferenz am 9. November veröffentlicht wird.
Die Bemühungen um eine Verankerung des freien Sonntags in den Landesverfassungen werden von den österreichischen katholischen Bischöfen ausdrücklich befürwortet. Derzeit ist der freie Sonntag bereits in den Landesverfassungen von Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Tirol verankert, im Burgenland und in Kärnten gibt es Absichtserklärungen.
Die österreichischen katholischen Bischöfe begrüßen, dass die bundesweite "Allianz für den freien Sonntag" Ausdruck eines breiten gesellschaftlichen Konsenses ist, der andere christliche Kirchen ebenso umfasst wie den Österreichischen Gewerkschaftsbund, die Arbeiterkammer, Kreise der Wirtschaft, Dachverbände von Vereinen sowie verschiedene kirchliche und gesellschaftliche Institutionen. Die Bischöfe sehen in diesem breiten Konsens ein Signal für eine "Sozialpartnerschaft neuen Stils".
6. Ökumenisches Sozialwort
Die österreichischen katholischen Bischöfe rufen dazu auf, mit den politischen und wirtschaftlichen Kräften und mit den verschiedenen Strömungen der Zivilgesellschaft den Dialog über den "Sozialbericht" des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich aufzunehmen. Dieser Dialog (über den im Internet unter www.sozialwort.at laufend berichtet wird) soll bis Pfingsten 2002 sowohl auf lokaler Ebene wie auch auf der Ebene der Länder und auf Bundesebene geführt werden.
Die Bischöfe begrüßen es, dass durch den "Sozialbericht" in Vorbereitung auf das geplante "Ökumenische Sozialwort" eine gesellschaftliche Standortbestimmung der christlichen Kirchen in Österreich eingeleitet wurde.
Die Ergebnisse des gesellschaftlichen Dialogs über den "Sozialbericht" sollen in die Erstellung des "Ökumenischen Sozialworts" einfließen. Eine ökumenisch zusammengesetzte Arbeitsgruppe (Oberin Prof. Christine Gleixner, Metropolit Michael Staikos, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, P. Johannes Schasching SJ, P. Alois Riedlsperger SJ) begleitet den Dialog.
Die österreichischen katholischen Bischöfe hoffen, dass durch den Dialog über den "Sozialbericht" Stärken und Schwächen der österreichischen Gesellschaft sichtbar werden, damit im "Ökumenischen Sozialwort" eine vom Evangelium inspirierte gemeinsame Orientierung in einer Zeit dramatischer Umbrüche erarbeitet werden kann.
7. "Pro Europa"
Die partnerschaftliche Hilfe für die Kirche in den Reformstaaten Mittel-und Osteuropas ist für die österreichischen katholischen Bischöfe ein Herzensanliegen. Um diese Hilfe auch in Zeiten knapper werdender finanzieller Mittel auf Dauer zu sichern, wurde bereits bei der Vollversammlung im Juni d.J. der Beschluss gefasst, die kirchliche Projektarbeit in Mittel- und Osteuropa in Zukunft über "Missio"-Austria abzuwickeln. Diese Regelung tritt mit 1. Jänner 2002 in Kraft. "Pro Europa" wird als eigener Tätigkeitsbereich in die Rechtspersönlichkeit und Organisationsstruktur von "Missio"-Austria übernommen. Der Name "Pro Europa" wird von "Missio" für den neuen zusätzlichen Tätigkeitsbereich in Kombination mit dem Namen "Missio" weitergeführt.
Die für den Tätigkeitsbereich "Pro Europa" an "Missio" überwiesenen Budgetmittel der Österreichischen Bischofskonferenz dienen der Förderung des kirchlichen Aufbaus in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Dabei geht es vor allem um die Kirche in den Ländern Albanien, Bosnien-Hercegovina, Jugoslawien, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Slowenien, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn.
Im Jahr 2002 stellt die Bischofskonferenz für "Pro Europa" insgesamt 9,2 Millionen Schilling zur Verfügung. Durch die Abwicklung über "Missio" können die Administrationskosten wesentlich gesenkt werden. Gegenüber dem laufenden Jahr wird die effektive Projekthilfe um mehr als 40 Prozent erhöht.
Die Entscheidung über die Vergabe der Projektmittel erfolgt unter dem Vorsitz des Referatsbischofs (Weihbischof Ludwig Schwarz) durch den Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, den Nationaldirektor und den Generalsekretär von "Missio".
8. Bioethik
Die Österreichische Bischofskonferenz erwartet mit Sorge mehrere Entscheidungen der politischen Verantwortungsträger. Es wird sich zeigen, inwieweit die österreichische Bundesregierung bereit ist, in wesentlichen Grundsatzfragen mit einer gewissen Unabhängigkeit von Mehrheitsverhältnissen in der EU und von den Wirtschaftsinteressen mancher einen ethischen verantwortbaren, eigenständigen Weg zu gehen.
Die Sorgen der Bischöfe beziehen sich vor allem auf den Umgang mit menschlichem Leben und die Achtung vor der Würde der Person sowie auf den Schutz der Jugend.
Die Bischöfe ersuchen dringend, dass unabhängig vom Beitritt zur Bioethik-Konvention der EU allgemein verboten bleibt:
- jede entgeltliche und unentgeltliche "Verwertung" von lebenden oder absichtlich getöteten menschlichen Embryonen oder Föten, - jeder gezielte Eingriff in die menschliche Keimbahn, - jede Erzeugung von menschlichen Embryonen durch jegliche Art von Klonung, - jede Gewinnung von Stammzellen, die eine Zerstörung von menschlichen Embryonen zur Voraussetzung hat, unabhängig davon, wie diese zustandegekommen sind, - jede Herstellung hybrider Lebewesen aus Keimzellen oder totipotenten Zellen von Mensch und Tier.
Eine besondere Sorge ist den Bischöfen auch die Entwicklung im Bereich der pränatalen Diagnostik. Aus allen Bundesländern wird berichtet, dass schon der geringste Verdacht auf das Vorliegen einer möglichen Behinderung des Kindes bei einem sehr hohen Prozentsatz der schwangeren Frauen zur Abtreibung führt. Die Bischöfe empfinden es als bestürzend, dass in einem Land, in dem in den letzten Jahren hervorragende Einrichtungen für Behinderte geschaffen wurden, auf diese Weise Selektion betrieben wird. Dringend wäre die gezielte Förderung von Beratungseinrichtungen, die betroffenen Frauen - verbunden mit der Beratung - die möglichen Hilfestellungen anbieten, wenn sie ihr Kind zur Welt bringen. Die katholische Kirche ist bereit, zur Bewältigung dieser Probleme weiterhin ihren Beitrag zu leisten.
9. Jugendschutz
Bezüglich Jugendschutz liegt einmal mehr die Frage des § 209 auf dem Verhandlungstisch. Es wurde zwar von manchen Gruppen ein sehr intensives und in gewisser Hinsicht sehr effizientes Lobbying betrieben, die Bischöfe weisen aber darauf hin, dass die Beibehaltung des bisherigen Schutzalters für gleichgeschlechtliche Beziehungen wichtig ist. Die Bischöfe bitten die Träger der öffentlichen Verantwortung um Besonnenheit. Es geht nicht um die Diskriminierung homosexuell geneigter Menschen, sondern um den Schutz der Jugend. Außerdem sind die Folgen einer solchen Änderung leicht absehbar: sehr wahrscheinlich wird die Forderung nach De-facto-Gleichstellung homosexueller Beziehungen mit Ehe nicht lange auf sich warten lassen. Dem nachzugeben wäre ein weiteres Zeichen einer unkritischen Übernahme negativer Trends der EU.
Unabhängig davon wäre bezüglich heterosexueller Beziehungen eine Anhebung des Schutzalters bei Burschen und Mädchen auf 16 angebracht.
10. Nachwort zu einer Sommerdebatte
Eine kirchliche Segnung von gleichgeschlechtlichen Verbindungen wird von allen katholischen Bischofskonferenzen abgelehnt, da sie der kirchlichen Lehre klar widerspricht.
Die Seelsorge für Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung ist den Bischöfen ein wichtiges Anliegen.
Die Bischöfe verlangen von katholischen Organisationen, dass sie sich klar und unmissverständlich zur katholischen Glaubens- und Sittenlehre bekennen.