Presseerklärungen der Frühjahrsvollversammlung
Presseerklärungen der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 19. bis 21. März 2002 in Götzis, Vorarlberg
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1. Respekt vor dem Heiligen
Wenn es um die Verspottung der Zentralgestalt des christlichen Glaubens geht, müssen Christen in der Öffentlichkeit entschieden Nein sagen. Wir Bischöfe wissen uns mit vielen Menschen in diesem Land eins, die nicht akzeptieren wollen, dass der Glaube an Jesus Christus, auf den sie ihr Leben bauen, lächerlich gemacht wird und die heiligsten Symbole dieses Glaubens für billige Späße missbraucht werden.
Selbstverständlich haben sich auch Religionsgemeinschaften der öffentlichen Kritik zu stellen. Aber das kann kein Freibrief für eine permanente Verächtlichmachung des Christentums sein. Österreich und seine Kultur werden wesentlich vom Christentum getragen. Das Zusammenleben in der pluralen Gesellschaft kann nur gedeihlich funktionieren, wenn die tiefsten Überzeugungen großer Gruppen von Bürgern respektvoll behandelt werden. Das ist kein enges konfessionelles Anliegen, sondern ein selbstverständlicher Auftrag für eine moderne und humane Gesellschaft.
2. Heiliges Land
In den Tagen vor Ostern gilt das Gebet der Kirche in Österreich in besonderer Weise dem Frieden im Heiligen Land, dessen Menschen tagtäglich von Terror und Gegenterror bedroht sind. Wir Bischöfe hoffen, dass in der Heimat Jesu endlich ein Licht begründeter Hoffnung auf Frieden entzündet wird.
Zugleich verurteilen wir auf das Schärfste alle Formen von Terror und Repression, die schuldlose Menschen treffen und die Infrastruktur des Landes zerstören. In diesem Zusammenhang protestiert die Österreichische Bischofskonferenz gegen die willkürliche Beschießung und teilweise Zerstörung des katholischen Schulzentrums in Gaza. Dieses Schulzentrum wurde wesentlich mit Spenden österreichischer Katholiken aufgebaut, vor allem von Mitgliedern des Ritterordens vom Heiligen Grab. Im Gaza-Streifen ist dieses Schulzentrum einer der wenigen Orte, an denen das Miteinander von jungen Menschen unterschiedlicher Religion gelehrt und verwirklicht wird.
In großer Verbundenheit mit allen Bewohnern des Heiligen Landes - Juden, Christen und Muslimen - möchten wir unsere besondere Sorge betreffend die Situation der dort lebenden Christen zum Ausdruck bringen. Der ständige Konflikt und seine wirtschaftlichen Auswirkungen zwingen besonders viele Christen zum Verlassen des Landes. So besteht die Gefahr, dass eines Tages im Heiligen Land nur mehr Steine von der Botschaft Jesu Zeugnis geben. Wenn die Kirche von Jerusalem als Mutterkirche bedroht ist, dann ist die gesamte Kirche davon betroffen.
Wir laden daher zu einer Brücke des Gebets zwischen den Katholiken in Österreich und den Christen im Heiligen Land ein. Darüber hinaus soll am Karfreitag in allen Gotteshäusern für die Not leidenden Christen des Orients gesammelt werden.
3. Europa
Die "Wiedervereinigung Europas" geht mit der bevorstehenden Aufnahme neuer Kandidatenländer in die Europäische Union in eine entscheidende Phase. Diese "Wiedervereinigung" muss in erster Linie als historische Notwendigkeit und als große Chance gesehen werden - gerade für ein Land wie Österreich, das im Herzen des Kontinents liegt. Die Zukunftschancen, die sich für Europa durch eine solche "Wiedervereinigung" ergeben, haben nach unserer Überzeugung mehr Gewicht als die damit verbundenen Probleme. Wir nehmen diese Probleme und die damit verbundenen Sorgen vieler Menschen selbstverständlich ernst und wollen nach Kräften zu ihrer Verminderung beitragen.
Wir Bischöfe appellieren an die Verantwortungsträger in unserem Land, aber auch an alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, die "Wiedervereinigung Europas" zu ihrer Herzenssache zu machen. Es liegt an uns allen, dass die Menschen das neue Europa als Heimat empfinden und nicht als anonymen Apparat oder als Labyrinth.
Wenn Europa Heimat sein soll, dann braucht das gemeinsame europäische Haus nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch eine Seele. In diesem Zusammenhang stellen wir mit Bedauern fest, dass die Glaubensgemeinschaften in die Arbeiten des neuen EU-Konvents - dessen Ziel ja die Erarbeitung einer europäischen Verfassung ist - nicht in ausreichendem Maß einbezogen sind. Papst Johannes Paul II. hat in diesem Zusammenhang von einer "Ungerechtigkeit" und einer "Fehleinschätzung" gesprochen. Denn die Religionen haben ihren Beitrag zu jener Kultur und jenem Humanismus geleistet, auf die Europa stolz ist - und sie leisten ihn immer noch.
Ein krasses Beispiel der von Papst Johannes Paul II. beschriebenen "Fehleinschätzung" ist der jüngste Bericht des Europäischen Parlaments über "Frauen und Fundamentalismus". Der Bericht suggeriert eine Nähe der Kirchen zum Fundamentalismus und leitet daraus einen grundsätzlichen Konflikt zwischen Religion und individuellen Grundrechten ab. Zugleich spricht der Bericht den Kirchen das in den meisten Mitgliedsstaaten der EU geltende Recht ab, die Gesellschaft in positiver Weise mitzugestalten. Ohne diese Meinungsäußerung einer ganz knappen Mehrheit im Europäischen Parlament überbewerten zu wollen, sehen wir darin doch eine Einstellung, die einer modernen Konzeption des Verhältnisses von Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften und Staat widerspricht.
4. Pfarrgemeinderatswahlen
Die Pfarrgemeinderatswahlen sind ein Zeichen für die Vitalität der katholischen Kirche in Österreich. Die Mitverantwortung der getauften und gefirmten Christen für die Gemeinschaft der Kirche ist in diesem Wahlvorgang zum Ausdruck gekommen. Dass sich mehr Katholiken an den Pfarrgemeinderatswahlen beteiligt haben als regelmäßig den Gottesdienst mitfeiern, ist ein Hinweis darauf, dass die Verbundenheit mit der Kirche größer ist als manche Statistiken vermuten lassen.
Der besondere Dank gilt jenen Frauen und Männern, die bisher die Arbeit in den Pfarrgemeinderäten mitgetragen hatten sowie jenen, die bei den Pfarrgemeinderatswahlen neu kandidiert haben. Die Gewählten bringen jetzt ihre Fähigkeiten und Meinungen ein; zum Wohl der Pfarren wird gemeinsam überlegt und beraten, aber auch ganz praktisch Hand angelegt. Der Einsatz der Pfarrgemeinderatsmitglieder macht das Bild von Kirche sichtbar, wie es das Zweite Vatikanische Konzil gezeichnet hat - als Volk Gottes aus Bischöfen, Priestern und Laienchristen auf dem Pilgerweg durch die Zeit.
Der Anteil der gewählten Frauen ist deutlich gestiegen. Er liegt in den meisten Diözesen über 50 Prozent. Ermutigend ist auch die Tatsache, dass unter den gewählten Pfarrgemeinderatsmitgliedern die Altersgruppe der 30- bis 50-jährigen besonders stark vertreten ist.
5. Allianz für den freien Sonntag
Die bundesweite "Allianz für den freien Sonntag" startet eine erste große gemeinsame Aktion: Die Kampagne "Schneller leben? Lebensqualität durch gemeinsame freie Zeit" beginnt am 15. April und findet am Wochenende 8./11. November ihren Höhepunkt. Ziel der Kampagne ist es, in der Öffentlichkeit das Bewusstsein zu vertiefen, dass die gemeinsame freie Zeit am Sonntag einen hohen gesellschaftlichen, kulturellen und psychologischen Wert hat.
Für die Christen gehört der Sonntag als Tag der Auferstehung Christi zum zentralen Glaubensbereich. Wir Bischöfe begrüßen es daher sehr, dass nunmehr auch die evangelischen und die orthodoxen Kirchen unseres Landes der "Allianz für den Sonntag" beigetreten sind.
Ebenso wird der einstimmige Beschluss der Landeshauptleutekonferenz, mit dem Bund und Länder aufgefordert werden, den freien Sonntag verfassungsmäßig zu verankern, mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen. Dieser Beschluss kann als Signal dafür gesehen werden, dass jenseits aller politischen, wirtschaftlichen und weltanschaulichen Interessen das Bewusstsein für den Wert des freien Sonntags gewachsen ist.
6. Ökumenisches Sozialwort
Die lebhafte öffentliche Diskussion über den "Sozialbericht" - der einen Überblick über die sozialen Initiativen der christlichen Kirchen in Österreich bietet - ist ein Zeichen für die Aktualität der vom Evangelium inspirierten Werthaltungen. Die Bischofskonferenz begrüßt insbesondere auch den Dialog über den "Sozialbericht" mit den politischen Parteien. Mit der ÖVP hat bereits ein solcher Dialog stattgefunden, ähnliche Vorgänge mit der SPÖ und den Grünen sind in Vorbereitung. Ebenso ist der "Sozialbericht" Grundlage für Gespräche mit den großen Interessenvertretungen. Auch auf Bundesländerebene gibt es viele positive Begegnungen im Rahmen des Projekts "Ökumenisches Sozialwort", das vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich mit seiner Vorsitzenden Prof. Christine Gleixner getragen wird. Bedeutsam erscheint, dass das Institut für Sozialethik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, das Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und die Orthodoxe Akademie von Kreta das gesamte Projekt gemeinsam wissenschaftlich begleiten.
Bischof Maximilian Aichern hat als zuständiger Referatsbischof mitgeteilt, dass die Gesprächsphase über den "Sozialbericht" bis zum Schulschluss andauern soll. Wir laden die Pfarrgemeinden, die katholischen Organisationen, die laienapostolischen Gruppierungen ein, sich intensiv an dieser Gesprächsphase zu beteiligen und ihre Stellungnahmen der Katholischen Sozialakademie zu übermitteln.