Presseerklärungen der Herbstvollversammlung
Presseerklärungen der Herbstvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 4. bis 7. November 2002 in Salzburg
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1. Zur politischen Situation
Angesichts des bevorstehenden Beitritts mehrerer unserer Nachbarländer zur Europäischen Union und angesichts der bevorstehenden Wahl zum Österreichischen Nationalrat wird von vielen Seiten auch ein Wort der Österreichischen Bischofskonferenz erwartet.
Nach den bitteren Erfahrungen in der Zeit der Ersten Republik haben die Bischöfe den Klerus generell aus der Parteipolitik zurückgezogen. Die Kirchenleitung betreibt keine Parteipolitik und dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Wohl aber setzen sich die Bischöfe gemeinsam mit vielen Katholiken des Landes im politischen Leben Österreichs für eine Wertepolitik zum Schutz unverzichtbarer Werte ein.
Es geht dabei besonders um den unverzichtbaren Wert menschlichen Lebens und seiner Würde von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Es geht um das Prinzip Familie, wobei die intakte Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kindern nicht nivelliert und statistisch schließlich zur Ausnahme werden darf. Es geht um Solidarität mit Menschen in seelischer und materieller Not im eigenen Land und nach unseren Kräften auch - wie die Bibel sagt - bis an die Grenzen der Erde.
Für uns Bischöfe und für die Katholiken überhaupt kann es dabei nicht nur um den Schutz eines einzelnen auch noch so wichtigen Wertes gehen. Es geht uns immer auch um ein Miteinander von Werten, die einander stützen und tragen, und die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, wenn das Wohl des ganzen Menschen und der ganzen Gesellschaft berücksichtigt werden soll.
In Österreich ist im Hinblick auf die Förderung dieses Miteinanders von Werten in den letzten Jahren viel Gutes geschehen, für das wir dankbar sind und das für andere Länder vorbildlich sein könnte. Genannt seien beispielsweise die finanzielle Förderung von Familien und Kindern, die Verhinderung embryonenzerstörender Stammzellenforschung, der Widerstand gegen Euthanasie, die Hospizbewegung, die Karenz für Familienangehörige von Sterbenden.
Unser Land Österreich liegt in der Mitte Europas. Dies wird durch die Erweiterung der Europäischen Union noch bewusster werden. Gemeinsam mit dem Heiligen Vater hat sich die Österreichische Bischofskonferenz prinzipiell stets für die Erweiterung der Europäischen Union eingesetzt, ohne zu übersehen, dass damit verbundene schwierige Sachfragen in fairer demokratischer Auseinandersetzung geklärt werden müssen. Die Bischöfe haben gemeinsam mit dem katholischen Laienapostolat ihre Argumente für eine Erweiterung oder besser gesagt Europäisierung der Europäischen Union immer wieder öffentlich bekannt gemacht.
Christen tragen und beseelen einen großen Teil der Zivilgesellschaft unseres Landes. Sie sollen ohne Arroganz, aber auch ohne sich zu verstecken, kompetent und beherzt mitreden, wenn es um das Wohl dieser Gesellschaft und den Weg in die Zukunft geht. Wir möchten die Christen dazu ermutigen und daran erinnern, dass die Beteiligung an politischen Wahlen ein wichtiges Instrument zur Mitgestaltung unserer österreichischen Demokratie ist. Und wir bitten die Christen, gerade jetzt für das Gedeihen unseres Staates zu beten, so wie es schon die Christen der Frühzeit getan haben.
2. Ökumenisches Sozialwort
Das Rohkonzept des Ökumenischen Sozialworts wurde namens der Redaktionsgruppe von Oberin Prof. Christine Gleixner und P. Alois Riedlsperger SJ den Bischöfen präsentiert (wie es in ähnlicher Form auch bei Beratungsvorgängen anderer Kirchen geschehen ist). Das Sozialwort der 14 christlichen Kirchen in Österreich soll ein Wort der Zuversicht, der Wegweisung auf dem Fundament des christlichen Glaubens sein, das den Menschen in der derzeitigen Umbruchsphase der Gesellschaft Orientierung gibt.
Die Bischöfe stimmen der Grundlinie des Sozialworts zu, die auf Ermutigung zur Verantwortung, Betonung des Beitrags der Christen in diesem Land und Neugestaltung der Lebensräume abzielt. In diesem Zusammenhang ist auch die Tagung in Vorau am 8. November über die "Zukunft des ländlichen Raums" zu sehen, bei der Diözesanbischof Alois Schwarz die Haltung der katholischen Bischöfe darlegen wird.
Mit dem Sozialwort soll nicht in tagespolitische Fragen eingegriffen werden, es geht vielmehr um die nachhaltige Behandlung wichtiger gesellschaftspolitischer Themen. Kriterien sind dabei die menschliche Würde, die Spiritualität der Bibel und die Zukunftsorientiertheit.
Die christlichen Kirchen möchten Antwort auf jene Fragen geben, die sich in den beiden ersten Phasen des Projekts Sozialwort - der "Standortbestimmung" der Kirchen in sozialer Hinsicht und der Diskussion des daraus entstandenen "Sozialberichts" - als besonders dringlich erwiesen haben. Das Sozialwort entsteht im Dialog mit der Gesellschaft und ihren Verantwortungsträgern; dieser Dialog soll auch nach der für Herbst 2003 vorgesehenen Veröffentlichung des Sozialworts weitergeführt werden.
3. Hilfe für den "Süden"
Die Mitgliedsorganisationen der "Koordinierungsstelle der Österr. Bischofskonferenz für Mission und Entwicklungshilfe" (Dreikönigsaktion, Missio-Austria, Caritas, Katholische Frauenbewegung, Katholische Männerbewegung usw.) und die Missionsorden haben im Vorjahr für Pastoralarbeit, Entwicklungsarbeit, Katastrophenhilfe und entwicklungspolitische Bildungsarbeit in den Ländern des "Südens" insgesamt 86 Millionen Euro geleistet. Die Gesamtleistung war um 4,4 Prozent geringer als im Jahr 2000; dies ist aber ausschließlich auf den Rückgang der den Organisationen anvertrauten öffentlichen Mittel zurückzuführen, während der Eigenmitteleinsatz und die EU-Mittel gleich blieben.
Die von der Kirche eingesetzten Eigenmittel - 65,6 Millionen Euro - sind um 20 Prozent höher als die gesamte staatliche Programmhilfe. Im Betrag von 65,6 Millionen Euro sind übrigens jene umfangreichen Mittel noch nicht enthalten, die von Pfarrgemeinden, Ordensgemeinschaften und Selbstbesteuerungsgruppen für ihre Partner im "Süden" aufgebracht werden.
Die katholische Kirche kann bei ihrer Hilfe für die Länder des "Südens" auf die örtlichen kirchlichen Strukturen zurückgreifen und so eine Hilfe leisten, die ankommt - ohne großen administrativen Aufwand. Für die Projektvorbereitung, Projektbegleitung und Verwaltung wurden 5,89 Prozent aufgewendet. Die Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern im "Süden" garantiert somit eine effektive und effiziente Hilfe.
Bildungsarbeit und Anwaltschaft, Sprachrohr sein für die Not der Menschen im "Süden", bilden einen wesentlichen Schwerpunkt des kirchlichen Einsatzes für Mission und Entwicklungshilfe. Auf diesem Hintergrund setzt sich auch die "Koordinierungsstelle der Österr. Bischofskonferenz für Mission und Entwicklungshilfe" für eine verbesserte Entwicklungszusammenarbeit im staatlichen Bereich ein, insbesondere für die Erreichung des Zieles 0,7 Prozent des BNP.
4. "Allianz für den freien Sonntag"
Die "Allianz für den freien Sonntag" erweist sich immer mehr als gutes Beispiel für die von den österreichischen Bischöfen angestrebten Allianzen mit gesellschaftlichen Kräften in Sachfragen. Die Veranstaltungen der "Allianz für den freien Sonntag" von 8. bis 11. November in allen Bundesländern zeigen, dass viele Menschen in Österreich die Sorge um den schöpfungsgemäßen Zeitrhythmus des gesellschaftlichen Lebens teilen; in besonderer Weise kommt diese Sorge beim Aktionstag am 11. November in Salzburg in Anwesenheit des zuständigen Referatsbischofs Maximilian Aichern zum Ausdruck. Ein schöpfungsgemäßer Zeitrhythmus bedeutet einen wesentlichen Beitrag zur Vermenschlichung des Zusammenlebens; gemeinsame freie Zeit heißt mehr Lebensqualität.
Zugleich zeigt die "Allianz", dass es möglich ist, trotz unterschiedlicher Motivation gemeinsam zu handeln. Für die Christen besteht diese Motivation nicht nur in der Sorge um einen humanen Wert, sondern in der Verpflichtung durch den besonderen religiösen Charakter des Sonntags; denn jeder Sonntag ist als Tag der Auferstehung Christi ein "kleines Osterfest". Für die Katholiken bedeutet dieses allsonntägliche Osterfest die Verpflichtung zur Teilnahme an der Eucharistiefeier, die den Grund zur ganzen christlichen Existenz legt.
5. Hochwasserhilfe Caritas
Die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe hat unter Beweis gestellt, wie tief das Prinzip der Nächstenhilfe bei den Menschen Österreichs verankert ist. Allen Helfern - vor allem den Soldaten, Feuerwehrleuten, unzähligen Freiwilligen - ist ebenso ein herzliches Vergelt´s Gott zu sagen wie den Menschen, die nach der Katastrophe in so großzügiger Weise gespendet haben, um wenigstens die materiellen Schäden des Hochwassers wieder gutzumachen.
Die kirchliche Caritas hat gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen und dem ORF Bewunderungswürdiges geleistet. Dass der Spendenstand für die Hochwasserhilfe sich jetzt schon auf 70,1 Millionen Euro beläuft, ist ein "Zeichen der Hoffnung" auch für die richtige Rangordnung der Werte in unserem Land. Insbesondere in der ersten Phase der Hochwasserhilfe, der Soforthilfe, wurde spürbar, wie nahe die Caritas durch die Pfarrgemeinden den Menschen ist.