Presseerklärungen der Herbstvollversammlung
Wortlaut der Presseerklärungen der Herbstvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 9. bis 12. November 2009, Benediktinerabtei Michaelbeuern
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1. Lebensschutz
Die Österreichische Bischofskonferenz hat beschlossen, ab dem kommenden Jahr jeweils im Juni in allen Diözesen eine "Woche für das Leben" durchzuführen. Anlass dafür sind die vielen Abtreibungen, die demografische Entwicklung in Österreich, die große Sorgen bereitet, aber auch die Tatsache, dass seit Einführung der Fristenregelung bei vielen Menschen eine tiefgreifende Bewusstseinsänderung im Bezug auf den Schutz des Lebens eingetreten ist. Die Diskussion um die öffentliche Ehrung einer Abtreibungsklinik, um die Zahl von Abtreibungen in Österreich und um die rezeptfreie Abgabe der sogenannten "Pille danach" haben dies sehr deutlich gemacht.
Derzeit besteht mancherorts das Bestreben, über die Straflosigkeit hinaus Abtreibung zu einem "Recht" zu machen. Dadurch würde schwerwiegendes Unrecht nicht nur straffrei, sondern sogar zu einem Anspruch, der eingefordert wird. Dazu hält die Österreichische Bischofskonferenz fest:
Die Kirche steht auf der Seite des Lebens. Von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende liegt das Leben nicht in der Verfügungsmacht des Menschen, sondern in der Hand Gottes. Es ist und bleibt die Aufgabe der Kirche, die Stimme für das Leben zu erheben und sich insbesondere für die Schwachen einzusetzen. Dies gilt einmal mehr im Fall der noch nicht geborenen Kinder. Durch eine Abtreibung wird ein schutzloser Mensch getötet und gegen das Tötungsverbot der zehn Gebote verstoßen. Übersehen wird oft, dass auch die Mutter dabei Gewalt erfährt und sich gegen ihr Kind stellen muss. Eine rechtliche Regelung, die Abtreibung legalisiert oder ermöglicht, kann daher nie die Zustimmung der katholischen Kirche finden. Das gilt auch für die österreichische Rechtslage.
Die Kirche in Österreich wird nie aufhören zu fordern, dass das menschliche Leben von seinem Beginn an den vollen Schutz der österreichischen Rechtsordnung genießen muss. Derzeit sind alle Kinder in den ersten 12 Wochen in der Praxis schutzlos. Behinderte Kinder und Kinder von Müttern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind sogar bis zur Geburt schutzlos.
Die rechtliche Regelung der Abtreibung ist jedoch nur ein - wenn auch ein sehr stark bewusstseinsbildender - Aspekt der Bekämpfung von Abtreibung. Im Blickfeld müssen alle Maßnahmen zur tatsächlichen Reduktion der Abtreibungen stehen, insbesondere jene, die Frauen Hilfe und Schutz bieten, damit sie sich auch in widrigen Umständen für das Leben ihrer Kinder entscheiden können.
Angesichts der demokratischen Realität in Österreich sind politisch engagierte Katholiken aufgefordert, Maßnahmen zu fördern, die zu einer tatsächlichen Reduktion von Abtreibungen beitragen. Dazu zählen u.a. die seit Jahrzehnten geforderten sogenannten flankierenden Maßnahmen, aber auch die ausreichende finanzielle Absicherung von Schwangeren und Müttern.
Sehr zu unterstützen ist die Forderung von Staatssekretärin Christine Marek, endlich auch in Österreich eine bundesweite Studie zu Zahlen und Ursachen von Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen. Solch eine Studie ist ein wichtiger, notwendiger Schritt, das Schweigen zum Drama der Abtreibung zu durchbrechen und jene Hilfen zu suchen, die den wahren Bedürfnissen der Schwangeren in Not entsprechen.
Sehr wichtig ist, dass die Gewissensfreiheit der Ärzte, der Krankenschwestern, der Apotheker auch in Zukunft gesetzlich gesichert bleibt. Weiters muss der Druck auf eine Mutter, eine Abtreibung vorzunehmen, wenn ein Kind behindert ist oder ein diesbezüglicher Verdacht im Raum steht, gesetzlich unterbunden werden. Niemals soll es geschehen, dass ein Kind, auch nicht ein behindertes - als "Schadensfall" betrachtet wird.
Die katholische Kirche bietet jeder schwangeren Frau konkrete Hilfe an: in allen Diözesen gibt es Beratungsstellen und Hilfsfonds für Schwangere.
2. 20 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs
Die Erinnerung an das "Wunder von 1989" prägt diese Tage. Das Wort "Wunder" wird bei den Gedenkfeiern zum Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs immer wieder gebraucht. Und tatsächlich: Wer die europäische Geschichte betrachtet, wird außer 1989 kaum eine zweite dramatische Wende finden, die ohne Blutvergießen abgelaufen ist.
Vielleicht hat es damit zu tun, dass Christen wesentlich an der "Wende" von 1989 beteiligt waren. So ist es auch kein Zufall, dass am 9. November in Berlin die Gedenkfeiern zum Fall der "Mauer" mit einem ökumenischen Gottesdienst in der evangelischen Gethsemane-Kirche begannen. Diese Kirche war in den Monaten vor dem 9. November 1989 einer der Brennpunkte des Widerstands gegen das SED-Regime.
Es ist notwendig, sich daran zu erinnern, dass die Entwicklung hin zum Fall der Berliner Mauer viel mit den Kirchen zu tun hatte. In der damaligen DDR war unter dem Schutz der Kirchen ein wachsendes Netzwerk zivilgesellschaftlicher Gruppen entstanden, die sich für einen grundlegenden sozialen und politischen Wandel einsetzten. Die Gruppen waren wesentlich von den ökumenischen Versammlungen inspiriert, die in Magdeburg und Dresden als Teil des "Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung" stattfanden.
Unter den ganz anderen historischen und geistesgeschichtlichen Bedingungen der DDR spielte sich ein Prozess ab, der viele Parallelen mit der Entwicklung im benachbarten Polen hatte, wo der Aufstieg der "Solidarnosc" bereits im Juni 1989 zu freien Wahlen und zur Beauftragung des ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten seit 1945 (Tadeusz Mazowiecki) geführt hatte.
Es ist faszinierend, dass die Botschaft des Evangeliums in zwei so unterschiedlichen Ländern wie Polen und Ostdeutschland als Ferment gewirkt hat, um dramatische gesellschaftliche Veränderungen auszulösen. In beiden Ländern gingen entscheidende Impulse von Christen aus, die mit der Botschaft des Evangeliums über Ursprung und Ziel des Menschen ernst machten und den Versuch unternahmen, "in der Wahrheit zu leben" (Vaclav Havel).
Der Rückblick auf 1989 hat unter den Bedingungen von 2009 auch etwas Tröstliches: Die Auseinandersetzungen mit dem neuen Atheismus und Laizismus verblassen, die Bedeutung des Christentums für Europa wird deutlicher sichtbar. Freilich ist auch eine kritische Frage unvermeidlich: Was hat Europa, was haben die Christen mit der kostbaren Gabe der friedlichen "Wende" im Herbst 1989 gemacht? Haben sie dieses "Talent" entsprechend genutzt? Oder haben sie es "vergraben" im Triumph des praktischen Materialismus, im Rückgriff auf die altmodischen Modelle des 19. Jahrhunderts von Nationalismus bis Machtpolitik?
Das 20-Jahr-Gedenken der Überwindung des Eisernen Vorhangs (ab 5. Dezember 1989 wurde der Stacheldraht an der Grenze zwischen der damaligen Tschechoslowakei und Österreich abgetragen) ist ein doppelgesichtiges Ereignis: Es war einer jener seltenen Augenblicke der Geschichte, in dem die Würde des Menschen die Oberhand hatte. Aber es bleibt ein Gefühl des Versagens, weil die Chance dieses Augenblicks nicht entsprechend genutzt wurde.
3. Klimawandel
Die dramatische Zuspitzung der weltweiten Klimakrise löst zunehmend berechtigte Sorge aus. Die Bischöfe begrüßen daher alle Schritte von staatlicher wie auch von Seiten der Nichtregierungsorganisationen, die zur Realisierung eines sozial ausgewogenen und nachhaltigen Post-Kyoto-Abkommens der UNO gesetzt wurden und in Planung sind. Mit Nachdruck unterstützen die Bischöfe die internationale Kampagne gegen Armut und für Klimagerechtigkeit "Klima fair bessern!", die im Dezember 2008 von den katholischen Hilfswerken und der Konferenz der Umweltbeauftragten der katholischen Kirche Österreichs gestartet wurde.
Diese Kampagne mahnt die langjährige Verpflichtung der UN-Mitgliedsstaaten ein, den weltweiten Anstieg der Durchschnittstemperatur zu begrenzen. Sie betont, das Recht von Menschen in Entwicklungsländern auf ihre nachhaltige Entwicklung fordert und eine ausreichende und vorhersehbare Finanzierung für Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern.
Die Österreichische Bischofskonferenz erwartet, dass sich die Bundesregierung bei der im Dezember 2009 stattfindenden UN-Klimakonferenz für das Zustandekommen eines fairen, verbindlichen, einklagbaren und weltweiten Klimaabkommens einsetzt, dass zu einem Klima der Gerechtigkeit beiträgt.
Auf der ganzen Welt werden am Sonntag, 13. Dezember, Kirchenglocken läuten, um die Konferenzteilnehmer in Kopenhagen aufzurufen, ein nachhaltiges und gerechtes Abkommen abzuschließen. Im Anschluss an das Glockenläuten sind alle Pfarrgemeinden eingeladen, gemeinsam für einen guten Ausgang der Verhandlungen zu beten.
4. Gesetzesentwurf über die "Eingetragene Partnerschaft"
Die Bischöfe haben sich mit dem Entwurf für ein Bundesgesetz über die "Eingetragene Partnerschaft" auseinandergesetzt, das in rascher Vorbereitung ist und am 1.1.2010 in Kraft treten soll. Der Entwurf ist in seiner Substanz wesentlich weniger weitreichend als die in anderen Ländern erlassenen Gesetze. Er intendiert keine Gleichstellung homosexueller Beziehungen mit der Ehe, was positiv zu bewerten ist.
Die im Entwurf vorgesehene Beurkundung der "Eingetragenen Lebenspartnerschaft" bei der Bezirksverwaltungsbehörde im Gegensatz zur zivilen Eheschließung beim Standesamt manifestiert deutlich den Unterschied zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe.
Dennoch ist zu befürchten, dass der vorliegende Entwurf im Falle seines Inkrafttretens die Voraussetzung für eine Entwicklung liefert, die letzten Endes zu einer völligen Gleichstellung der "Eingetragenen Partnerschaft" mit der Ehe führt.
Die österreichischen Bischöfe halten daher die Einführung einer "Eingetragenen Partnerschaft" für homosexuelle Paare weiterhin weder für angebracht noch für notwendig, weil die bestehenden zivilrechtlichen Bestimmungen die entsprechenden Sicherheiten gewähren.
Der Familie auf der Grundlage der Ehe zwischen Mann und Frau gebühren bestimmte Rechte. Es handelt sich dabei nicht um Privilegien, denn die Familie auf der Grundlage der Ehe erbringt Leistungen, insbesondere in Bezug auf die Erziehung von Kindern. Eine Übertragung solcher Rechte auf gleichgeschlechtliche Paare ist sachlich nicht gerechtfertigt
Die mögliche Einführung des Rechtsinstituts der "Eingetragenen Partnerschaft" für homosexuelle Paare hat unabsehbare Folgen für die ganze Gesellschaft. Angesichts der damit verbundenen fundamentalen Fragen nach den Grundwerten der Gesellschaft werden alle Abgeordneten ermutigt, sich darüber ein sorgfältiges Urteil zu bilden und bei der Abstimmung im Parlament ausschließlich ihrem Gewissen zu folgen.
5. Kreuz im Klassenzimmer
Das Kreuz-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat in ganz Europa großes Aufsehen und Kritik erregt, wenngleich es noch nicht rechtskräftig ist und sich auch nur auf die rechtliche Situation in Italien beschränkt. Klar ist, dass diese Entscheidung auf Österreich keine rechtlichen Auswirkungen hat, weil hier eine grundlegend andere völkerrechtliche und innerstaatliche Rechtslage besteht.
Dennoch gibt dieses Urteil Anlass zu berechtigter Sorge. Der Gerichtshof bevorzugte in seinem Urteil in doppelter Hinsicht zu Unrecht bestimmte Aspekte der Religionsfreiheit. Das ist einmal die individuelle gegenüber der kollektiven Seite der Religionsfreiheit sowie die negative gegenüber der positiven Dimension dieser Freiheit. In letzter Konsequenz führt diese einseitige Sicht des Gerichtshofes dazu, dass die individuelle Religionsfreiheit einzelner Personen das Recht auf kollektive, öffentliche Religionsübung aushöhlt, was bislang nur in religionsfeindlichen totalitären politischen Systemen vorgekommen ist. Denn Religionsfreiheit bedeutet im Kern das Menschenrecht, die religiöse Überzeugung einzeln oder gemeinsam, sowohl privat als auch öffentlich auszuüben - diese positive Sicht der Religionsfreiheit muss auch in Zukunft garantiert sein.
Festzuhalten ist, dass der religiös-weltanschaulich neutrale Staat nicht einem radikalen Laizismus verpflichtet ist, der in seiner strikten Ablehnung von Religion einen Absolutheitsanspruch stellt. Religiös-weltanschauliche Neutralität bedeutet daher in fast allen europäischen Staaten schon seit langem nicht mehr, dass Religion aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und zur Privatsache erklärt wird. Da Religion wesentlich Werte und Sinn einbringt, trägt sie zu jenen Voraussetzungen bei, von denen der demokratisch verfasste Staat lebt, ohne sie selbst erzeugen oder garantieren zu können. Der moderne Staat ist daher, um tatsächlich neutral und unparteiisch zu sein, bestens beraten, Religion nicht gesellschaftlich zu marginalisieren, sondern ihr einen entsprechenden Platz auch im öffentlichen Raum zu sichern.
Wer für Österreich überdies die "Trennung von Staat und Kirche" einfordert, sollte genau sagen, auf was er zielt, nämlich eine radikale, feindselige Form dieser Trennung. Demgegenüber ist in Österreich in bewährter Weise das Modell einer auf allen institutionellen Ebenen gegebenen, aber grundsätzlich freundschaftlichen Trennung verwirklicht, die sich durch Kooperation zum Wohl der Menschen auf vielen Gebieten auszeichnet. Bildung, Krankenpflege und Caritas sind wohl die herausragendsten Beispiele dafür.
Dem entspricht auch die in Österreich geltende Regelung, dass in jenen Schulen, in denen die Mehrheit der Schüler und Schülerinnen einem christlichen Bekenntnis angehört, in allen Klassenräumen ein Kreuz anzubringen ist. Hier ist das demokratische Mehrheitsprinzip leitend, keinesfalls geht es um Intoleranz.
Das Kreuz als das christliche Grundsymbol ist ein wesentlicher Teil der europäischen Kultur. Es geht daher auch um Bewahrung kultureller Identität, weshalb dieses Urteil auch Menschen berührt, die den christlichen Glauben nicht praktizieren oder einer anderen Religion anhängen. Besonders religiöse Symbole haben es an sich, dass sie eine vielschichtige Bedeutung in sich tragen. Im Klassenzimmer wie im Gerichtssaal gibt es auch ungerechte Beurteilungen und Urteile - das Kreuz hält den Blick offen, dass solch menschliche Entscheidungen keine letzten und schon gar keine letztgültigen sind. Es entlastet und relativiert zugleich. Das Kreuz im Krankenzimmer, in dem sich oft unerbittlich die Sinnfrage stellt, steht als Garant einer letzten Hoffnung, denn beim Kreuz ist auch die Auferstehung. Für jeden Menschen aber wird durch dieses Kreuz deutlich, dass hier Menschen wirken, die sich unter Gott wissen und sich selbst nicht zum Maß der Dinge erheben. Auch für die Andersgläubigen kann sich so eine unausgesprochene gemeinsame Basis des Vertrauens ergeben, die für das Zusammenleben sehr wichtig ist.
Wichtig ist auch die Klarstellung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine Einrichtung der Europäischen Union ist.
Die Bischöfe danken den vielen, die sich deutlich zur guten österreichischen Tradition bekennen, in der Religion grundsätzlich wertgeschätzt wird und die christlichen Wurzeln unserer Identität lebendig gehalten werden. Diese breite gesellschaftliche Allianz soll all jenen in Europa eine selbstbewusste und starke Stimme geben, für die das Kreuz als religiöses und kulturelles Symbol wertvoll ist und die Religion nicht aus dem öffentlichen Raum verbannt wissen wollen.
6. Bildungsdiskussion
Die Bischöfe verfolgen die derzeitige Diskussion zur Bildungsreform mit großem Interesse. Die Kirche hat sich aus ihrer Tradition heraus immer für Bildungsthemen eingesetzt. Im Bereich der Bildung fallen nicht nur Entscheidungen über gesellschaftliche Teilhabe, sondern auch über den sozialen Zusammenhalt der zukünftigen Generationen. Umso mehr sind die Bischöfe in Sorge, wenn sich zu oft parteipolitisches Kalkül und Streben nach tagespolitischem Erfolg in diesem sensiblen Bereich durchsetzen und über manche Strecken die Bereitschaft zur Diskussion im Grundsätzlichen abgeht.
Die Bischöfe danken allen, die sich in der Schule den Kindern und Jugendlichen widmen, in deren Köpfen und Herzen die Zukunft Gestalt annimmt, den Lehrerinnen und Lehrern, aber auch allen anderen Menschen in pädagogischen Berufen. Je größer und umfassender die Aufgaben werden, die vor allem der Schule hinsichtlich Erziehung, Vermittlung von Werten und von Sinn zuwachsen, umso deutlicher sind sie herausgefordert. Denn es geht nicht mehr nur um Weitergabe von Wissen, sondern es gilt auch wieder neu Tugenden zu vermitteln.
Es gibt durchaus positive Bemühungen um Strukturverbesserungen. Bildungschancen für möglichst alle Kinder sollen unabhängig vom sozialen Status der Eltern gesichert werden. Aber diese Diskussion von Strukturreformen ersetzt keinesfalls den eigentlichen gesellschaftlichen Diskurs über das, was Bildung sein kann und sein soll.
Es zahlt sich aus, Bildung wieder als einen Weg hin zu eigenverantwortlicher Menschwerdung zu verstehen. Zugleich mit dem angeeigneten Wissen wächst auch die Fähigkeit zu selbständigem Denken, Urteilen und Handeln als Grundlage der Freiheit. Eine Auseinandersetzung mit der Sinnfrage, mit den Fragen nach "Woher" und "Wohin", nach Herkunft und Zukunft also, ist unverzichtbarer Teil von Bildung, die letztlich Weisheit anstrebt. Die derzeitige ökonomistische Verengung des Bildungsbegriffs bedarf sicherlich einer Erweiterung des Horizonts. Es kann und soll nicht nur das in den jungen Menschen gefördert und entfaltet werden, was auf dem Arbeitsmarkt unmittelbar verwertbar ist. Zudem wird es immer wichtiger, Menschen auch für ein gutes Leben außerhalb und nach der Berufswelt zu bilden.
Diese Überlegungen gelten für die akademische Bildung ebenso wie für die praktische Berufsausbildung.
7. Kirchenbeitrag
Die österreichischen Bischöfe sehen die deutlich erhöhte steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags als positives Zeichen. Dass jetzt bis zu 200 Euro Kirchenbeitrag pro Jahr steuerlich absetzbar sind, ist ein Fortschritt. Damit wird auch anerkannt, dass aus den Mitteln des Kirchenbeitrags wertvolle Initiativen für das Zusammenleben der Menschen in Österreich ermöglicht werden. Es bleibt der Wunsch nach voller steuerlicher Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags.
Das österreichische Kirchenbeitragssystem bietet gute Voraussetzungen, um die vielfältigen seelsorglichen, sozialen und kulturellen Aufgaben der Kirche in einer pluralistischen Gesellschaft zu erfüllen, die letztlich allen zu Gute kommen.
Viele österreichische Katholiken leisten regelmäßig ihren Kirchenbeitrag. Die Bischöfe danken den getauften und gefirmten Katholiken, dass sie auch die finanziellen Konsequenzen ihres Christseins ernst nehmen.
8. Jahr des Priesters
Papst Benedikt XVI. hat das internationale "Jahr des Priesters" ausgerufen. Bis zum 18. Juni 2010 soll die Weltkirche den Auftrag und die Sendung des Priesters in den Blick nehmen und alle Bemühungen um geistliche Berufungen stärken. Das Priesterjahr knüpft an das 150. Todesjahr des heiligen Pfarrers Jean-Marie Vianney (1786-1859) an und steht unter dem Leitwort "Treue in Christus, Treue des Priesters".
Die Bischöfe danken den vielen Priestern, die in großer Treue ihrer Berufung folgen. Das "Jahr des Priesters" soll für Geistliche Anlass sein, ihre Beziehung zu Christus und die Freude an ihrer Berufung durch Exerzitien zu vertiefen, theologischen Fragestellungen verstärkt Raum zu geben und die Gemeinschaft untereinander zu festigen.
In diesem Sinn finden in den Diözesen und Ordensgemeinschaften zahlreiche Veranstaltungen, Besinnungstage und Wallfahrten statt. Ein Höhepunkt wird das Symposion zum Thema "Berufungspastoral" sein, das von 20. bis 22. April 2010 in St. Georgen/Längsee stattfindet und vom Österreichischen Pastoralinstitut gemeinsam mit dem Canisiuswerk, der Superiorenkonferenz der Männerorden und der Vereinigung der Frauenorden veranstaltet wird. Im Zentrum des Symposions stehen Fragen nach dem Stellenwert der geistlichen Berufe sowie der Motivation und Aktualität eines Lebensstils nach den "evangelischen Räten". Dabei sollen auch Erfahrungen darüber ausgetauscht werden, wie gerade jungen Menschen die Perspektive eines geistlichen Berufs eröffnet werden kann.
Darüber hinaus soll in Österreich eine vertiefende "Zeit der Berufung" von Ostern bis Pfingsten 2010 einen weiteren Akzent setzen und möglichst viele Menschen in Gebet und Engagement für geistliche Berufe einbeziehen.
Priester aus Österreich werden auch an einem internationalen Priesterkongress in Rom vom 9. bis 11. Juni 2010 teilnehmen, mit dem das internationale "Jahr des Priesters" abgeschlossen wird.
9. Pfarrgemeinderäte
Die Bischöfe danken den Pfarrgemeinderäten für ihren Einsatz und ihre Sorge um den Glauben und das kirchliche Leben in unserem Land, wie es eindrucksvoll in den Ergebnissen einer von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen neuen Studie zum Ausdruck kommt. Insgesamt haben sich 7.329 Pfarrgemeinderäte an dieser Studie beteiligt, die folgendes Bild ergibt:
Aus der Verwurzelung im Glauben heraus, leisten Pfarrgemeinderäte einen wichtigen Beitrag zur Kultur des Zusammenlebens in der Gesellschaft. Die Motive, warum sich Menschen im Pfarrgemeinderat engagieren, speisen sich einerseits aus den "Quellen" des Glaubens: aus der Liebe zu Gott und zu den Menschen, aus der Liebe zur Kirche und zur Pfarre. Diese Motive verbinden sich andererseits im sogenannten "Neuen Ehrenamt" mit dem Interesse an einem Engagement für die Gemeinschaft, das auch zur eigenen menschlichen und spirituellen Reifung beiträgt.
Neben der Arbeit im Team ist dabei die Möglichkeit wichtig, entscheidend mit zu gestalten. Aus dem Engagement heraus ergeben sich jedoch auch Besorgnisse und Fragen im Blick auf die Zukunft: Wie gelingt der Kontakt zu Jugend und Kindern? Ist die sonntägliche Feier der Eucharistie in der Pfarre sichergestellt? Wie können Menschen zur Mitarbeit gewonnen werden? Was wird aus der Pfarre im Zusammenhang verschiedener Prozesse der Neustrukturierung?
Dennoch bekunden 88 Prozent der Pfarrgemeinderäte, dass sie mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden oder zufrieden sind. Die Zufriedenheit hängt von mehreren Faktoren besonders ab. Zunächst, ob der Einsatz die Möglichkeit bietet, tatsächlich entscheidend mitgestalten zu können. Einen weiteren Faktor bildet die professionelle Arbeitskultur, die mit der Qualität der Zusammenarbeit mit dem Pfarrer in engem Zusammenhang steht. Wichtig ist, ob ein "Klima des Aufbruchs" spürbar ist. Der Pfarrgemeinderat steht für die pastorale Grundversorgung vor Ort; dafür werden die meisten Kräfte eingesetzt. Deshalb wird die Frage nach der Zukunft der Pfarre an der Frage nach dem Priester im Ort festgemacht.
Mit den Ergebnissen dieser Studie ist eine wichtige Grundlage für die Wallfahrt und den Kongress der Pfarrgemeinderäte von 13. bis 15. Mai 2010 in Mariazell gelegt. Dort werden auf Einladung der Bischofkonferenz erstmals Pfarrgemeinderatsvertreter aus ganz Österreich mit den Bischöfen, Priestervertretern und Verantwortlichen für die Pastoral zusammentreffen, um gemeinsam über die Zukunft der Pfarren zu beraten, miteinander zu beten und sich miteinander auf den Weg machen. Es wird damit jener Weg fortgesetzt, der 2007 mit der Übergabe der "Apostelgeschichten der Gegenwart" an Papst Benedikt XVI. begonnen wurde. Die Bischöfe rufen die Pfarrgemeinderäte und alle Gläubigen zum Gebet für ein "Klima des Aufbruchs" auf. Es gilt das Wort des Papstes in Mariazell 2007 in den Alltag zu übersetzten: "Wo Gott ist, da ist Zukunft."