Presseerklärungen zur Frühjahrsvollversammlung 2014
Wortlaut der Presseerklärungen der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, vom 24. bis 27. März im Stift Admont, Steiermark
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100 Jahre Erster Weltkrieg
Mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28. Juli 1914 begann der Erste Weltkrieg. Dieser Krieg löste unsagbares menschliches Leid und den Tod von Millionen aus. Im Gefolge entstanden totalitäre Ideologien, die unzählige Menschen in den Abgrund führten.
Fast alle gesellschaftlichen Kräfte wurden damals von der Kriegsbegeisterung erfasst. Nationalistische Kräfte waren maßgeblich für die Entfesselung und Fortführung des Krieges verantwortlich, doch auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften waren massiv in die Ideologie des Krieges verstrickt. Selbst 100 Jahre danach gilt es dies in Wahrhaftigkeit und Scham einzugestehen. Zum Versagen der damaligen kirchlichen und politischen Amtsträger gehört auch die Taubheit und Ignoranz gegenüber den Friedensinitiativen von Papst Benedikt XV., die schon 1914 begannen und letztlich bei allen Kriegsparteien wirkungslos blieben.
Im Gedenken an diese „Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts gilt es, die Wurzeln des Krieges zu benennen: Dazu gehören ein Nationalismus, der zum Religionsersatz geworden war, Hass, Verachtung und Arroganz gegenüber anderen Völkern, die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod. Damals wie heute wird der Friede durch massive Gerechtigkeitsdefizite und Verstöße gegen die Menschenrechte bedroht. Ständige Gefährdungen in wandelnder Gestalt sind etwa die Versuchung der Macht und die Glorifizierung von Gewalt verbunden mit der subtilen Manipulation möglichst vieler Menschen. Von bleibender Bedeutung ist demgegenüber die Feststellung von Papst Johannes XXIII. in der Enzyklika „Pacem in Terris", wonach Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit die Säulen des Friedens sind.
Die Kirche ist der Überzeugung, dass Krieg kein Schicksal und auch kein Naturgesetz ist. Krieg bedeutet immer eine „Niederlage für die Menschheit". Daran erinnern in zahlreichen Ortschaften und Kirchen Denkmäler, wo der Toten der Kriege gedacht wird.
Die Bischöfe laden die Pfarrgemeinden, kirchlichen Gemeinschaften und Gruppen ein, am 27. Juli abends, dem Tag vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren, bei den Denkmälern der Toten zu gedenken, um für den Frieden zu beten und darum, selbst Werkzeug des Friedens und der Versöhnung zu sein. Die Bischofskonferenz wird im Gedenken an die Ereignisse vor 100 Jahren in Mariazell im Rahmen ihrer nächsten Vollversammlung am 18. Juni einen Gottesdienst feiern und lädt schon jetzt dazu ein.
Europawahlen 2014
Vom 22.-25. Mai 2014 werden in den 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union rund 400 Millionen Männer und Frauen ihre Vertreter für ein neues Europäisches Parlament wählen. Von den 751 Mitgliedern des neuen Europäischen Parlaments werden 18 aus Österreich kommen. Sie übernehmen angesichts der großen Herausforderungen, vor denen Europa steht, für die kommenden fünf Jahre eine hohe Verantwortung.
Europa im Jahr 2014 ist in vielerlei Hinsicht ein „Kontinent in Bewegung" und unterliegt einer Dynamik, die viele Menschen verunsichert und ängstigt. Dadurch drohen jene alten Reflexe zu erwachen, die in der Vergangenheit zu jenen Ereignissen geführt haben, derer wir uns in diesem Jahr in besonderer Weise erinnern:
- Vor hundert Jahren, am 28. Juli 1914, begann der Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe Europas, die den Kontinent und die Weltordnung tiefgreifend veränderte und zum Ausgangspunkt weiterer Kriege und Konflikte wurde.
- Vor 75 Jahren, am 1. September 1939, brach der Zweite Weltkrieg aus, der weite Teile Europas verwüstete, Millionen Menschen Tod und Unheil brachte und jüdisches Leben in weiten Teilen des Kontinents vernichtete. Daraus erwuchs die Einsicht, dass nur ein auf Menschenrechte gegründetes, politisch geeintes und solidarisches Europa den Friede zwischen seinen Nationen sichern und so eine Wiederholung dieser Katastrophen verhindern könne.
- Vor 25 Jahren beendete der Fall des „Eisernen Vorhangs" die Teilung Europas als Folge des Zweiten Weltkriegs und ermöglichte den Beginn einer Wiedervereinigung Europas,
die auch zur Erweiterung der Europäischen Union führte.
Für viele, vor allem jüngere Menschen, scheint der Frieden in weiten Teilen Europas eine
Selbstverständlichkeit zu sein. Die dramatischen Ereignisse der vergangenen Wochen zwischen der Ukraine und Russland und der Krieg in Syrien machen deutlich, dass der Friede in Europa keine Selbstverständlichkeit, sondern eine bleibende Aufgabe ist. Die Bedeutung der Europäischen Integration als Friedensprojekt ist daher ungebrochen aktuell.
Das neugewählte Europäische Parlament und eine durch es bestätigte Europäische Kommission stehen vor einer Reihe von großen Herausforderungen und Aufgaben: Besonderer Beachtung bedarf bei allen politischen Überlegungen der umfassende Schutz des menschlichen Lebens und der Familie, selbst dann, wenn es sich hierbei nicht um eine direkte Kompetenz der Europäischen Union handelt.
Die seit dem Jahr 2008 andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise und in deren Folge die Staatsschuldenkrise führt uns die Verletzbarkeit und die Grenzen unseres Wirtschaftssystems vor Augen. Darüber hinaus haben Staaten besorgniserregend hohe Schulden aufgehäuft, die schon jetzt die Zukunftschancen der jüngeren Generation schmälern. Eine neue Politik des Maßhaltens ist notwendig. Sie darf allerdings nicht dazu führen, dass sich die bestehende Kluft zwischen Arm und Reich in Europa weiter vertieft.
Besondere Aufmerksamkeit muss der Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa geschenkt werden. Junge Menschen sind in Gefahr, durch Arbeitslosigkeit ihre Zukunftsperspektive und ihr Vertrauen in die Gesellschaft und in die Politik zu verlieren. Papst Franziskus hat durch seinen Besuch in Lampedusa auf die Not der Menschen, die an den Grenzen Europas stranden, aufmerksam gemacht. Asyl und Migration sind bleibende Herausforderungen für eine wohlhabende und den Menschenrechten verpflichtete Europäische Union.
Die Verantwortung für das Leben dieser Menschen darf nicht ausschließlich auf den Schultern jener Länder im Süden und Osten Europas ruhen, die an der Außengrenze der Europäischen Union liegen. Europa wird noch mehr Solidarität und Entschlossenheit brauchen, um weitere menschliche Tragödien wie jene vor Lampedusa zu verhindern.
Die Menschen in Europa und weltweit sind nicht Herren, sondern Sachwalter der Schöpfung. Es braucht daher weitere Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele und im Aufbau einer weltweiten Verantwortung für den Klimawandel. Es gilt, Nachhaltigkeit als ein grundlegendes Prinzip der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik, aber auch der persönlichen Lebensweise zu fördern.
Religionsfreiheit ist ein Kernelement einer toleranten und offenen Gesellschaft. Diese Freiheit beinhaltet das Recht, seinen Glauben öffentlich zu bekennen und das Religionsbekenntnis zu wechseln. Wir begrüßen die Empfehlungen der EU zur weltweiten Förderung und zum Schutz der Glaubens- und Religionsfreiheit, und wir erwarten, dass das neue Europäische Parlament seine Anstrengungen in dieser wichtigen Angelegenheit verstärkt.
Richtig verstandene Politik ist eine wertvolle Form der Nächstenliebe. Ihr demokratisches
Fundament ist das Wahlrecht der Bürgerinnen und Bürger. Die Bischöfe rufen alle Wahlberechtigten auf, sich an der Europawahl zu beteiligen und sich dafür gewissenhaft vorzubereiten. Die Europäische Union, die maßgeblich von christlich motivierten Politikern gegründet wurde, braucht die demokratische Mitwirkung der Bevölkerung und das Engagement von Christen.
Leben fördern und schützen
Der christliche Glaube ist getragen von Gottes Ja zu seiner Schöpfung, zum Leben und zum Menschen als sein Ebenbild und Hüter der Schöpfung. Diese Überzeugungen teilen Christen mit vielen Gläubigen anderer Religionen, und sie erhält im christlichen Glauben an die Menschwerdung Gottes durch Jesus Christus die radikale Gewissheit, dass das menschliche Leben unverfügbar und heilig ist. Christen sind daher zutiefst Freunde des Lebens, des menschlichen Lebens und seiner Umwelt als Mitwelt. Sie sind Freunde des geborenen wie auch des noch nicht geborenen Lebens, Freunde des entfalteten Lebens ebenso wie Freunde des Lebens mit Behinderung und schließlich ganz umgreifend Freunde des zeitlichen und des ewigen Lebens.
Das menschliche Leben ist heute in einigen dieser Dimensionen gefährdet, besonders an seinem Anfang und Ende. Die katholische Kirche weiß sich dem Widerstand gegen Abtreibung und sogenannte aktive Sterbehilfe, aber auch dem Schutz von Embryonen unverzichtbar verpflichtet.
Eindringlich und klar hat Papst Franziskus in seinem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium" festgehalten, dass die Kirche auf Seite der ungeborenen Kinder steht. Sie sind „die Schutzlosesten und Unschuldigsten von allen, denen man heute die Menschenwürde absprechen will, um mit ihnen machen zu können, was man will", betont der Papst. Die Verteidigung des ungeborenen Lebens ist eng mit der Verteidigung jedes beliebigen Menschenrechtes verbunden, schreibt Papst Franziskus weiter und fordert gleichzeitig dazu auf, schwangere Frauen helfend zu begleiten.
Die Bischöfe sind sehr dankbar dafür, dass es in Österreich viele kirchliche, kirchennahe und gesellschaftliche Initiativen gibt, die schwangeren Frauen und Müttern Hilfe und Beratung bei ihrem Ja zum Leben anbieten. Diese Angebote könnten noch besser und zielgerichteter sein, wenn es in Österreich - so wie in den allermeisten europäischen Ländern - genaue Zahlen und gesicherte Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen gäbe. Es ist verfehlt und unverständlich, dass es in Österreich dieses Faktenwissen nicht gibt und es dadurch erschwert wird, wirksame Wege der Prävention einzuschlagen oder maßgeschneiderte Angebote für ein gutes Leben mit Kind zu entwickeln.
Daher begrüßt und unterstützt die Österreichische Bischofskonferenz die Forderung der Bürgerinitiative „Fakten helfen" für eine bundesweite, jährliche und anonyme Statistik und regelmäßige Motiven-Erforschungen über Schwangerschaftsabbrüche. Die Initiative ist vom überkonfessionellen Verein „aktion leben" getragen und will die vielfältigen Notlagen von Frauen erheben, öffentlich zur Sprache bringen und die Grundlagen für konkrete Hilfe verbessern. Die Bischöfe ersuchen alle Freunde des Lebens, diese Initiative zu unterstützen - zum Wohl der ungeborenen Kinder, der schwangeren Frauen und der ganzen Gesellschaft.
Österreichs Verantwortung in der Welt
Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich wiederholt dazu verpflichtet, 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Der Durchschnitt der EU-15 liegt bei 0,42%, die Mittel aus Österreich lediglich bei 0,28%. Gleichzeitig wird immer deutlicher, wie ein Mangel an Entwicklung ganze Regionen unterminiert. Dies lässt sich heute in der Sahelzone, am Horn von Afrika und in Zentralafrika beobachten. Das Nachlassen an Hilfe und Entwicklung bedroht den Frieden und die Sicherheit in vielen Gebieten der Erde und wird weiter verschärft, weil die globalen Krisen (Finanzen, Wirtschaft und Klimawandel) Fortschritte im Kampf gegen Hunger und Unterernährung zunichtemachen.
Vor diesem Hintergrund zeigt das aktuelle österreichische Regierungsprogramm viele positive Ansätze. Entscheidend aber wird sein, was davon tatsächlich umgesetzt wird. Die österreichischen Bischöfe appellieren daher an die politischen Verantwortungsträger in Österreich, zusätzliche Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und für den Auslandskatastrophenfonds bereitzustellen, um eine positive Trendwende schon im Rahmen des Budgets 2015 und im kommenden Bundesfinanzrahmen zu erreichen. Es geht dabei um internationale Solidarität mit dem Ziel, die Entwicklungszusammenarbeit als staatliche Gesamtverantwortung zu stärken.
Die zahlreichen Hilfsorganisationen der Zivilgesellschaft und der Kirchen in Österreich sind dabei für den Staat ein bewährter und kompetenter Partner. Österreich soll aber auch jene Maßnahmen auf globaler Ebene unterstützen, die eine gerechtere und stabilere Finanzordnung erreichen wollen. Dazu zählt insbesondere der Einsatz für die weltweite Bekämpfung von Steuerflucht und Steueroasen sowie die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen zur Eindämmung von Spekulation und Finanzrisikoprodukten.
Eine andere Seite der Verantwortung Österreichs in der Welt betrifft das Schicksal der Syrien-Flüchtlinge. Unser Land ist noch immer weit davon entfernt, dass die bereits zugesagten 500 Flüchtlinge aufgenommen wären. Hier ist ein rasches und großherziges Handeln der Republik angesichts einer der größten humanitären Katastrophen der letzten Jahre dringend erforderlich. Die Kirchen und viele andere Organisationen helfen, wo sie können. Sie brauchen dafür die Unterstützung durch Spenden wie beispielsweise im Rahmen der Syrienhilfe von „Nachbar in Not".
Wallfahrt und Kongress der Pfarrgemeinderäte
Zum zweiten Mal nach 2010 lädt die Österreichische Bischofskonferenz zur Wallfahrt und zum Kongress der Pfarrgemeinderäte ein. Von 29. bis 31. Mai werden 600 Frauen und Männer aus den Pfarrgemeinderäten in Mariazell zusammentreffen. Dort hatte Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch 2007 die Pfarrgemeinderäte zu ihrem Dienst ermutigt und gesendet. Aus jedem der 300 Dekanate in den Diözesen Österreichs wird zumindest eine Person vertreten sein.
Stand im Jahr 2010 die Begegnung und der Austausch der Bischöfe mit der ehrenamtlichen Basis der Kirche „auf Augenhöhe und in Herzensnähe" im Vordergrund, so geht es diesmal um die Eigenverantwortung und das Engagement von Christinnen und Christen für Kirche und Welt aufgrund von Taufe und Firmung. Im Austausch über die Diözesangrenzen hinweg sollen „Ermutigungen - Spannungsfelder - Zukunftsspuren" in den Blick genommen werden. Der Austausch über sechzig ausgewählte Praxisbeispiele wird dazu einen wesentlichen Baustein bilden.
Bischof Alois Schwarz ist im Auftrag der Bischofskonferenz für die Vorbereitung von Wallfahrt und Kongress der Pfarrgemeinderäte verantwortlich. Er schreibt in seiner Einladung: „Als Referatsbischof für die Pastoral sind mir die Pfarrgemeinderäte, die Frauen und Männer, die sich dort für das Reich Gottes einsetzen, ihre Begleitung und die Weiterentwicklung dieses Dienstes ein Herzensanliegen. Wallfahrt und Kongress geben uns wieder die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch und gemeinsam ins Gebet zu kommen und die Berufung aller aus Taufe und Firmung neu zu entdecken. Der Geist Gottes ist wirksam mitten unter uns. Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? (Jes 43,19), sagt uns Gott durch den Propheten Jesaja. In diesem Sinne wollen wir uns ermutigen lassen, Spannungsfeldern nicht aus dem Weg gehen und die Spuren jener Zukunft gemeinsam entdecken, die uns nur Gott schenken kann."
Eine Gruppe wird sich bereits zehn Tage vor Kongressbeginn auf den Weg machen und unter dem Titel „GangArt. Eine Kirchenentwicklungswallfahrt" den Weg von der Mariazellerkapelle im Herzen der Stadt Salzburg bis zur Mariazeller Basilika zu Fuß zurücklegen.