Presseerklärungen zur Sommervollversammlung 2020
Wortlaut der Presseerklärungen der Sommervollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz (15. bis 18. Juni 2020 in Mariazell).
1. Für eine geistvoll erneuerte Normalität nach der Corona-Krise
Noch immer hält die Corona-Pandemie viele Menschen, Staaten und Institutionen weltweit in Bann und macht die Verletzlichkeit unserer Lebenswelt in erschreckender Weise bewusst. Dankbar können wir in Österreich feststellen, dass die tiefgreifenden Schutzmaßnahmen, mit denen auch starke Einschränkungen des kirchlichen und religiösen Lebens verbunden waren, gewirkt haben.
Jetzt werden immer mehr die gravierenden Folgen der Pandemie sichtbar. In dieser Situation plädieren die Bischöfe "für eine geistvoll erneuerte Normalität" und wir haben dies in einem gemeinsamen Hirtenwort zu Pfingsten näher ausgeführt. Wir Bischöfe sind überzeugt: Die Krise kann in Österreich und weltweit nur dann etwas Positives bewirken, wenn sie zu konkreten und grundlegenden Lebensstiländerungen führt, damit die Menschheitsfamilie in Frieden und Gerechtigkeit im gemeinsamen Haus der von Gott geschenkten Schöpfung gut leben kann. Dafür sind Grundhaltungen nötig, die wir gleichsam als sieben Gaben des Heiligen Geistes erbitten und als Kirche gemeinsam mit allen Menschen guten Willens leben wollen.
Zuallererst braucht es einen "Geist der Dankbarkeit und Demut". Wer zu danken beginnt, befreit sich und andere aus dem Teufelskreis von Neid und Gier. Die letzten Monate haben gezeigt, dass nichts selbstverständlich ist, wie sehr wir alle aufeinander angewiesen sind und wie vielen Menschen wir dankbar sein müssen, dass wir bisher so gut durch diese Krise gekommen sind.
Bewahren wir uns den "Geist der Verbundenheit und Versöhnung" im Kleinen wie im Großen. Wie viel Freude, Lebenskraft und Kreativität geht verloren, wenn die Altlasten von Schuld, Kränkung und Verbitterung nicht abgebaut werden? Nur Versöhnung schafft neue Lebensqualität, weil sie Beziehungen gesunden lässt. Österreich liegt im Herzen Europas. Wir brauchen eine leidenschaftliche Zusammenarbeit in Europa und ganz sicher kein Virus des Nationalismus. Wenn es unseren europäischen Nachbarn gut geht, geht es auch uns gut. Dasselbe gilt über unseren Kontinent hinaus für die große Menschheitsfamilie.
Eine geistvoll erneuerte Normalität braucht daher den "Geist der Aufmerksamkeit und Solidarität". Solidarität und Nachbarschaftshilfe haben in der Krise ein Comeback gefeiert, trotzdem drohen viele Menschen in Armut abzugleiten, die Zahl der Arbeitslosen ist noch immer dramatisch hoch. Österreich braucht Strukturen und Netze, die verhindern, dass immer mehr Bedürftige an den Wegrändern einer wohlhabenden Gesellschaft ums Überleben kämpfen müssen. Die jüngst auf der Regierungsklausur beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut sind ein begrüßenswertes Signal. Nur mit Zuversicht und Zusammenhalt wird es gelingen, Armut und Perspektivenlosigkeit zu überwinden. Teilen und Anteilnahme dürfen aber auch nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Als einen Ausdruck gelebter Solidarität im Sinne einer "erneuerten Normalität" erachten wir es als dringend notwendig, ein faires Kontingent an Asylsuchenden und Vertriebenen in absehbarer Zeit aufzunehmen und zu versorgen. Es gibt dafür bereits Initiativen in der Zivilgesellschaft, die wir unterstützen wollen.
Die nötigen Veränderungen können nur im "Geist der Wertschätzung und Lernbereitschaft" erkannt und umgesetzt werden. Das Gegenteil von Wertschätzung und Dankbarkeit ist ein permanenter Ungeist der Empörung, der Verdächtigung, des Vernaderns. Für diesen Ungeist darf weder in den persönlichen zwischenmenschlichen Beziehungen noch in der politischen Debatte Platz sein. Statt Polarisierung braucht unser Land einen Wettlauf der konstruktiven Ideen. Ein wertschätzendes Miteinander lebt von einer möglichst gewaltfreien Kommunikation und positiven Fehlerkultur. Deutlich distanzieren wir uns vom Missbrauch und der Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke. Auch in der politischen Auseinandersetzung ist ein Mindestmaß an Respekt und Wertschätzung gegenüber Religionen und gläubigen Menschen immer einzuhalten.
Die Folgen des globalen Klimawandels werden längerfristig weitaus verheerender ausfallen als jene der aktuellen Pandemie. Deshalb braucht es den "Geist der Achtsamkeit und Entschlossenheit". Papst Franziskus hat vor fünf Jahren im programmatischen Dokument "Laudato si" dargelegt, wie die ökologischen und sozialen Krisen durch eine persönliche Umkehr hin zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Lebensstil überwunden werden können. Damit verbunden braucht es verbindliche Regeln für eine ökologische und soziale Wirtschaft, die dem Menschen dient. Mit der gegenwärtigen Wiederbelebung der Wirtschaft ergeben sich Möglichkeiten, emissionsarme und klimasensible Wirtschaftskreisläufe zu schaffen. Eine lebendige, florierende Wirtschaft muss keine maßlos wachsende Wirtschaft sein. Das gilt auch für den Konsum: Konsum ja, aber mit Maß und Ziel. Das heillose Immer-Mehr zerstört das Leben. Vor diesem Hintergrund unterstützen die österreichischen Bischöfe das anstehende Klimavolksbegehren.
Bei der im Oktober des Vorjahres stattgefundenen Amazonien-Synode hat die Weltkirche die Not der Indigenen, die Bedrohung des Regenwaldes und die damit verbundenen globalen Auswirkungen anschaulich vor Augen geführt. Durch die Pandemie hat sich die Situation dramatisch verschärft. Wie Bischof Erwin Kräutler berichtet, sind Indigene durch das Coronavirus besonders gefährdet. Durch das illegale Eindringen von Holzfällern oder Goldsuchern könnten ganze Völker dem Virus zum Opfer fallen. Die politische Führung in Brasilien ist dafür blind und fördert sogar die Abholzung des Regenwaldes und die Ausbeutung von Rohstoffen in Amazonien. Die katholischen Bischöfe in Brasilien haben dagegen entschieden Stellung bezogen und sie benötigen dafür auch unsere Unterstützung und Solidarität.
Im Blick auf diese oft übergroß erscheinenden Herausforderungen plädieren die Bischöfe für einen "Geist der Lebensfreude und Geduld". Neue Lebensfreude braucht einen neuen Umgang mit Zeit. Entschleunigung muss ein verlässlicher Bestandteil des Lebens werden, damit wir nicht als Getriebene und Gehetzte zugrunde gehen. Ganz wesentlich sind dafür der freie Sonntag und eine entsprechende Sonntags-Kultur. Wer den Sonntag heiligt, heiligt Gott, den Menschen und die Schöpfung! Die Mitte des Sonntags ist für Christen die in Gemeinschaft gefeierte Eucharistie.
Mit der Lebensfreude einher geht die Geduld. Gerade im Umgang mit Kindern, Jugendlichen, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen ist Geduld ein Gottesgeschenk. Die Corona-Krise hat eindrucksvoll bewiesen, wie stark der Zusammenhalt zwischen den Generationen ist. Über alle Nationen und Kulturen hinweg wurde durch die Krise deutlich, dass der Schutz vulnerabler und älterer Menschen eine geradezu heilige Pflicht ist. Dieses hohe Ethos, das ganz einem christlichen Menschenbild entspricht, gilt es zu bewahren und zu stärken. Jedes Leben, ob ungeboren oder geboren, ist zu schützen und zu fördern. Dem entspricht ein breiter gesellschaftlicher Konsens in Österreich, der gegen eine Freigabe der Tötung auf Verlangen und der Beihilfe zur Selbsttötung ist und stattdessen auf einen Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung setzt.
Schließlich plädieren wir Bischöfe in unserem Hirtenwort für den "Geist des Vertrauens und der Zuversicht". Vielen Menschen fällt es schwer, eine Zeit der Ungewissheit und der vielen offenen Fragen auszuhalten. Einige flüchten sich in esoterische Praktiken oder werden anfällig für teils krude Verschwörungstheorien. Wieder andere geben sich einem übertriebenen Aktivismus hin. Zur Überwindung von Krisensituationen sind aber Besonnenheit, Klugheit und entschlossene Tatkraft notwendig. Dabei möchten wir den Schatz des christlichen Glaubens gerne mit allen teilen. Dieser Glaube wischt keine Probleme weg, verleiht aber eine unerwartete Trotzdem-Kraft in aller Not, einen langen Atem sowie Geduld und Ausdauer. Wer glaubt, lebt von Gottes Zusage, immer neu beginnen zu dürfen und die dafür notwendigen Anschubhilfen des Heiligen Geistes zu erhalten.
Die erhoffte geistvolle Erneuerung betrifft die Gesellschaft wie auch die Kirche selbst. Die Bischöfe wollen sich daher weiterhin für eine lern- und erneuerungsbereite Kirche einsetzen. Dieses Hirtenwort soll ein konstruktiver und einladender Gesprächsbeitrag sein, keine Lehrmeinung und keine abschließende Deutung der benannten Themen. Als Bischöfe bekennen wir uns zu einer lebensdienlichen und alltagstauglichen Kirche, die mitten in der Welt steht und dabei den Himmel für alle offen hält.
2. Personalia - Bischofskonferenz
Erzbischof Franz Lackner wurde bei der Vollversammlung in Mariazell zum Vorsitzenden der Österreichische Bischofskonferenz gewählt und Diözesanbischof Manfred Scheuer zum Stellvertretenden Vorsitzenden. Die Wahlen waren notwendig, weil Kardinal Christoph Schönborn von sich aus altersbedingt das Amt des Vorsitzenden zurückgelegt hatte, das er insgesamt 22 Jahre ausgeübt hatte. Die Wahlen erfolgten gemäß dem Statut der Bischofskonferenz, das die Amtszeit des Vorsitzenden und seines Stellvertreters mit sechs Jahren festlegt.
Weiters wurde beschlossen, dass Diözesanbischof Hermann Glettler das Referat "Ehe und Familie (inkl. Lebensschutz)" innerhalb der Bischofskonferenz übernimmt. Diese Zuständigkeit lag zuletzt bei Erzbischof Lackner.