Asyl - Migration - Integration
Wortlaut einer Presseerklärungen der Sommervollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, vom 1. bis 4. März in St. Pölten
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2. Asyl - Migration - Integration
Viele Mitbürger sind durch den Zustrom von Menschen aus anderen Ländern nach Österreich verunsichert. Nicht wenige fürchten, dass Österreich seine in Jahrhunderten gewachsene kulturelle Identität verlieren könnte. Aus vielen persönlichen Begegnungen kennen und achten die Bischöfe diese Befürchtungen. Es gibt aber in der öffentlichen Debatte Entwicklungen, die nicht dazu beitragen, Spannungen abzubauen und Probleme zu lösen. Auf dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Monate plädieren die Bischöfe eindringlich für eine „Abrüstung der Worte". Zugleich appellieren sie an alle, die in der politischen Debatte Verantwortung tragen, in den bevorstehenden Wahlauseinandersetzungen das „Ausländer-Thema" mit der gebotenen Sachlichkeit zu behandeln.
Die Bischöfe plädieren im Blick auf Menschen, die nach Österreich gekommen sind oder kommen wollen, klar zu unterscheiden zwischen Asyl, Migration und Integration.
Bei Asyl geht es um ein international verbrieftes Menschenrecht, das ungerecht Verfolgten Schutz garantiert. Daher geht es nicht an, dass Menschen vorbeugend kriminalisiert und unter einen Generalverdacht gestellt werden, nur weil sie Asyl suchen. Auch der Missbrauch eines Grundrechts durch Einzelne rechtfertigt nicht, dieses Grundrecht unterschiedslos für alle einzuschränken oder gar in Frage zu stellen.
In Sachen Asyl hat Österreich seit 1945 immer wieder großzügig und rasch gehandelt, so bei der Ungarn-Krise, in der Zeit des „Prager Frühlings", bei der Polen-Krise und Balkan-Krise. Dies sollte eine Verpflichtung auch für heute sein. Es ist notwendig, rasche und faire Asylverfahren durchzuführen. Es ist aber auch notwendig, Initiativen zur Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu unterstützen. Die katholische Kirche in Österreich kann hier auf gute Erfahrungen im Zusammenhang mit der Aufnahme der vietnamesischen „boat people" zu Beginn der achtziger Jahre und der De-facto-Flüchtlinge aus Bosnien in den neunziger Jahren verweisen.
Vom Recht auf Asyl ist das Phänomen der Migration klar zu unterscheiden. Ein Blick auf die letzten 150 Jahre zeigt, dass es in Österreich Phasen des Kommen und des Gehens, der Einwanderung und der Auswanderung gegeben hat. Es liegt an den politischen Verantwortungsträgern, diesen Vorgang mit Augenmaß zu gestalten.
Beiden Themen, Asyl und Migration, gemeinsam ist die Frage nach dem richtigen Weg für eine gelungene Integration zum Wohl für alle Betroffenen. Gelungene Integration braucht ein Gesamtkonzept, das auf mehreren Säulen ruht: vor allem Bildung, Wohnraum, Beschäftigung, Mitbestimmung. Der Spracherwerb ist dabei ein Schlüsselthema.
Die Bischöfe sind überzeugt, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist; er verlangt Anstrengungen von Seiten der Aufnahmegesellschaft und von Seiten der Zuwanderer. In diesem Zusammenhang erinnern die Bischöfe daran, dass ein Großteil der Zuwanderer - unter denen nicht wenige Katholiken sind - sich problemlos in Österreich integriert. Gelungene Integration ist für alle Beteiligten ein Gewinn. Die Kirche kann in diesem Bereich viel konkrete Erfahrung einbringen; sie leistet in der Seelsorge mit den vielen anderssprachigen katholischen Gemeinden einen wichtigen Beitrag, damit Integration gelingt und gleichzeitig Identität gewahrt bleibt. Eine Grundvoraussetzung für Integration ist freilich, dass Zuwanderer die unbedingte Geltung der Menschenrechte, der demokratischen Verfassung (Religionsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit) und der gleichberechtigten Stellung von Mann und Frau anerkennen müssen.