Gelungene Integration
Wortlaut einer Presseerklärung der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, vom 13. bis 16. März in der Propstei St. Gerold / Vorarlberg.
1. Gelungene Integration
Krieg, Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen – ob in der Ukraine, seit nunmehr schon sechs Jahren in Syrien oder in anderen Ländern – sind eine schockierende Realität. Die Antwort darauf kann nur der bedingungslose Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit sein, der die politischen Verantwortungsträger und alle Kräfte in der Gesellschaft gleichermaßen betrifft. Dafür setzt sich die katholische Kirche weltweit ein, und Papst Franziskus hat wiederholt vor einer Haltung des Verdrängens, Wegschauens und des Abstumpfens angesichts des massenhaften Leids gerade von geflüchteten Menschen gewarnt. Wer verfolgt wird oder vor dem Krieg flieht, hat ein Recht auf Hilfe, und es ist für Christen eine Pflicht zu helfen. Wer als Flüchtling Aufnahme findet, braucht auch Unterstützung bei der Integration, die für ein friedliches und menschenwürdiges Zusammenleben notwendig ist.
Gelungene Integration geht nicht von selbst, und daher ist es sehr zu begrüßen, dass sich Politik und Gesellschaft immer mehr ihrer Verantwortung dafür bewusst werden. Papst Franziskus hat im Blick auf die Geschichte Europas an die "Fähigkeit zur Integration" erinnert, bei der es nicht nur um eine bloße geografische Eingliederung von Menschen, sondern auch um kulturelle Beheimatung gehen muss. Österreich kann und soll sich dabei durch jene Erfahrungen bestärken lassen, die schon in der Vergangenheit das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Sprache, Nationalität und Religion in unserem Staat ermöglicht haben.
Zentral für eine gelingende Integration ist der Spracherwerb. Es ist daher nur zu begrüßen, dass die Politik die Anstrengungen in diesem Bereich verstärken will. Damit wird deutlich, dass Integrationsmaßnahmen immer Hilfe zur Selbsthilfe sein müssen. Zugleich mit der Sprache müssen aber auch die Grundsätze der Staats-, Rechts- und Gesellschaftsordnung, zu denen Österreich als demokratischer Rechtsstaat verpflichtet ist, vermittelt werden. Wer nach Österreich kommt und hier leben will, muss die unbedingte Geltung der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und der gleichberechtigten Stellung von Mann und Frau anerkennen. Diesem Anliegen und der kulturell-religiösen Orientierung dient unter anderem die Broschüre "Grüß Gott in Österreich". Sie wird von der Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Integrationsfonds herausgegeben und will Asylwerbern Auskunft "über ein Land mit christlichen Wurzeln" geben.
Damit Integration gelingen kann, braucht es neben dem Spracherwerb den Zugang zur Bildung und die Anerkennung bereits im Ausland erworbener Qualifikationen. Integration erfolgt über Arbeit, von der man leben kann und die Sinn gibt. Daher ist der möglichst rasche Zugang zum Arbeitsmarkt so wichtig. Rechtssicherheit über den Aufenthaltsstatus, Zugang zu leistbarem Wohnen, zum Gesundheitssystem und zur sozialen Absicherung sind nur die wichtigsten Aspekte einer lösungsorientierten Integrationspolitik.
Die Kirche und zahlreiche engagierte Christen tragen sehr viel zur konkreten Hilfe für Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge bei. Dies betrifft den Bereich der Grundversorgung, wo nach wie vor Pfarren und Ordensgemeinschaften gemeinsam mit der Caritas viel leisten, genauso wie die vielfältigen Initiativen etwa in Form von Integrationspatenschaften und Sprachpatenschaften. Persönliche Begegnung ist der vielversprechendste Weg für eine nachhaltige Integration, und die Bischöfe danken allen, die dazu bereit sind und für das vielfältige Engagement.
Versäumnisse in der Vergangenheit machen deutlich, dass Integration nicht von selbst gelingen kann. Daher ist es richtig, dass die Politik verstärkt Integration fördern und gestalten will. Dafür braucht es eine umfassende, differenzierte und realistische Sicht auf alle Aspekte einer nachhaltigen Integration. Engführungen der öffentlichen Debatte auf gesetzliche Bekleidungsvorschriften laufen dabei Gefahr, die eigentlichen Herausforderungen aus dem Blick zu verlieren. Daher hat die Bischofskonferenz in differenzierter Weise zum geplanten gesetzlichen Verhüllungsverbot eine Stellungnahme abgegeben und begründet, weshalb sie den vorliegenden Gesetzesentwurf in diesem Punkt nicht unterstützt. Die Bischöfe unterstützen das Anliegen, dass Integration die Bereitschaft zur Kommunikation voraussetzt. Wir leben in einer Kultur des offenen Gesichts, die nicht zuletzt in diesem Punkt auch christlich geprägt ist. Daher bewerten die Bischöfe die Vollverschleierung im öffentlichen Raum als ein gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten. Statt eines allgemeinen Verbotes schlagen die Bischöfe aber vor, klar zu regeln und zu begründen, in welchen konkreten Fällen das Gesicht zu zeigen ist, beispielsweise in der Schule und im Gericht. Dessen ungeachtet muss gewährleistet sein, dass niemand aus welchen Gründen auch immer zu einer verhüllenden Bekleidung gezwungen werden darf, noch dazu, wenn sich dieser Zwang nur gegen Frauen richtet. Im Grunde geht es in dieser Frage um das hohe Gut der persönlichen Freiheit. Ihr ist im Zweifelsfall gerade in unserer Gesellschaftsordnung der Vorzug zu geben.