"Solidarität mit dem europäischen Friedensprojekt"
Wortlaut einer Presseerklärung der Herbstvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 5. bis 8. November 2012 in Brüssel.
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Die Zuerkennung des Nobelpreises an die Europäische Union am 10. Oktober 2012 hat den Ausgangspunkt und das Ziel der europäischen Integration deutlich zum Ausdruck gebracht: Europa ist zuerst und vor allem ein Friedensprojekt. Als solches war es von den "Vätern Europas" geplant, die Wirtschaftsgemeinschaft ist dabei ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Das gilt selbst dann, wenn diese Dimension für die heutigen, im Frieden aufgewachsenen Generationen zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist.
Vor diesem Hintergrund haben die österreichischen Bischöfe 1994 mit Blick auf die Entscheidung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft die Christen dazu aufgerufen, am Bauplatz Europa tätig zu sein nach dem Maßstab des Evangeliums. Diese Aussage war vor 18 Jahren als Zustimmung der Kirche in Österreich zur aktiven und gestaltenden Teilnahme am europäischen Einigungsprozess zu verstehen, und sie hat weiterhin bleibende Bedeutung. Die damalige euphorische Stimmung bei einem Großteil der Österreicher hat sich inzwischen aufgrund mancher Enttäuschungen und durch die gegenwärtige Krise der Europäischen Union deutlich abgekühlt. Nicht wenige neigen in dieser Situation zur Skepsis gegenüber der EU, oft verstärkt durch eine populistische Politik und durch eine einseitige mediale Berichterstattung.
In dieser Situation wollten die österreichischen Bischöfe ein deutliches Zeichen der hoffnungsvollen und zugleich kritischen Solidarität mit der Europäischen Union setzen. Die Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz verbunden mit einem intensiven Gesprächsprogramm mit europäischen Verantwortungsträgern war somit ein klares „Ja" zur Europäischen Union. So wurde es von den Repräsentanten der Europäischen Union auch verstanden – dies umso mehr, weil bisher noch keine andere Bischofskonferenz eines EU-Mitgliedstaates ähnliches getan hat.
Das Gespräch der österreichischen Bischöfe ist zugleich eine Realisierung des durch den Vertrag von Lissabon (Artikel 17) garantierten Dialogs zwischen der Europäischen Union und den Kirchen und Religionsgemeinschaften. In regelmäßiger Weise findet solch ein offizieller Dialog der Katholischen Kirche über die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaften" (ComECE) mit den EU-Institutionen statt. Die Präsenz der Österreichischen Bischofskonferenz zeigt der Europäischen Union, dass die Katholische Kirche als Weltkirche auf verschiedenen Ebenen verantwortungsvoll die Gesellschaft mitgestaltet.
Je mehr die Europäische Union politisch zusammenwächst, desto bedeutsamer werden die dafür notwendigen gemeinsamen Werte und geistigen Fundamente. Daher haben die Repräsentanten der EU-Institutionen in den Gesprächen mit den Bischöfen den wichtigen Beitrag der Kirchen dafür unterstrichen und auch erbeten. Dies zeigte sich im Gespräch mit EU-Kommissar Johannes Hahn genauso wie mit dem Vizepräsidenten des Europaparlaments Othmar Karas und war in gleicher Weise Thema der Begegnungen mit EU-Parlamentariern, der Leiterin der Stelle für den Dialog der EU-Kommission mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie mit anderen Funktionsträgern der EU-Kommission.
Die Bischöfe haben dabei unter anderem ihre Sichtweise in Fragen der bioethischen Forschung genauso thematisieren können wie den notwendigen europaweiten Schutz des arbeitsfreien Sonntags. Ein besonders intensiver Austausch war dem Ziel von Nachhaltigkeit in der Umwelt-, Landwirtschafts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik gewidmet. Mit Blick auf die globale Verantwortung wurden vor allem die zunehmende Verfolgung von Christen und das Recht auf Religionsfreiheit behandelt.
Einen Höhepunkt bildete die Eröffnung einer Ausstellung im Europäischen Parlament über Hildegard Burjan. Sie ist die weltweit erste demokratisch gewählte Parlamentarierin, die von der Katholischen Kirche seliggesprochen wurde und hatte als Abgeordnete, Sozialpionierin und Ordensgründerin im und nach dem Ersten Weltkrieg offene Augen für die soziale Not der Menschen. Ihre christlich motivierte Nächstenliebe ist bis heute Inspiration und Vorbild für Menschen, die konkret helfen wollen, wie auch für jene, die politische Verantwortung tragen.