"Habe kein Patentrezept"
Graz, 17.04.2015 (KAP) Er sei weder "Wunderwuzzi" noch "Alleswisser", wolle aber im Vertrauen auf Gott seine neue Aufgabe als Grazer Diözesanbischof beginnen: Das sagte der am Donnerstag offiziell zum Nachfolger von Egon Kapellari ernannte Wilhelm Krautwaschl bei einer Pressekonferenz am selben Tag im Grazer Bischofshof. Mit vielen steirischen Katholiken dürfe er demnächst als Bischof die Freude am Glauben teilen und erneuern. "wir werden in einer so verstandenen Kirche vielfältig sein und die Seelsorge neu ausrichten und als Kirche die Gesellschaft mitgestalten", sagte Krautwaschl, der von Papst Franziskus zum 58. Bischof der 1218 gegründeten Diözese Graz-Seckau ernannt wurde.
Auf dem Prozess "Weg2018" hin zum Grazer Diözesanjubiläum nehme er viele Fragen mit, "da bin ich alles andere als fertig, da hab ich kein Patentrezept und bin kein Wunderwuzzi". Menschen, die in der Kirche "Heimat haben oder suchen", würden unterschiedlichste Lebens- und Glaubensgeschichten mitbringen: "Ist Gott nicht längst schon mit und bei ihnen, noch ehe wir mit dem, was Kirche heißt, bei ihm ankommen - und welche Auswirkungen hat das?", so "eine von vielen" Fragen, die den angehenden Bischof beschäftigen.
Krautwaschl wörtlich: "Ich bin und bleibe bei alledem auch ein Suchender: mit dem Kompass des Evangeliums und der kirchlichen Tradition als Richtschnur und Wegmarken." Ein Bischof sei schließlich "Hirte und nicht Alleswisser", und "auch nicht der Beste im Glauben". Er wisse sich jedoch in vieler Hinsicht "von Gott angegangen" und wolle "nicht von ihm lassen".
Krautwaschl berichtete in sehr persönlichen Erinnerungen von seinem Werdegang vom kleinen Ministranten in seinem Heimatort Gleisdorf über sein Ringen mit seiner Berufung im Grazer Priesterseminar sowie seinen Berufsjahren als Kaplan und Pfarrer in der Ost- und Obersteiermark und zuletzt als Leiter des Bischöflichen Seminars und des Bildungszentrums "Augustinum" in Graz. Er sei dabei u.a. als Mitarbeiter des damaligen Hartberger Pfarrers und Briefbombenopfers von Franz Fuchs, P. August Janisch, mit Flüchtlingsarbeit nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs befasst gewesen. Später im Pfarrverband Knittelfeld sei er im Umfeld einer Industrieregion vor Herausforderungen wie dem "täglichen Umgehen mit Ausgetretenen" gestanden. Als Pfarrer in Bruck/Mur sei er vor der Frage nach passenden Kirchenstrukturen gestanden, berichtete Krautwaschl: "Wie ist das mit dem 'neuen Wein in alten Schläuchen'?"
Geschirrspüler übertönte Nuntius-Anruf
In sympathischer Offenheit erzählte der künftige Grazer Bischof auch vom Tag, als ihn die Nachricht von seiner Ernennung erreichte: Er und andere in der Fokolarbewegung verankerte Priester hätten am vergangenen Sonntag, 12. April, Frauen aus einer dieser Erneuerungsbewegung zuzuordnenden Wohngemeinschaft zu einem gemütlichen Abend eingeladen. "Beim Einräumen des Geschirrspülers überhöre ich das Vibrieren meines Telefons", dessen Verursacher war - wie sich beim Abhören der Mailbox herausstellte - der Apostolische Nuntius, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen. Vor Schreck habe Krautwaschl irrtümlich die Nachricht gelöscht und deshalb zunächst nicht zurückrufen können. Schließlich kam das Telefonat zustande, und Krautwaschl habe die Bitte gehört, den Dienst als Bischof zu übernehmen. Eine schlaflose Nacht sei die Folge gewesen.
Am nächsten Morgen habe er im Dom die Messe besucht, bei Diözesanadministrator Heinrich Schnuderl gefrühstückt und seine beiden Amtsvorgänger Johann Weber und Egon Kapellari informiert, "ehe ich nach Wien aufbrach, um in wirklich brüderlicher Atmosphäre den Grund für mein heutiges Hiersein zu besprechen". An Kapellari wie auch an Schnuderl richtete Krautwaschl "ein großes Vergelt's Gott!".
Bischofsweihe am 14. Juni
Als Termin für seine Weihe zum Grazer Diözesanbischof gab Wilhelm Krautwaschl den 14. Juni bekannt. Erster Weihespender werde der Salzburger Erzbischof Franz Lackner - früher Weihbischof in Graz-Seckau - sein, als Co-Konsekratoren würden seine Vorgänger Johann Weber und Egon Kapellari fungieren. "Deus caritas est" (Gott ist die Liebe; 1 Joh 4,16) nannte Krautwaschl bei der Pressekonferenz am Donnerstag im Grazer Bischofshof als seinen bischöflichen Wahlspruch.
Auf Anfragen der zahlreichen Medienvertreter wies Krautwaschl mehrmals auf die kirchliche Vielfalt hin, die dabei helfen werde, auf Herausforderungen und Änderungsnotwendigkeiten adäquat zu antworten. Es gebe den Schweigeorden der Karmelitinnen ebenso wie den "VinziBus" für Obdachlose, umschrieb Krautwaschl die große Bandbreite des kirchlichen Lebens, "wir brauchen beides". Durch Pfarren in unterschiedlichen Regionen sei die kirchliche Seelsorge "regional aufgestellt", es werde sichern nicht in jeder Gemeinde "das gleiche Programm abgespult".
Zum zuletzt mehrfach kritisierten Modus der Bischofsernennungen durch den Vatikan merkte Krautwaschl an, dass es sicher einiges zu verbessern gebe. Er sei zuversichtlich, dass dies auch geschehen werde. Es sei auch "schon etwas weitergegangen", wenn man die jüngste Anmerkung von Kardinal Christoph Schönborn zu den beiden Bischofsernennungen am Donnerstag beachte: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz hatte davon gesprochen, dass die Bestellung von Krautwaschl und auch vom neuen Militärbischof Werner Freistetter als "deutliches Zeichen" zu werten sei, "dass im Vatikan unter Papst Franziskus auf die Ortskirche gehört wird".
Was er sich von seinen beiden Vorgängern abschauen will, wollte Krautwaschel nicht konkret bzw. nur mit einem bildlichen Vergleich beantworten: "Ich habe nicht die Talargröße von Bischof Weber und auch nicht die von Bischof Kapellari."
Auch die Frage, wo er den größten Änderungsbedarf in der katholischen Kirche sehe, ließ der designierte Bischof offen. Er wolle sich im Gespräch mit ihm vertrauten Personen erst zu manchem eine klare Meinung bilden und habe für sich selbst noch etliche offene Fragen. Krautwaschl berichtete von einem kürzlichen Treffen mit Josef Wilfing, dem Vertreter der steirischen "Pfarrerinitiative", das in erster Linie vom Aufeinander-Hören geprägt gewesen sei. Er wolle jedenfalls auch als Bischof immer nahe bei den Menschen sein und vor allem auch den Kontakt mit der Jugend suchen.
Aufhorchen ließ Krautwaschel mit einer an Papst Franziskus erinnernden Bemerkung zu seinem künftigen Wohnstil: Er wolle sein Domizil im Bischofshof jedenfalls nicht alleine bewohnen; Details dazu müssten sich aber erst noch klären.
Schnuderl: Es wartet viel Arbeit
"Auf den neuen Bischof wartet viel Arbeit", die katholische Kirche in der Steiermark stehe vor großen Herausforderungen: Der Grazer Diözesanadministrator Heinrich Schnuderl verwies bei der Pressekonferenz auf gesellschaftliche Veränderungen, die auch die Kirche betreffen - wie etwa die Urbanisierung und Verschiebung der Bevölkerungsdichte in vielen Teilen des Landes, wirtschaftliche Umwälzungen und die Frage nach Arbeitsmöglichkeiten, die Zuwanderung und Pluralisierung religiöser Gemeinschaften.
Auch innerkirchlich ergeben sich laut Schnuderl viele neue Aufgaben. Ca. 70 Prozent der Steirerinnen und Steirer und somit 840.000 Personen gehörten zwar der katholischen Kirche an, die Kirchenbindung habe sich aber bei vielen verändert. Das erfordere neue seelsorgliche Wege der Hinführung zur kirchlichen Gemeinschaft und zu einem Leben aus dem christlichen Glauben, sagte der interimistische Leiter der Diözese Graz-Seckau.
Die Diözese strebe in der Vorbereitung auf ihr 800-Jahr-Jubiläum 2018 eine Erneuerung an, so Schnuderl weiter. Es gelte auf der Grundlage des Zweiten Vatikanischen Konzils auch unter gewandelten Bedingungen den christlichen Glauben zu verkünden und zu feiern, die Kirche wolle "ihre Dienste leisten, als Gemeinschaft erlebt und als die Gesellschaft prägende Wirklichkeit wahrgenommen werden". Schnuderls Fazit: "Auf den neuen Bischof wartet viel Arbeit" - und es warteten auch "viele engagierte Gläubige in den Pfarren, die die Kirche in unserem Land mit ihrem Glauben, ihren Begabungen und ihrem Selbstbewusstsein mitzutragen bereit sind".