Bischöfe gedenken des Armenier-Genozids
Wien, 21.04.2015 (KAP) Die österreichischen Bischöfe gedenken der Opfer des Genozids an den Armeniern und den Christen syrischer Tradition vor 100 Jahren im Osmanischen Reich. Was sich damals in Anatolien und anderen Teilen des Osmanischen Reichs ereignete, "war eine der größten Katastrophen der Christenheit in ihrer ganzen Geschichte", heißt es in einer offiziellen Erklärung der Bischofskonferenz. Noch seien viele Archive in unterschiedlichen Ländern nicht zur Gänze ausgewertet, aber es zeichne sich ab, dass die von armenischen Historikern seit jeher genannte Zahl von 1,5 Millionen in den Jahren 1915 bis 1923 getöteten Armeniern der Realität entspricht, ebenso wie die Zahl von 500.000 syrisch-christlichen Opfern. Die Bischöfe bekennen zudem die Mitschuld Österreich-Ungarns am Genozid und kritisieren jede Leugnung des Völkermordes.
Mit der menschlichen Katastrophe der Jahre 1915 bis 1923 sei auch eine kulturelle Katastrophe ungeheuren Ausmaßes einhergegangen, heißt es weiter in der Erklärung: Im kleinasiatischen Raum seien tausende Kirchen und hunderte Klöster zerstört und entweiht worden, in denen seit den ersten Jahrhunderten des Christentums nie das Gotteslob verstummt war. Heute kündeten vielfach nur mehr Ruinen "von einer der eindrucksvollsten christlichen Kulturlandschaften, die unendlich viel im Bereich von Architektur, Musik, Wissenschaft zur Weltkultur beigetragen hat. Damals versank auch endgültig die armenisch-osmanische Symbiose, die trotz aller Spannungen und Ungerechtigkeiten doch eine Möglichkeit des Zusammenlebens von Christen und Muslimen darstellte."
Die führenden Politiker des "Komitees für Einheit und Fortschritt", das damals die osmanische Regierung stellte, seien zwar nach ihrem eigenen Zeugnis überwiegend Agnostiker oder Atheisten, aber sie benützten das islamische Argument, um die Ausrottungskampagne gegen die Christen populär zu machen, halten die Bischöfe weiter fest. Das zeige auch die Tatsache, dass sich retten konnte, wer bereit war, zum Islam zu konvertieren. Zugleich weisen die Bischöfe auch auf die Hilfsbereitschaft gläubiger Muslime für die verfolgten armenischen und syrischen Christen hin.
"Bemühungen um neue Objektivität"
Kritisch merken die heimischen Bischöfe an, dass in der Türkei der Völkermord an den armenischen und den syrischen Christen "bedauerlicherweise Jahrzehnte hindurch geleugnet" wurde. Es zeigten sich aber in der türkischen Zivilgesellschaft neue Entwicklungen, "die Auswirkungen auch im politischen Bereich haben und Hoffnung auf Versöhnung geben". So orten die österreichischen Bischöfe in der türkischen Geschichtsschreibung "Bemühungen um eine neue Objektivität". Zudem sei es in den letzten Jahren üblich geworden, dass in türkischen Städten am 24. April Solidaritätsmärsche zum Gedenken an die "verschwundenen" armenischen Mitbürger stattfinden.
"Die Leugnung des Völkermords an den Armeniern - und den syrischen Christen - hat bis heute dramatische Auswirkungen", halten die Bischöfe weiter fest. Es solle nicht vergessen werden, dass die Begrifflichkeit und juristische Definition des Völkermords auf das tragische Geschick des armenischen Volkes ab 1915 zurückgeht.
Ebensowenig dürfe man aber auch vergessen, dass die Nazis bei ihren Plänen zur Vernichtung des jüdischen Volkes in Europa bewusst auf die Vergesslichkeit der Weltmeinung spekulierten, wie dies bei den Armeniern der Fall gewesen war.
Wörtlich schreiben die Bischöfe: "Es stellt sich die Frage, ob weitere Völkermorde hätten verhindert oder eingedämmt werden können, wenn nach Ende des Ersten Weltkriegs das Schicksal der armenischen und syrischen Christen nicht dem Vergessen anheimgegeben worden wäre."
Armenische Präsenz in Österreich
Als österreichische Christen habe man zudem ein mehrfaches Motiv, mit den armenischen und syrischen Christen zu trauern "und uns ihren Ruf nach Wahrheit und Gerechtigkeit anlässlich des 100-Jahr-Gedenkens der schrecklichen Ereignisse zu eigen zu machen", betonen die Bischöfe weiter. Sie führen erstens die Tatsache, dass es in Österreich seit Jahrhunderten eine starke armenische Präsenz gibt. Zudem hätten seit 40 Jahren auch viele syrische Christen in Österreich eine neue Heimat gefunden. Zweitens könne man auch nicht vergessen, dass das einstige Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg ein Verbündeter des Osmanischen Reiches gewesen und so gut wie gar nicht gegen den Völkermord eingeschritten war.
Entsprechend heißt es in der Erklärung: "Österreichische Funktionäre und Soldaten waren Augenzeugen der Vorgänge, viele berichteten nach Wien, andere versuchten, sich der Maschinerie entgegenzustellen, insgesamt waren wohl politisch-militärische Opportunitätserwägungen stärker als menschliche oder christliche Solidarität."
Die Bischöfe erinnern weiters auch an den österreichischen Schriftsteller Franz Werfel, der mit seinem Roman "Die 40 Tage des Musa Dagh" eine als gültig angesehene literarische Bewältigung der armenischen Tragödie vorgelegt hat.
Abschließend halten die Bischöfe fest: "Die katholische Kirche in Österreich neigt sich damit - gemeinsam mit allen anderen Kirchen - in Ehrfurcht vor dem Zeugnis der armenischen und syrischen Märtyrer." Die armenisch-apostolische Kirche spricht am 23. April die 1,5 Millionen armenischen Genozidopfer kumulativ heilig. Dieser Akt nähre die Hoffnung, "dass die Fürsprache der Märtyrer den Menschen des Orients (...) den lang ersehnten Frieden und die so notwendige Versöhnung bringen wird" .
Quelle: kathpress