"Nahezu übermenschliche Anforderungen an das Petrusamt"
Rom, 10.03.2013 (KAP) Zwei Tage vor dem Beginn des Konklaves in der Sixtinischen Kapelle ist Kardinal Christoph Schönborn vor die Presse getreten. Im Anschluss an einer Messfeier am Sonntagabend in seiner römischen Titelkirche Gesu' Divino Lavoratore gab er eine Erklärung ab, die "Kathpress" im Wortlaut dokumentiert:
"Ein Monat nach dem historischen Amtsverzicht von Benedikt XVI. und eine Woche nach dem Beginn der Beratungen der Kardinäle über die Wahl des neuen Bischofs von Rom, des Nachfolgers des Apostel Petrus und obersten Hirten der Weltkirche, haben die letzten Vorbereitungen für das Konklave begonnen. Wenn sich in zwei Tagen die 115 wahlberechtigten Kardinäle im Gebet und unter Anrufung der Heiligen Geistes in der Sixtinischen Kapelle zur Wahl des Papstes und Summus Pontifex versammeln, wissen sie sich vom Gebet der rund 1,2 Milliarden Katholiken weltweit und vieler Gläubigen aus der christlichen Ökumene und sogar auch anderer Religionen begleitet und getragen.
Historiker haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses Konklave in der gesamten Geschichte der Kirche einzigartig ist und schon jetzt mit Fug und Recht als historisch bezeichnet werden kann. Die Kardinäle wissen sich in den kommenden Tagen nicht nur von den Gläubigen begleitet, sondern vor allem von Benedikt XVI., der jetzt seinen Dienst als emeritierter Papst im innigen Gebet für die Kirche und die Menschen erfüllt.
Vieles wurde schon über den freiwilligen Verzicht von Benedikt XVI. auf den Stuhl Petri gesagt, mit dem er sich in das Buch der Weltgeschichte eingeschrieben hat. Eines erscheint mir heute, wenige Tage vor dem Konklave, als besonders bedeutsam: Der Amtsverzicht des Papstes war ein außerordentlicher Akt der Freiheit und das in zweifacher Weise. Er hat deutlich gemacht, dass die höchste und verbindlichste Norm des Menschen immer die persönliche und freie Gewissensentscheidung ist. Neben dieser "inneren Freiheit" wurde gleichzeitig deutlich, dass der Papst auch nach außen hin in Freiheit leben darf. Mit Blick auf die Geschichte können wir heute feststellen, dass das Zentrum der Weltkirche wahrscheinlich noch nie so frei war, wie gegenwärtig. Benedikt XVI. konnte seine persönliche Entscheidung "zum Wohl der Kirche" frei von Bedrohungen durch feindliche Mächte treffen und im Vertrauen darauf, dass die Kardinäle, die alle frei und ungehindert nach Rom kommen konnten, auch in aller Freiheit den nächsten Papst wählen können.
Diese Freiheit und die Beratungen der Kardinäle in den Generalkongregationen machen mich persönlich zuversichtlich für das Konklave. Selten habe ich in den vielen Jahren im Dienst der Weltkirche und seit 15 Jahren als Kardinal so viel Ehrlichkeit, Klarheit, Weite, Wohlwollen und Zuversicht erlebt, wie in den letzten Tagen. Ohne die gebotene Diskretion zu verletzen, kann ich bezeugen, dass sich die Kardinäle der ernsten Situation, in der sich die Kirche befindet, bewusst sind, und dass die vielen Zeichen der Hoffnung ebenso offen zur Sprache kamen wie auch Fehler und Versagen.
Die Herausforderungen und Hoffnungszeichen der Weltkirche sind dabei überdeutlich geworden. Noch nie gab es so viele Katholiken weltweit, und gleichzeitig waren wohl noch nie so viele Christen bedrängt und verfolgt. Noch nie konnten die Gläubigen besonders in Europa und in den wohlhabenden Ländern sich so intensiv vernetzen, kommunizieren und die weltlichen Güter genießen wie heute. Zugleich ist - gerade in unseren Breiten - eine religiöse Sprachlosigkeit feststellbar, hat der materielle Überfluss zu einer geistigen Sattheit geführt und gefährdet unser verschwenderischer Lebensstil die Lebensräume und -chancen weiter Teile der Bevölkerung, ja des ganzen Globus und der kommenden Generationen.
Wer kann als nächster Papst alle diese Fragen angehen und dabei zuallererst ein Mann des Glaubens und ein zeitgemäßer Verkünder des Evangeliums sein? Es sind nahezu übermenschliche Anforderungen, die an das Petrusamt heute gestellt werden. Sie sind wohl nur zu tragen im gläubigen Bewusstsein, dass niemand in der Kirche die Last des Amtes alleine trägt, dass Christus das Haupt der Kirche ist und dass Gott uns immer schon mit seiner helfenden Gnade zuvorkommt.
Die Kardinäle haben sich auf ihren verantwortungsvollen Dienst beim Konklave durch offene Gespräche und gemeinsames Beten gut vorbereitet. Sie wissen, was von ihrer Gewissensentscheidung abhängt, die sie jedes Mal vor der Stimmabgabe bekräftigen, wenn sie mit Blick auf das "Jüngste Gericht" in der Sixtinischen Kapelle sagen werden: 'Testor Christum Dominum, qui me iudicaturus est, me eum eligere, quem secundum Deum iudico eligi debere' - 'Ich rufe Christus, der mein Richter ist, zum Zeugen an, dass ich den wähle, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden muss.'"