Trauer um verstorbenen Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher
Innsbruck-Wien, 29.1.2013 (KAP) Der Tiroler Altbischof Reinhold Stecher ist am Dienstagabend in einer Innsbrucker Klinik verstorben. Der 91-Jährige lag seit der Nacht davor auf der Intensivstation, wegen seines bereits kritischen Zustands hatte sich Diözesanbischof Manfred Scheuer am Krankenbett seines Vorgängers eingefunden und verbrachte auch die letzte Stunde Stechers an dessen Seite, wie teilte der Pressereferent der Diözese Innsbruck, Michael Gstaltmayr, mitteilte. Er äußerte sich tief betroffen über den Tod Reinhold Stechers: Die Diözese sei "in großer Trauer und zugleich Dankbarkeit für sein wirken", heißt es in einer Aussendung. "Ich bitte die Menschen im Land um ihr Gebet, dass Gott Bischof Reinhold den Himmel schenke", teilte Bischof Scheuer mit.
Stecher war von 1980 bis 1997 nach Bischof Paulus Rusch der zweite Bischof der jungen, 1968 errichteten Diözese Innsbruck. Zuletzt lebte er seit 1997 in einer Wohnung der Personalhäuser des Sanatoriums Hochrum. Bis zuletzt war er als Maler und Autor aktiv, half in der Seelsorge aus, machte Krankenbesuche, hielt Vorträge und Exerzitien. Wegen seiner Geradlinigkeit, seine tiefe Spiritualität und nicht zuletzt seiner außerordentlichen Kreativität in Wort und Bild war Stecher auch nach seiner Emeritierung weit über kirchliche Kreise hinaus hochgeschätzt.
"Die Landeklappen sind ausgefahren"
Reinhold Stecher wurde 22. Dezember 1921 in Innsbruck geboren. 1947 wurde er in Schwaz zum Priester geweiht, die Bischofsweihe erfolgte am 25. Januar 1981, rund einen Monat nach seiner Ernennung durch Papst Johannes Paul II. Stecher leitete die Diözese bis 1997. Ihm folgte Bischof Alois Kothgasser, heute Erzbischof von Salzburg, danach Manfred Scheuer.
Als prägend bezeichnete Stecher neben seinem Studium bei Rahner und Jungmann auch die Erfahrung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65). "Die Bedeutung dieses Konzils konnte ich an meinem Vorgänger Bischof Paulus Rusch ablesen. Mich bewegte immer, wie sehr das Konzil diesen nüchternen und zurückhaltenden Menschen verändert hat. An der Veränderung seines Wesens wurde für mich deutlich, dass das Konzil neue Geleise gelegt hat", unterstrich Stecher einmal in einem Interview mit dem "Tiroler Sonntag" aus Anlass seines 85. Geburtstages.
Im gleichen Interview sprach Stecher auch aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen an und warnte vor der "Hybris, dem Verlust des Maßes, der Krallenhand, die immer noch nach mehr greift und alles Glück im Haben sucht". Leichtsinnig werde heute Errungenes aufs Spiel gesetzt: "Die repräsentative Demokratie durch ungezügelte Populismen, soziale Sicherung für alle durch rücksichtslose Egoismen, Monotheismus durch Money-Theismus, der über die Welt schwappt."
Zu seiner persönlichen Situation sagte Stecher damals, es sei "reine Gnade, dass ich ein schönes und erfülltes Alter erleben darf". Er erlebe sein Leben dabei wie in einem Flugzeug: "Die Landeklappen sind ausgefahren. Ich bin bereit zum Landen. Je näher ich diesem Flughafen komme, umso wesentlicher steht Christus vor mir".
1941 von der Gestapo verhaftet
Nachdem er 1939 ins Priesterseminar eingetreten war, wurde er 1941 unter der Anklage der Mitbeteiligung an der Organisation einer unerlaubten Wallfahrt von der Gestapo verhaftet und rund drei Monate gefangen gehalten. Nach seiner Entlassung wurde er zum Militärdienst einberufen. Nach kurzer Internierung in Norwegen kehrte er 1945 nach Tirol zurück und konnte sein Theologiestudium - u. a. bei den für ihn prägenden Professoren Karl Rahner oder Josef Jungmann - in Innsbruck fortsetzen. Bischof Rusch weihte seinen späteren Nachfolger am 19. Dezember 1947 zum Priester.
Anschließend wurde Stecher Präfekt am Knabenseminar "Paulinum" in Schwaz. Er promovierte 1951 und unterrichtete in den Jahren bis 1968 an verschiedenen Innsbrucker Schulen. Anschließend lehrte er bis zu seiner Berufung zum Bischof als Professor für Religionspädagogik an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Tirol.
Als Caritas-Referent der Bischofskonferenz ließ Stecher wiederholt durch deutliche Wortmeldungen zur Flüchtlingsfrage und anderen sozialen Problemen aufhorchen. Besondere Beachtung fanden nicht zuletzt seine prononcierten Äußerungen auch zur innerkirchlichen Entwicklung, wie etwa sein Eintreten für eine Änderung bei den Zulassungsbedingungen zum Priesteramt.
Zu den Höhepunkten von Stechers Amtszeit zählte die 1996 in Rom erfolgte Seligsprechung der beiden Tiroler Märtyrerpriester Otto Neururer und P. Jakob Gapp, beide Opfer der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung in Tirol.
Schlusstrich unter antisemitischen "Anderl-Kult"
Einen weiteren, weltweit beachteten Höhepunkt seiner Amtszeit stellt 1988 das entschlossene Vorgehen Stechers gegen die Legende vom angeblichen jüdischen Ritualmord am "Anderl von Rinn" dar. Bischof Stecher ordnete - gegen den heftigen Widerstand der Anhänger des "Anderl-Kultes" - die Herausnahme der angeblichen Gebeine des Anderl aus dem Hochaltar der Kirche Judenstein und deren Einmauerung an. Auch das Deckenfresko, das die "Schlachtung" des Anderl durch Juden zeigte, wurde abgedeckt. 1989 wurde die Kirche neu geweiht.
Stecher setzte 1988 der Legende vom angeblichen jüdischen Ritualmord am "Anderl von Rinn" ein Ende, und verbot jeden weiteren Kult (bereits Papst Paul VI. verbot in den 1960er Jahren die Verehrung des Anderl von Rinn, da es sich bei den Reliquien um eine sichere Fälschung handelte). In seine Amtszeit fiel weiters der Besuch von Johannes Paul II. in Innsbruck und die Seligsprechung der beiden Märtyrerpriester Otto Neururer und Jakob Gapp.
In der Österreichischen Bischofskonferenz war Bischof Stecher viele Jahre zuständiger Referatsbischof für die Referate Caritas und Frauen. Zugleich war Stecher Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz in der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz. 1993 wurde er mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet
Kirche in Österreich: Trauer und Würdigung
Die katholische Kirche in Österreich trauert geschlossen um den verstorbenen Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher. Der Innsbrucker Dom ist schwarz beflaggt, schwarze Fahnen wehen auch von vielen weiteren kirchlichen und öffentlichen Einrichtungen des Landes, teilte die Diözese am Mittwochmorgen mit. Das Requiem für Stecher wird am Samstagvormittag, 11 Uhr, im Innsbrucker Dom gefeiert. Das vom "Tiroler Sonntag" eingerichtete Online-Kondolenzbuch verzeichnet laufend neue Einträge (http://www.dibk.at/index.php?id=7275&portal=6).
Nachrufe und Worte der Würdigung kamen gleichermaßen von Diözesanbischöfen und Laienorganisationen. So würdigte der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer, der Stecher bis zuletzt in einer Innsbrucker Klinik begleitet hat, den Verstorbenen als "Wanderer zwischen den Welten". Bischof Scheuer wörtlich: "Altbischof Reinhold wird dem Land fehlen. Er war nicht nur ein Brunnen- und Brückenbauer", sondern darüber hinaus ein "Wanderer, ein Wanderprediger zwischen den Welten, die sich auf engstem Raum finden, säkulare Welten, fromme Milieus, ein Wanderer zwischen Kindern und Sterbenden, aus intellektuellen Milieus in einfachere. Da ist Vielsprachigkeit gefordert und Einfühlung, Verständnis und das Bemühen um Kommunikation."
Kardinal Christoph Schönborn beschrieb Stecher in einer ersten Reaktion am Dienstagabend als Menschen, der "durch seine Person, seine Texte und seine Bilder vielen Menschen die Freude am Glauben und einen Zugang zum Evangelium eröffnete". Viele habe "seine Geradlinigkeit, seine kritische Stimme sowie seine Liebe zu den Bergen beeindruckt". Stecher sei vielen als Künstler und Aquarellmaler bekannt gewesen, "weniger bekannt war aber, dass Bischof Stecher auch ein sehr guter Karikaturist mit einem tiefsinnigen Humor war", so Schönborn.
Kothgasser: "väterlicher Freund"
Tief betroffen vom Tod von Altbischof Reinhold Stecher hat sich der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser gezeigt. Kothgasser war Stecher 1997 als Bischof in Innsbruck gefolgt. "Er war mir immer ein väterlicher Freund, der mir in meinem bischöflichen Dienst mit Rat und Tat zur Seite stand", so Kothgasser. Er würdigt Stechers tiefe Verbundenheit mit den Menschen, sein waches Auge für jene, die keine Stimme haben, und denen er eine Stimme gab. "Das hat sein bischöfliches Wirken geprägt", betont der Salzburger Erzbischof, der von 1997 bis 2002 Bischof von Innsbruck war.
Reinhold Stecher sei in allem, was er sagte und tat, authentisch gewesen, "ein Mann voller Leidenschaft, mit vielen Begabungen ausgestattet", stellt der Erzbischof fest. Das priesterliche und bischöfliche Leben des Verstorbenen habe nachhaltige Spuren hinterlassen. Kothgasser: "Er erkannte und fand in der Natur, in der Schöpfung, vielfältige Spuren jenes Gottes, an den er sein Leben lang in tiefer Liebe geglaubt hat."
"Leidenschaftlicher Verkünder des Glaubens"
Als "leidenschaftlichen und engagierten Seelsorger und Verkünder des Glaubens" hat der Kärntner Bischof Alois Schwarz den verstorbenen Innsbrucker Altbischof gewürdigt. Reinhold Stecher habe mit seiner besonderen Sensibilität für Sprache die zentralen Botschaften der Kirche den Menschen in verständlichen und bildhaften Worten erlebbar gemacht. Kennzeichnend für ihn seien dessen Entschiedenheit, Klarheit und Mut gewesen.
Als Caritasbischof habe er sich große Verdienste in seinem Einsatz für arme und benachteiligte Menschen erworben. Als Referent bei den Priestertagen der Diözese Gurk habe er, so Bischof Schwarz, Altbischof Stecher als einen Seelsorger erlebt, "der im großen Vertrauen auf die Wirkkraft des Heiligen Geistes sehr viele Spuren der Hoffnung für den Glauben in unserer heutigen Zeit herausgeschält hat".
Aichern: "Freundlicher Bischof"
Auch der Linzer Altbischof Maximilian Aichern hat den Verstorbenen in einer Aussendung gewürdigt: "Bischof Reinhold Stecher war ein ausgezeichneter Gesprächskollege auf Augenhöhe in der Bischofskonferenz, und bei sozialen Fragen war er mitgehend und zustimmend. Stecher war ein guter Theologe und in menschlicher Hinsicht ein freundlicher entgegenkommender Bischof."
Stecher sei bewundernswert auf die Tiroler Menschen und die Tiroler Kultur zugegangen und habe so manches neu geprägt. "Seine Vorträge in spiritueller und froher menschlicher Weise und seine literarischen und künstlerischen Werke werden uns abgehen", so Aichern wörtlich.
"Unermüdlicher Verteidiger des Konzils"
Als "unermüdlichen Verteidiger des Konzils" habe er den Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher in der Österreichischen Bischofskonferenz erlebt: Das sagte der emeritierte Wiener Weihbischof Helmut Krätzl am Mittwoch über seinen tags zuvor verstorbenen langjährigen Amtskollegen. Stecher habe die "noch ausstehende Verwirklichung" des Zweiten vatikanischen Konzils immer wieder "eindrucksvoll eingemahnt". Wenn Medien ihn jetzt als "liberal" abstempeln wollten, "übersehen sie, dass seine eigenständige Amtsführung und seine mutigen Äußerungen in Gesellschaft und Kirche Zeichen seiner tiefen Liebe zur Kirche waren", so Krätzl in seinem Nachruf.
Zu seinem 90. Geburtstag habe er Stecher als "unerschrockenen Zeugen für die notwendigen Fortschritte in der Kirche" charakterisiert. Durch sein authentisches "Menschsein" und sein priesterliches Wirken sei er die "Verkörperung eines Bischofs, wie ihn die Kirche heute braucht", so Krätzl damals. Nicht umsonst habe es "ungetrübte Freude in der ganzen Diözese" gegeben, als Reinhold Stecher am 1981 zum Bischof geweiht wurde. Denn mit ihm habe ein Mann das Amt übernommen, "der die Seinen sehr gut kannte und den alle schätzten", sagte Krätzl rückblickend. "Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Bischofswirken heute."
Stecher habe ein hervorragendes theologisches Wissen ausgezeichnet, das er auch zu vermitteln wusste. Krätzl würdigte den Verstorbenen auch als "Meister der gesprochenen und geschriebenen Worte", seine Karikaturen hätten gezeigt, "wie er Hintergründe erfasste und Pointen setzen konnte, aber auch seinen Humor, der aus einem gereiften Glauben kam".
Katholische Aktion: "Sein Lebenswerk fortsetzen"
"Die beste Art, sein Lebenswerk zu würdigen, ist dieses fortzusetzen": Das erklärte Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), zum Tod von Innsbrucks Altbischof Reinhold Stecher. Sein Einsatz für die Umsetzung und Fortschreibung des Zweiten Vaticanums, "sein Vertrauen, seine Geradlinigkeit, sein Mut und sein Humor mögen uns beispielgebend sein". Mit Stecher verliere die KAÖ einen Bischof, der die Frohbotschaft glaubhaft verkündet und gelebt habe. "Seine Liebe zu Gott und den Menschen ist in all seinen pastoralen Bemühungen spürbar gewesen", so Schaffelhofer. "Er hat unsere Herzen erreicht und wird in ihnen lebendig bleiben."
Die Katholische Frauenbewegung (kfbö) unterstrich, dass sie mit dem Tod Stechers einen "wachen Begleiter für die Anliegen der Frauen" verloren habe. Stecher war von 1986 bis 1997 auch Referatsbischof für Frauen in der Bischofskonferenz. Er sei "engagierter Anwalt für die Bedeutung und Berufungen von Frauen" gewesen und habe die Frauenbewegung sowohl auf Diözesan- als auch auf Bundesebene unterstützt, etwa bei der Forderung nach dem Diakonat für Frauen. "Seine Hoffnung und Zuversicht für eine den Frauen gerechte Reform der Kirche waren über seine Amtszeit hinaus stets Motivation und Kraftquelle für die Frauen an der Basis", so die Katholische Frauenbewegung.
"Geradlinig und glaubwürdig"
Als "geradlinigen und glaubwürdigen Zeugen des Evangeliums" hat der Südtiroler Bischof Ivo Muser den verstorbenen Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher gewürdigt. Er habe Stecher schon während seiner eigenen Studienzeit in Innsbruck kennen- und angesichts seiner "gehaltvollen und rhetorisch brillanten Predigten" schätzen gelernt, so Muser in einer Presseaussendung am Mittwoch. Bischof Stecher sei stets "tief verbunden mit ganz Tirol" gewesen und habe auch Südtirol gut gekannt und persönlich durchwandert.
Besonders bleibe ihm das Engagement Stechers in der Auseinandersetzungen mit dem Kult um das "Anderl von Rinn" in Erinnerung: "Dabei ging es um die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels unserer Geschichte, wobei Bischof Stecher mit großer Klarheit an diese Aufarbeitung herangetreten ist - auch wenn dies viel Kritik nach sich gezogen hatte."
Evangelische Kirche würdigt Stecher
Bischof Stechers Glaube "hatte die Kraft, Grenzen zu überwinden". Das betonte der evangelische Superintendent Olivier Dantine in einem Kondolenzschreiben an Bischof Manfred Scheuer zum Tod von Altbischof Reinhold Stecher. Die Evangelischen in Tirol seien dankbar für Stechers unermüdlichen Einsatz für die Aussöhnung zwischen den christlichen Kirchen. Sein Wirken habe die Basis für das gute ökumenische Klima gelegt, das die Kirchen heute erlebten, so der Superintendent der evangelisch-lutherischen Diözese Salzburg/Tirol.
"Auch für das uns verbindende Anliegen der Überwindung der christlichen Judenfeindschaft hat sich Bischof Stecher unschätzbare Verdienste erworben", erinnerte Dantine, der das Kondolenzschreiben auch im Namen von Altsuperintendentin Luise Müller und des Superintendenten für Kärnten und Osttirol, Manfred Sauer, übermittelte.
Dantine beschrieb den verstorbenen Altbischof als einen "ganz besonderen Menschen, der mit seiner offenen, fröhlichen und gelassenen Art viele Menschen berührt und beeindruckt" habe.