Kirche und Sozialpartner: EU ist "beispielloses Friedensprojekt"
Die Zuerkennung des Nobelpreises an die Europäische Union bringt Ausgangspunkt und Ziel der europäischen Integration deutlich zum Ausdruck: Europa ist ein beispielloses Friedensprojekt - und dies seit mehr als 60 Jahren. Als solches war es von den "Gründern Europas" geplant, die Wirtschaftsgemeinschaft ist dabei ein Mittel zu diesem Ziel. Die heutigen Generationen betrachten den Frieden vielfach als Selbstverständlichkeit. Aber für viele Beitrittskandidaten in 920) auch die Aufgabe – gerade in Zeiten einer zunehmenden Globalisierung –, seine spezifischen Werte in die Welt von morgen gestaltend einzubringen statt Modelle anderer Kontinente zu kopieren.
Die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise wäre ohne die bereits erzielte europäische Einigung nicht beherrschbar. Die Krise hat freilich auch Schwächen und Fehlentwicklungen im Einigungswerk und den europäischen Institutionen deutlich gemacht, die viele Menschen enttäuschen. Die Notwendigkeit kluger Weiterentwicklung und Korrektur zeigt sich klar. Aber das gemeinsame Haus Europa kann nicht durch Rückzug und Renationalisierung den Stürmen standhalten, sondern nur, wenn wir an den Idealen der Gründungsväter der EU festhalten: dem Prinzip der Solidarität zwischen allen Ländern, Nationen und sozialen Schichten - und dem Prinzip der Subsidiarität in der Gestaltung der Entscheidungen. Diese Bauprinzipien haben das Friedenswerk Europa gelingen lassen, und sie stehen auch im kleinen Österreich seit 1945 für einen erfolgreichen und erprobten Weg, der den friedlichen Interessensausgleich an die Stelle gewaltsamer Auseinandersetzungen gesetzt hat. Solidarität und Subsidiarität schützen vor Nationalismus und Egoismus ebenso wie vor bürgerferner Zentralisierung und Dirigismus.
Diese Besinnung auf die Bauprinzipien Europas ist entscheidend in einer Zeit, in der die Entscheidungsträger in der EU hohe Verantwortung tragen, was den Erhalt des sozialen Friedens betrifft. Gerade jetzt ist der soziale Friede von vielen Seiten bedroht: Arbeitslosigkeit, Armut, soziale Ausgrenzung, wachsende nationalistische Strömungen. Wir bekennen uns zur europäischen Werte- und Lebenskultur, die neben Solidarität auch eine soziale Marktwirtschaft, eine nachhaltig und qualitativ wachsende Wirtschaft mit einer Politik der Standortsicherung und des sozialen Zusammenhalts sowie umfassende Lebensqualität für die Menschen beinhaltet.
Wir treten daher ein für ein Europa, das als soziales, wirtschaftliches und ökologisches Vorbild für die Zukunft der Welt richtungsweisend sein kann; ein Konzept, das konkrete Ergebnisse in Gestalt von mehr Arbeitsplätzen, mehr Lebensqualität, eines leistungsfähigen Bildungssystems und einer besseren Gesundheitsfürsorge zeitigt. In diesem Konzept ist eine Balance zwischen wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu gewährleisten. Je mehr die Europäische Union politisch zusammenwächst, desto bedeutsamer werden die dafür notwendigen gemeinsamen Werte, geistigen Fundamente und Quellen, zu denen auch das Christentum gehört.
Aus diesen Gründen sind wir der gemeinsamen Überzeugung, dass es falsch wäre, Europa den Rücken zuzukehren. Die Interessen der Menschen unseres Landes können am wirksamsten dadurch gewahrt werden, wenn Österreich an den gemeinsamen Bemühungen der EU zur Bewältigung der Krise aktiv teilnimmt. In dieser Situation wollen die Unterzeichner ein deutliches Zeichen der hoffnungsvollen und zugleich entscheidenden Solidarität mit der Europäischen Union setzen.
Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn
Präsident Dr. Christoph Leitl
Präsident Erich Foglar