Kardinal Schönborn setzt auf "Neustart" in der Kirche
Wien, 22.12.2011 (KAP)Kardinal Christoph Schönborn setzt auf einen "Neustart" in der Kirche. In der gegenwärtigen Umbruchssituation von einer Volkskirche hin zu einer Entscheidungskirche überzeugter Christen seien bereits erste Anzeichen einer neuen Gestalt der Kirche wahrnehmbar, so Schönborn im Gespräch mit "Kathpress" und Medien der Erzdiözese Wien. Der Wiener Erzbischof verwies dabei auf den Reformkurs der Erzdiözese, der auch international beachtet werde und von einer missionarischen Grundhaltung geprägt sei. Mit Blick auf die Pfarrer-Initiative stellte der Kardinal erneut fest, dass auch er die aufgeworfenen Probleme sehe, jedoch für andere Lösungswege sei. Angesichts großer Sorgen und Verunsicherungen bei vielen Menschen heute erinnerte der Kardinal an den Kern der Weihnachtsbotschaft, die Hoffnung gebe.
Angesprochen auf Weihnachtserinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend nannte der Kardinal zwei "Blitzlichter": zum einen den Kirchgang durch den knirschenden Schnee zur mitternächtlichen Mette in seinem Vorarlberger Heimatort Schruns; zum anderen das schmerzliche Erleben eines Weihnachtsfestes, bei dem die Spannungen zwischen den Eltern für die Kinder nur allzu deutlich spürbar gewesen seien. Schönborn: "Auch das ist heute für viele Menschen Realität und Teil von Weihnachten."
Trotz aller Sorgen wolle er den Menschen zu Weihnachten aber Mut und Hoffnung machen, so der Kardinal. Auch die Menschwerdung Gottes sei in einer schwierigen Zeit in schwierige soziale Verhältnisse hinein erfolgt. Trotzdem würden diese Probleme von der Botschaft der großen Freude überstrahlt. So wolle er gerade zu Weihnachten den Menschen die Gegenwart Gottes ans Herz legen und sagen: "Es gibt viele Gründe zur Sorge aber es gibt noch viel mehr Gründe zur Hoffnung."
Kreativer Umgang mit realen Problem
Zum innerkirchlichen "Gegenwind" empfahl der Wiener Erzbischof eine "sportliche" Haltung: "Ohne Wind kann man nicht segeln, beim Gegenwind muss man die Segel ein wenig umstellen, dass er kreativ oder beflügelnd wirkt." Schwierigkeiten seien grundsätzlich nicht das Problem, vielmehr gehe es um den richtigen Umgang damit. Er wolle die von kirchlichen Gruppen wie der Pfarrerinitiative angesprochenen pastoralen Probleme nicht leugnen, so Schönborn, diese seien "real". Er sei aber persönlich davon überzeugt, dass die angesprochenen Probleme anders zu lösen seien als dies etwa die Pfarrer-Initiative will. Der Kardinal plädierte erneut für "gangbare Lösungen" im Rahmen der Weltkirche. Man solle auch genau auf das hinschauen, was in den Ortskirche "schon geschieht und was auch getan werden kann".
Gleichzeitig müsse man auch sehen, dass die Pfarrer-Initiative mit ihrem "Aufruf zum Ungehorsam" der katholischen Kirche in Österreich "innerhalb der katholischen Milieus weltweit geschadet" habe. International seien nur die negativen Schlagzeilen hängen geblieben, dass die Kirche in Österreich in der Krise stecke bzw. vor einer Spaltung stehe.
Ermutigende kirchliche Initiativen
Das sei besonders ärgerlich, weil es ja auch einige ermutigende innerkirchliche Initiativen gebe, so der Wiener Erzbischof, etwa den in der Erzdiözese Wien gestarteten Reformprozess. Sowohl der Hirtenbrief als auch der gesamte Reformprozess hätten internationale Beachtung gefunden, besonders auch in Deutschland, so der Kardinal. In drei Projektgruppen werde derzeit gearbeitet. Allem zugrunde liege die Frage, "was bedeutet es heute, Christ zu sein und bei Jesus in die Lebensschule zu gehen?" Die erste Projektgruppe arbeite an diesem Projekt der "Jüngerschule". Zentral bei deren Überlegungen sei eine missionarische Haltung: "Zur eigenen Überzeugung stehen und sie in offener Weise anderen anzubieten ist etwas ganz Selbstverständliches", so Schönborn wörtlich. Mission gehöre zum "Grundauftrag der Kirche".
Die zweite Projektgruppe beschäftige sich mit Strukturfragen, legte Schönborn weiter dar: "Wir haben heute genausoviele Pfarren in Wien bzw. sogar einige mehr als vor 50 Jahren. Zugleich hat sich die Katholikenzahl halbiert. Da ist allen klar, dass es Veränderungen geben muss". Welche, werde derzeit erarbeitet. Die dritte Projektgruppe beschäftige sich schließlich mit Ressourcenfragen. Es gehe darum, wie die begrenzten und zurückgehenden personellen und finanziellen Ressourcen am sinnvollsten eingesetzt werden können, so dass auch Platz für Neues möglich ist. Die Erzdiözese habe dabei einen enormen Vorteil etwa im Vergleich zum Staat, so Schönborn: "Wir sind schuldenfrei."
Schließlich gebe es auch genug konkrete "Hoffnungszeichen" für die Kirche. Als ein Beispiel erwähnte der Kardinal das "Jungfamilientreffen" vom Juli im oststeirischen Pöllau: Hier habe man die "Kirche der Zukunft" spüren können: "Junge Familien, die mit Mut und Zuversicht ihr Ja zu Kindern und zum Glauben leben."
Bedrängte Christen im arabischen Raum
Große Sorge äußerte der Wiener Erzbischof über die Diskriminierung und Verfolgung der Christen in vielen Ländern der Welt, besonders im Nahen Osten. Dieses Problem werde von der Politik - Regierungen wie Internationale Organisationen - erst in jüngster Zeit ernster genommen.
Bisher sei etwa die Wahrnehmung der Situation der Christen im Nahen Osten "sträflich vernachlässigt" worden. Ganz deutlich zeige sich das im Irak. Das Schicksal der dort heimischen Christen sei von den USA und ihren Verbündeten vor Beginn des Irak-Kriegs nicht mitbedacht worden, obwohl etwa Papst Johannes Paul II. eindringlich vor einem Krieg gewarnt hatte. Das Ergebnis sei ein Desaster für die Christen im Land. ein Massenexodus habe eingesetzt und halte an, der Süden des Landes sei bereits "christenfrei". Er hoffe, so Schönborn, dass das Schicksal der Christen in Irak nicht auch jene in Nordafrika, in Syrien oder Jordanien treffen werde. Die Zukunft sei jedenfalls sehr ungewiss.
Ein Faktor, der noch viel zu wenig bedacht werde, sei zugleich die christliche Zuwanderung im Nahen Osten, betonte der Kardinal. So lebe in Saudi-Arabien beispielsweise eine Million Christen, meist philippinische katholische Gastarbeiter. In Israel gebe es Tausende philippinische Gastarbeiterkinder, die kaum ihrer Muttersprache fähig seien, dafür aber gut Hebräisch sprechen. "Wenn diese neu zugezogenen Christen im Nahen Osten sesshaft werden, wird dort etwas ganz Neues entstehen", gab sich der Erzbischof überzeugt.
Auf die kommende Seligsprechung (29. Jänner 2012) der Gründerin der Caritas Socialis, Hildegard Burjan, in Wien angesprochen, sagte der Kardinal, dass dies ein ganz starkes Zeichen für die Katholiken in Österreich sei. Burjan sei Vorbild als Frau, Christin, Parlamentarierin, als Gründerin einer Ordensgemeinschaft und im Einsatz gegen soziale Nöte.