Klasnic-Kommission: 6,4 Mio. Euro für Missbrauchsopfer
Wien, 20.12.2011 (KAP)Rund 6,4 Millionen Euro und insgesamt mehr als 15.000 Therapiestunden hat die Unabhängige Opferschutzkommission Betroffenen von Gewalt und Missbrauch im kirchlichen Bereich zuerkannt. Das hat die Einrichtung am Dienstag in einer Aussendung bekanntgegeben. Insgesamt wurden bisher 1.054 Fälle gemeldet, davon wurden bisher 537 Fälle entschieden, bei 21 gab es einen negativen Beschluss.
Insgesamt ist die Zahl der Meldungen im Vergleich zum Vorjahr rückläufig: Während es 2010 noch 729 Betroffenen-Meldungen gab, waren es heuer 325. Seit 1. Juni dieses Jahres sind die unabhängig gestellten und weisungsfrei arbeitenden kirchlichen Ombudsstellen wieder Erstanlaufstelle für Meldungen. Die Unabhängige Opferschutzkommission unter Waltraud Klasnic ist weiterhin für die Entscheidungen über finanzielle Hilfen zuständig.
Von den insgesamt 1.054 Betroffenen waren 789 männlich und 265 weiblich. Finanzielle Hilfen wurden in allen vier Kategorien (5.000 Euro, 15.000 Euro, 25.000 Euro und mehr als 25.000 Euro) zuerkannt.
Kommissionsmitglied Brigitte Bierlein erklärte im Interview mit dem "Ö1-Morgenjournal" am Dienstag, die Vorfälle seien großteils in den 60er und 70er Jahren geschehen. Die Zahlungen an Opfer in Österreich orientieren sich an der Judikatur des Obersten Gerichtshofs, seien dabei im "oberen Bereich" angesiedelt und auch im mitteleuropäischen Vergleich hoch. So gebe es beispielsweise in Deutschland Zahlungen bis 5.000 Euro.
In Österreich würde auch bei Gewaltformen gezahlt, die in früheren Zeiten gängig gewesen, aber aus heutiger Sicht völlig abzulehnen seien, wie z. B. Ziehen an den Haaren oder Einsperren im Keller. Hingegen werde z. B. nicht gezahlt, wenn ein Gericht den Fall bereits geprüft und eingestellt hat, "weil wir uns nicht über ein rechtsstaatliches Verfahren hinwegsetzen", erklärte die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs im "Ö1"-Interview.
Bierlein berichtete auch, dass nicht alle Opfer zufrieden seien, weil das nötige Abklärungsverfahren beim Psychologen manchmal länger dauere. Trotzdem überwiegten die positiven Rückmeldungen, so das Kommissionsmitglied.
Schipka: "Gesamtsumme noch nicht absehbar"
Die Kommissionsvorsitzende, Waltraud Klasnic, ergänzte im "Ö1"-Interview, dass die Kirche bis jetzt alle finanziellen Entscheidungen der Unabhängigen Opferschutzkommission akzeptiert habe.
Dies bestätigte Peter Schipka, Generalsekretär der Bischofskonferenz, am Dienstag gegenüber "Kathpress": Die Unabhängige Opferschutzkommission habe selbstständig über die Zuerkennung von finanzieller Hilfen entschieden. Aufgrund dieser Empfehlungen zahle die von der Bischofskonferenz errichtete kirchliche "Stiftung Opferschutz" an die konkrete Person direkt aus. "Bei den Zahlungen handelt es sich um freiwillige Hilfeleistungen der Kirche", hob Schipka hervor. Dies zeige sich u. a. darin, dass es "bei der Zuerkennung der finanziellen Hilfe unerheblich ist, ob die Tat im rechtlichen Sinn verjährt ist oder nicht".
Die von der Klasnic-Kommission am Dienstag veröffentlichte Summe der bewilligten Hilfszahlungen sei ein Zwischenstand. "Über die Gesamtsumme der finanziellen Hilfeleistungen kann zum jetzigen Zeitpunkt keine genauen Angaben gemacht werden, weil dafür die Anzahl und die jeweilige Schwere der Fälle ausschlaggebend ist und beides noch nicht bekannt ist", sagte Schipka. "Klar ist, dass die Stiftung die erforderlichen Mittel zur Verfügung haben wird; für die Stiftung gibt es keine finanzielle Unter- oder Obergrenze."
Das benötige Geld für die Stiftung kommt laut Schipka nach dem "Verursacherprinzip" sowohl von den betroffenen Diözesen als auch von den Männer- und Frauenorden. Das Geld stamme nicht aus Mitteln des Kirchenbeitrags und "wird buchhalterisch auch separat verwaltet", betonte der Generalsekretär gegenüber "Kathpress". "Die Kirche wird dafür z. B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Verkäufen von Liegenschaften verwenden."
Zwischen- und Gesamtbericht
Die Opferschutzanwaltschaft und die -kommission gehen davon aus, dass sie den Großteil der Fallentscheidungen bis Jahresende 2012 abschließen können. Näheres dazu solle bei einem Zwischenbericht anlässlich des 2. Jahrestags des Bestehens der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft im April kommenden Jahres mitgeteilt werden, hieß es in der Aussendung am Dienstag. Jedenfalls werde es einen Gesamtbericht mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen geben, teilten die Einrichtungen mit.