Neues Jesus-Buch von Benedikt XVI. erschienen
Vatikanstadt (KAP 10.3.2011)Ab heute ist der lang erwartete zweite Band des Buches "Jesus von Nazareth" von Papst Benedikt XVI. im Buchhandel erhältlich. Nach dem im April 2007 erschienenen ersten Band behandelt das jetzige Buch die Zeitspanne "Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung", wie es im Untertitel heißt. Es sei seine Grundabsicht, schreibt Benedikt XVI. im Vorwort, mit dem Buch "die Gestalt Jesu, sein Wort und sein Tun zu verstehen" und damit all jenen eine "Annäherung an die Gestalt unseres Herrn" zu ermöglichen, "die Jesus begegnen und an ihn glauben wollen".
Offiziell präsentiert wird das Werk am Nachmittag im Vatikan durch den kanadischen Kurienkardinal Marc Ouellet sowie durch den Übersetzer Claudio Magris. In Italien wird der Band mit einer Auflage von 400.000 Stück von der Vatikanischen Verlagsbuchhandlung LEV herausgegeben, im deutschsprachigen Raum erscheint es im Freiburger "Herder"-Verlag. Die Startauflage in sechs Sprachen bewegt sich laut "Herder" im sechsstelligen Bereich. Auf dem deutschsprachigen Markt erscheint das Buch mit einer Auflage von zunächst 150.000 Stück. Der Vorgänger-Band hatte sich laut Verlagsangaben mehr als 500.000 Mal verkauft.
Für Aufsehen hatten vom Vatikan bereits vorab veröffentlichte Passagen gesorgt, in denen Benedikt XVI. u.a. pointiert die Fragen nach der Datierung des Letzten Abendmahls, der Figur des Verräters Judas sowie den Prozess Jesu vor Pilatus behandelt. Ein positives Echo fanden insbesondere jene Passagen, in denen der Papst die These von der Kollektivschuld der Juden am Tod Jesu deutlich zurückweist.
Historische oder "kanonische" Bibelauslegung?
Wie bereits im ersten Band, so verfolgt Benedikt XVI. auch in seinem neuen Werk eine besondere - nicht unumstrittene - Form der Bibelauslegung: die sogenannte "kanonische Exegese". Im Gegensatz zu einer rein historisch-kritischen Auslegung, die den historischen Jesus vom Jesus der Verkündigung zu trennen versucht, verfolgt diese Form der Exegese die Zusammenschau der zum Teil stark voneinander abweichenden Evangelientexte. Ziel sei es, durch sein Buch den historischen Jesus als den Jesus der Evangelien sichtbar zu machen, formulierte es Benedikt XVI. im ersten Band 2007.
Kritiker hatten danach eingewendet, der Papst harmonisiere somit das Jesusbild und glätte bestehende Ungereimtheiten und Bruchstellen der historischen Überlieferung. Anstoß genommen haben Kritiker auch an einer Favorisierung des Johannes-Evangeliums als theologischem Leitfaden.
Auch im neuen Buch hält Benedikt XVI. an dieser Methode fest, wenn er schreibt, dass der "historische Jesus", wie er "im Hauptstrom der kritischen Exegese" aufscheint, "inhaltlich zu dürftig" sei, "als dass von ihm große geschichtliche Wirkungen hätten ausgehen können". Die historisch-kritische Methode müsse sich - so der Papst in Richtung seiner exegetischen Kritiker - ihrer eigenen Grenzen bewusst sein und sich "zu einem methodischen Ganzen verbinden" lassen. Dies sei eine "immer neu zu bewältigende Aufgabe".
Ökumenischer "Paarlauf"
Weiters bringt Benedikt XVI. im Vorwort seine Hoffnung zum Ausdruck, dass das Buch auch als ökumenisches Zeichen verstanden werde: So sieht er im Jesus-Buch des evangelischen Theologen Joachim Ringleben einen "ökumenischen Bruder". Trotz bleibender Unterschiede zeige sich "die tiefe Einheit im wesentlichen Verständnis der Person Jesu und seiner Botschaft", so dass er hoffe, dass beide Bücher als "ein ökumenisches Zeugnis" begriffen werden, "das in dieser Stunde auf seine Weise dem grundlegenden gemeinsamen Auftrag der Christen dient".
Der Papst beendet den Band schließlich mit einem Ausblick auf die geschichtliche Bedeutung der Auferstehung Jesu. Diese beschreibt er als "Mutationssprung", in dem sich "eine neue Dimension des Lebens, des Menschseins auftut". In der damit verbundenen umstrittenen theologischen Frage nach dem "Schon" und dem "Noch nicht" der Erlösung wählt Benedikt XVI. eine vermittelnde Position: "Die Christen rufen nach dem endgültigen Kommen Jesu, und sie erleben zugleich mit Freude und Dank, dass er dieses sein Kommen jetzt schon vorwegnimmt und jetzt schon mitten unter uns hereintritt."
Österreich-Bezug
Schließlich wird auch im nun vorliegenden zweiten Band erneut ein enger Österreich-Bezug Benedikts XVI. deutlich: So betont er, dass er mit seinem Buch keine dezidierte "Christologie" (dogmatische Lehre von Jesus als Christus) schreiben wollte - im deutschen Sprachraum gebe es bereits "eine Reihe bedeutender Christologien", etwa jene von Wolfhart Pannenberg, von Walter Kasper und von Kardinal Christoph Schönborn. Schönborn hatte im Jahr 2007 den ersten Band des Jesus-Buches offiziell präsentiert und gilt als prominentester Schüler Joseph Ratzingers.