Kardinal Schönborn seit 15 Jahren Erzbischof von Wien
Wien, 13.09.2010 (KAP) Vor 15 Jahren, am 14. September 1995, hat Christoph Schönborn sein Amt als Erzbischof von Wien angetreten. Schönborn, der bereits am 13. April 1995 zum Erzbischof-Koadjutor ernannt worden war, übernahm die Leitung der Erzdiözese in einer für die Kirche in Österreich äußerst schwierigen Situation. Er folgte Kardinal Hans Hermann Groer nach, dessen Rücktrittsgesuch zuvor von Papst Johannes Paul II. zum 14. September angenommen worden war.
An seinem ersten Tag als Erzbischof nahm Schönborn erste wichtige Personalentscheidungen vor und ernannte den damaligen Wiener Caritas-Direktor Helmut Schüller zum Generalvikar. Den Festgottesdienst zur Amtsübernahme feierte der neue Erzbischof zwei Wochen später am 1. Oktober im Stephansdom, dem Fest der "kleinen" Heiligen Theresia von Lisieux.
Option für missionarische Kirche
Das Pastoralkonzept des Wiener Erzbischofs ist stark davon geprägt, dass die Kirche wieder missionarisch sein muss und sie in der Öffentlichkeit für das Evangelium Zeugnis abzulegen hat. Nach nicht einfachen ersten Jahren als Wiener Erzbischof wurde sein missionarische Ansatz auf verschiedene Weise immer deutlicher in der Erzdiözese aufgegriffen. Gemeinsam mit den Erzbischöfen von Paris, Brüssel, Lissabon und Budapest entwickelte Kardinal Schönborn das Konzept der "Stadtmission".
Auch die laufende Initiative "Apostelgeschichte 2010", die von drei diözesanen Delegiertenversammlungen im Stephansdom geprägt ist, hat diese missionarische Ausrichtung; vor allem sollen die engagierten Katholiken befähigt werden, mit den suchenden Menschen von heute in ein Gespräch über den Glauben, über "Gott und die Welt", einzutreten.
Schönborn zeigt sich von der Bedeutung der Pfarrgemeinden für das Leben der Kirche auch in der Zukunft überzeugt; nahezu an jedem Wochenende ist der Kardinal in einer Pfarrgemeinde seiner Diözese zu Gast. Die Pfarrgemeinden bilden für Kardinal Schönborn gerade in "Zeiten der dreifachen Krise" (in Wirtschaft, Umwelt und Moral) das wichtigste Solidarnetz. Zugleich sieht er in den neuen geistlichen Bewegungen ("movimenti") einen wichtigen Impuls für das Leben der Kirche.
Dabei verschließt der Wiener Erzbischof nicht die Augen vor den schwierigen Herausforderungen für die Seelsorge wie dem Priestermangel und der Situation der wiederverheirateten Geschiedenen. Aber er ist in diesen Fragen kein Freund der vorschnellen "einfachen Lösungen" in die eine oder die andere Richtung, wie er auch beim ersten österreichweiten Kongress der Pfarrgemeinderäte heuer in Mariazell deutlich machte.
In seiner Haltung wird auch deutlich, dass er aus der Erfahrung in seiner eigenen Herkunftsfamilie weiß, was es für Eltern und Kinder heißt, wenn eine Ehe aufgrund einer Scheidung zerbricht. Die Worte des Kardinals bei der Trauermesse für Bundespräsident Thomas Klestil am 10. Juli 2004 im Stephansdom fanden große Beachtung: "Es fällt auch der Kirche nicht leicht, den Weg zwischen dem unbedingt notwendigen Schutz für Ehe und Familie einerseits und der ebenso notwendigen Barmherzigkeit mit dem menschlichen Scheitern und Neubeginnen anderseits zu finden."
"Kein Christ kann Antisemit sein"
Kardinal Schönborn erinnert die Katholiken auch immer wieder an ihre jüdischen Wurzeln. "Wir können Jesus nicht am Judentum vorbei oder gar gegen das Judentum finden", sagte der Wiener Erzbischof bei seiner Katechese im Stephansdom am 10. Jänner und unterstrich zugleich die Bedeutung des Konzilsdokuments "Nostra Aetate", das endgültig Schluss mit der Judenfeindschaft gemacht habe.
Die "Reinigung des Gedächtnisses" im Hinblick auf die österreichische Geschichte brachte Kardinal Schönborn u.a. auf der von ihm veranlassten neuen Gedenktafel auf dem Wiener Judenplatz zum Ausdruck, aber auch bei der öffentlichen Lesung der Neuauflage des Buches "Antwort an Hitler" von Irene Harand am 12. März 2005 auf dem Wiener Stephansplatz. Im Vorwort der Neuauflage hielt Kardinal Schönborn einmal mehr fest, dass kein Christ Antisemit sein kann.
Dialog mit dem Islam
Der Wiener Erzbischof bemüht sich auch um ein gutes Verhältnis zum Islam, was sich etwa bei seiner Reise in den Iran 2002 zeigte. Hintergrund dafür ist ein konsequentes Bekenntnis zur Religionsfreiheit für Muslime in Europa und für Christen in islamisch dominierten Ländern, aber auch die Überzeugung, dass die Bekenner unterschiedlicher Religionen in der globalisierten Welt zum Miteinander verpflichtet sind. Wie in anderen Bereichen lässt sich der Kardinal auch im Hinblick auf das Gespräch mit dem Islam von einem großen Vordenker aus seinem Orden inspirieren, dem ägyptischen Dominikaner P. Georges Anawati (1905-1994), einer Schlüsselgestalt des christlich-islamischen Dialogs.
Ein weiterer Akzent seiner Amtsführung ist die starke Betonung der Dimension "Weltkirche". So besuchte der Wiener Erzbischof 1998 das Wiener Partner-Vikariat Daule in Ecuador, wo eine Gruppe von Priestern und kirchlichen Mitarbeitern aus der Erzdiözese Wien tätig ist. Im Februar 2000 ließ er sich weder durch die politischen Troubles in Österreich noch durch die örtlichen Unruhen davon abhalten, in das krisengeschüttelte Nigeria zu reisen. Auch im Sommer des Jahres 2002 war Kardinal Schönborn wieder in Afrika, um mehrere Diözesen in Zambia zu besuchen. Auf Einladung des Apostolischen Nuntius in Jakarta war der Wiener Erzbischof Ende Dezember 2004 in Indonesien - gerade in jenem Augenblick, als der Raum des Indischen Ozeans von der Tsunami-Katastrophe heimgesucht wurde.
Die Österreich-Besuche der Päpste Johannes Paul II. (1998) und Benedikt XVI. (2007) bedeuteten Höhepunkte der bisherigen Amtszeit Kardinal Schönborns. Im Juni 1998 war die Seligsprechung der Märtyrerin Sr. Restituta Kafka, von P. Anton Maria Schwarz und Jakob Kern bei der großen Messe auf dem Heldenplatz der zentrale Augenblick, im September 2007 stand Mariazell als "spirituelle Hauptstadt Österreichs" im Mittelpunkt.
Kardinal Schönborn ist in der katholischen Weltkirche "zu Hause"; in erster Linie aber ist er - und das "mit Leidenschaft" - Erzbischof von Wien, betont dazu sein Pressesprecher, Prof. Erich Leitenberger.
Mitteleuropäische Wurzeln
Christoph Schönborn wurde am 22. Jänner 1945 im böhmischen Skalken (Skalka) geboren. Noch im selben Jahr musste die Familie nach Österreich flüchten, obwohl Schönborns Vater sich von der deutschen Wehrmacht getrennt hatte und der britischen Armee als Dolmetscher angehörte. Seine Kindheit verbrachte Christoph Schönborn in Schruns in Vorarlberg. Nach der Matura 1963 trat er im westfälischen Warburg in den Dominikanerorden ein. Er studierte Theologie und Philosophie in Walberberg bei Bonn, in Wien und Paris. Am 27. Dezember 1970 wurde er von Kardinal Franz König in Wien zum Priester geweiht.
1971/72 absolvierte Schönborn ein Doktoratsstudium am Institut Catholique in Paris, 1972/73 ein Studienjahr in Regensburg, wo der heutige Papst Benedikt XVI. sein Lehrer war. Seit damals gehört Schönborn dem "Schülerkreis" von Joseph Ratzinger an; dieser Schülerkreis trifft einmal im Jahr zusammen, seit der Wahl Ratzingers zum Papst jeweils in Castel Gandolfo.
Von Kirchenvätern inspiriert
1974 erwarb Schönborn am Institut Catholique in Paris den Doktorgrad mit einer Dissertation über das Thema "L'Icone du Christ", einer ersten Frucht seiner profunden ostkirchlichen Studien. Die Inspiration seines theologischen Denkens durch die Theologie der Kirchenväter des ersten Jahrtausends hat dem Wiener Erzbischof hohe Achtung im Bereich der orthodoxen Kirchen eingebracht. Der Kardinal konnte - auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung "Pro Oriente" - die Rolle Wiens für den ökumenischen Dialog mit Konstantinopel, Bukarest und Moskau stärken. Seine Besuche bei den orthodoxen Patriarchen dieser Städte fanden ein sehr positives Echo.
Ab 1975 lehrte Christoph Schönborn - zunächst als Gastprofessor und später als Ordinarius - Dogmatik an der Katholischen Universität Fribourg (Schweiz) und betreute auch einen Lehrauftrag für die Theologie des christlichen Ostens. Der Wiener Erzbischof ist Autor zahlreicher wissenschaftlich-theologischer, aber auch populärer Werke. Charakteristisch für den Kardinal ist bis heute, dass er gern schreibt, nicht am PC, sondern mit der Füllfeder in gestochen schöner Handschrift - u. a. auch Kolumnen für zwei populäre Wiener Tageszeitungen (einen Evangelienkommentar am Sonn- und Feiertag, eine aktuelle Kolumne am Freitag).
1980 wurde er Mitglied der Internationalen Theologenkommission des Heiligen Stuhls, 1987 Redaktionssekretär des "Weltkatechismus". In dieser Funktion lernte Schönborn viele Repräsentanten der Weltkirche aus unterschiedlichen Sprachgebieten kennen; es entstanden Verbindungen, die bis heute andauern. Sein Sprachentalent - von der perfekten Zweisprachigkeit deutsch/französisch bis zu slawischen Sprachkenntnissen - ist für den Wiener Erzbischof eine wichtige Hilfe bei der Erfüllung weltkirchlicher Aufgaben, auch im Sinn der von seinem Vorvorgänger, Kardinal Franz König, betonten Berufung der Erzdiözese Wien als "Ort der Begegnung" im Herzen des europäischen Kontinents.
Bischofsweihe 1991
1991 wurde Christoph Schönborn zum Weihbischof für die Erzdiözese Wien ernannt. Seine Bischofsweihe am 29. September 1991 im Wiener Stephansdom gestaltete sich nach den Jahren der innerkirchlichen "Turbulenzen" wieder zu einem "Fest der Diözese".
1993 wählte die Österreichische Bischofskonferenz den neuen Weihbischof zu ihrem Europa-Referenten. Das Thema Europa ist für den Wiener Erzbischof bis heute von zentraler Bedeutung; auch der Mitteleuropäische Katholikentag, der im Mai 2004 mit einer großen "Wallfahrt der Völker" in Mariazell seinen Höhepunkt fand, war wesentlich seiner Initiative zu verdanken. Seine Vorstellung von Europa ist differenziert. Europa müsse sich seiner christlichen Wurzeln bewusst bleiben, aber es sei auch klar, dass das Christentum für viele ein Fremdkörper in einer durch Vernunft, Aufklärung und Demokratie bestimmten Welt sei. "Europa wird seine geschichtliche Rolle nur erfüllen können, wenn es sich den 'Fremdkörper Christentum' als Teil seiner Identität erhält", so der Kardinal.
Am 13. April 1995 wurde Schönborn von Johannes Paul II. unter dramatischen Umständen (es war das Jahr der "Causa Groer") zum Erzbischof-Koadjutor von Wien ernannt, am 14. September 1995 zum Erzbischof von Wien. Am 29. Juni 1996 wurde ihm das Zeichen des Erzbischofs, das Pallium, übergeben. Am 21. Februar 1998 wurde der Wiener Erzbischof zum Kardinal erhoben. Seine Titelkirche ist "Gesu Divin Lavoratore" in den südlichen Vorstädten Roms, eine Pfarre mit einer besonders intensiven Seelsorge. Im selben Jahr 1998 übernahm Schönborn auch den Vorsitz der Österreichischen Bischofskonferenz, den er seither innehat. Sein Handling der im Frühjahr dieses Jahres ausgebrochenen Missbrauchs-Krise hat in Österreich und weit darüber hinaus große Beachtung und Anerkennung gefunden.