Bischof Kapellari betont christliche Wurzeln der europäischen Kultur
Klagenfurt (KAP, 27.07.2010) Die vielfältigen Verflechtungen von Kultur, Kunst und Kirche in Europa hat der Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari betont. Bei allen Konflikten die zwischen Kunst, Kultur und Kirche bis heute zuweilen auftreten, dürfe man jedoch nicht aus dem Auge verlieren, dass Kirchengeschichte immer auch Kunst- und Kulturgeschichte war und die europäische Kultur "dem Christentum außerordentliche viel zu verdanken" habe. Gerade Österreich könne da als Beispiel einer "geglückten Wechselbeziehung von Kirche und Kunst" dienen. Kapellari referierte im Rahmen der Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes Österreichs (KAVÖ) am Donnerstag im Bildungshaus Tainach/Tinje (Kärnten) zum Thema "Kunst und Religion - Vom Verhältnis des Christen zur Kunst".
In sechs Reflexionsgängen arbeitete Bischof Kapellari heraus, welchen hohen bleibenden Stellenwert die Kunst aus kirchlicher wie aus theologischer Sicht besitzt, er zeigte aber auch deutlich ihre Grenzen auf. Eine "Dissoziation", d.h. ein markanter Bruch zwischen dem bis dahin geltenden Gleichklang von Kirche und Kunst, reiche laut Kapellari rund 200 Jahre zurück. Seither seien "viele Brücken zwischen Kirche und Kunst abgebrochen oder wenig begangen worden". Gerade die künstlerische Auseinandersetzung mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts habe oftmals das Schöne, dass bis dahin den Konnex zur Religion darstellte, in der Kunst zurückgestellt und zum "Aschenbrödel der Moderne" werden lassen, so Kapellari.
Dass eine solche "Dissoziation ... nie endgültig" sein könne, liegt indes für Kapellari in der Natur der Sache: So beziehen sowohl Kunst als Kirche ihre grundlegenden Impulse aus den "großen Themen des Menschseins" wie "Leben und Tod, Glück und tragische Vergeblichkeit, Frieden und Krieg, Schönheit und Schrecken". Die Kirche brauche dabei die Kunst, so Kapellari unter Verweis auf eine Ansprache Johannes Pauls II. 1983 in der Wiener Hofburg, "um mehr und Tieferes über die 'Conditio humana', über Glanz und Elend des Menschen zu erfahren".
Neuer Dialog zwischen Kunst und Kirche
Diese Verwiesenheit spreche bereits aus dem vielfältigen theologischen Ringen mit dem alttestamentlichen Bilderverbot, das immer wieder zur Korrektur und Kritik auch der religiösen Bildnisse etwa von Jesus Christus herausfordere. Wie Bildlosigkeit auf der einen Seite als "Ausdruck der Reinheit des Glaubens" gelten könne, so könne sie ebenso auch zu "Verarmung und Verlust des Glaubens beitragen", unterstrich Kapellari.
Zugleich verwies der Bischof auf die Chance zu einem erneuerten Dialog zwischen Kunst und Kirche, die sich daraus ergebe: "Die Herausforderung durch die großen Themen wird Kunst und Religion auch immer wieder zu Gesprächen zusammenführen und wohl auch kirchliche Aufträge an Künstler veranlassen." In Österreich sei dieser Dialog bislang nur in Ansätzen gepflegt worden, so Kapellari unter Verweis etwa auf den 1973 verstorbenen Wiener Priester und Kunstmäzen Msgr. Otto Mauer, sowie auf den Linzer Priester Günter Rombold und das Kulturzentrum der Grazer Minoriten.
Deutlich strich Kapellari - erneut unter Verweis auf Otto Mauer - auch die Grenzen dessen hervor, was Kunst dürfe und was nicht, so etwa, wenn es sich um "menschenverachtende, rassendiskriminierende, antisemitische" Kunst handle.
In einem Exkurs verwies Bischof Kapellari in diesem Zusammenhang auf das "politische Erdbeben", das die Mohammed-Karikaturen eines dänischen Zeichners vor vier Jahren ausgelöst hatten. Wenn auch Gewalt gewiss keine legitime Antwort auf die Verletzung religiöser Gefühle sein könne, so müsse man sich als Christ dennoch fragen lassen, wie man auf Verunglimpfungen zentraler christlicher Gegenstände wie etwa des Kreuzes oder der Person Jesu Christi in der Kunst reagiere.
Dabei gehe es nicht in erster Linie um eine "Verteidigung" des Glaubens, so Kapellari, sondern "um die Bewahrung oder Wiedergewinnung eines für eine Hochkultur nicht verzichtbaren ethischen Standards", da das Schöne und das Gute eng miteinander verbunden seien. Ethik und Ästhetik seien in der Kirche laut Kapellari "so etwas wie kommunizierende Gefäße".
Kunst als Heilmittel für die Liturgie
Schließlich verwies Kapellari auf einen zentralen innerkirchlichen Ort der Auseinandersetzung mit Kunst: die Liturgie. So könne die Kunst "besonders der Liturgie helfen, ihre Heiligkeit, ihre mystische Tiefe zu erhalten oder wieder zu gewinnen". Auch könne sie helfen, "Banalität aus dem Gottesdienst zu vertreiben".
Tatsächlich gebe es heute "viel Banalität durch einen inkompetenten Umgang mit Wort, Raum, Altar, liturgischem Kleid und Gebärde" in der Liturgie, so der Bischof weiter. Hier könne man von der Strenge der Kunst lernen, so der Appell Kapellaris an die theologischen Fakultäten, Priesterseminare, Klöster und kirchlichen Bildungshäuser als "qualifizierte Orte für Diagnose wie Therapie". Wie die Kunst, so stelle auch die Liturgie einen "Ort der Selbstüberschreitung" auf Gott und den Mitmenschen hin dar.
Die KAV-Sommertagung im Bildungshaus Tainach/Tinje dauert noch bis 31. Juli. Sie ist der Frage gewidmet: "Was kann die Kunst über Gott sagen?" Neben Bischof Kapellari referieren in Tainach der Künstlerseelsorger P. Gustav Schörghofer SJ ("Wie sieht Gott aus? Das Kunstwerk als Zumutung für den Betrachter"), die Lektorin und Lehrerin Barbara Mayrhofer-Diaw ("Das Bild im Islam - Eine kunst- und kulturgeschichtliche Auseinandersetzung mit einer religiösgesellschaftlichen Bildpraxis") und der Künstler und Kunsthistoriker Karl Hartwig Kaltner ("Wie das Bild in die Kirche kam Der Beitrag der Kunst zum Entstehen des abendländischen Gottesbildes").