Waltraud Klasnic beginnt Tätigkeit als Unabhängige Opferanwältin
Wien (KAP) Kardinal Christoph Schönborn ist am Donnerstagmittag mit der neu bestellten Unabhängigen Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic zu einem ersten Planungsgespräch zusammengekommen. "Unsere gemeinsame Sorge gilt den Opfern", sagten Kardinal Schönborn und Waltraud Klasnic übereinstimmend bei einem anschließenden Pressegespräch im Wiener Erzbischöflichen Palais. Klasnic wird in der Zusammensetzung ihres Teams und in der Gestaltung der Arbeitsweise völlig selbstständig sein und führt ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Kardinal Schönborn: "Die Wunden der Opfer können nur geheilt werden, wenn Wahrheit und Gerechtigkeit oberste Prinzipien sind, wenn nichts vertuscht oder schöngeredet wird."
In ihrer Tätigkeit als Opferschutzanwältin wird Klasnic drei Ziele verfolgen: Sie wolle eine "niederschwellige" Anlaufstelle für Opfer sein, Fragen der Zuwendungen für Therapien und Entschädigungen regeln und die Kontakte zu allen Einrichtungen pflegen, die sich um Aufklärung und Vorbeugung bemühen, hieß es bei dem Pressegespräch.
Klasnic kündigte an, dass sie bis Ende April ihr Team und die genaue Arbeitsweise präsentieren wird. Dabei unterstrich sie, dass ihr von Kardinal Schönborn "völlige Unabhängigkeit" zugesagt wurde, was "unabdingbare Voraussetzung für eine glaubwürdige und vertrauensvolle Tätigkeit" sei. Es gehe darum, Opfern Hilfestellung zu geben und "mitzuwirken, dass sehr Leidvolles aus der Vergangenheit ehrlich aufgearbeitet wird und Lehren für das Heute und Morgen gezogen werden". Kardinal Schönborn dankte seinerseits der früheren steirischen Landeschefin für ihre Bereitschaft, sich für die Opfer einzusetzen.
Die Unabhängige Opferschutzanwältin ist erreichbar unter der E-Mail-Adresse opferschutz@gmx.at bzw. per Telefon unter 0664/98.07.817.
Der Wiener Erzbischof verwies bei dem Pressegespräch noch einmal auf das Schuldbekenntnis, das er gemeinsam mit der katholischen Theologin Veronika Prüller-Jagenteufel am Mittwochabend beim Klage- und Bußgottesdienst im Wiener Stephansdom gesprochen hatte. Dieser Text orientiert sich an dem von dem evangelischen Theologen und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer formulierten "Schuldbekenntnis" der Kirchen für ihre Verstrickungen in der NS-Zeit. Kardinal Schönborn zitierte aus dem Text: "Wir sind bereit, unsere Verantwortung für Geschichte und Gegenwart anzunehmen, einzeln und gemeinsam; wir sind bereit, unsere Denk- und Handlungsmuster aus dem Geist Jesu zu erneuern und an der Heilung der Wunden mitzuwirken."
Orden: Volle Zusammenarbeit mit Ombudsstellen
Bereits am Donnerstagvormittag hatten die Vorsitzenden der Vereinigung der Österreichischen Frauenorden und der Österreichischen Superiorenkonferenz der Männerorden die Bestellung Klasnics begrüßt. Die Sorge um die Opfer von sexuellem Missbrauch müsse an erster Stelle stehen, hieß es in einer u.a. von Propst Maximilian Fürnsinn als Vorsitzendem der Superiorenkonferenz und der Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden, Sr. Kunigunde Fürst, unterzeichneten Erklärung. Waltraud Klasnic habe als Vorsitzende des Dachverbands "Hospiz Österreich" unter Beweis gestellt, "dass sie ein Herz für leidende Menschen hat".
Die Ordensoberen schlossen sich der Feststellung der österreichischen Bischöfe an, dass "leider in der Vergangenheit zu Unrecht in der Kirche die Täter oft mehr geschützt wurden als die Opfer". Nur Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit könnten dazu beitragen, erlittene Wunden zu heilen. Klasnics Bestellung sei "eine zusätzliche Garantie, dass diese Haltung den Umgang mit den Opfern von sexuellem Missbrauch und Gewaltpädagogik im kirchlichen Raum prägt".
Zugleich erneuerten die Ordensoberen in ihrer Erklärung noch einmal ihre Entschlossenheit, bei der Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe "voll und ganz" mit den Ombudsstellen der Diözesen zusammenzuarbeiten. Demnächst fänden in den einzelnen Diözesen Arbeitsgespräche der Ordensgemeinschaften mit Therapeuten, Juristen und Leitern von Ombudsstellen statt, um die vorbeugenden Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch zu verbessern. Klöster und Ordenseinrichtungen müssten für Kinder und Jugendliche ein Raum der Sicherheit und des Vertrauens sein, in dem die Menschenfreundlichkeit Gottes erlebbar werde, hieß es.
Keine Kirchenbeitragsmittel verwendet
Kardinal Schönborn bekräftigte bei dem Pressegespräch einmal mehr, dass für die Finanzierung der Arbeit und Vorschläge der Opferschutzanwältin und ihres Teams zwar die Kirche aufkomme, dafür aber keine Kirchenbeitragsmittel verwendet würden. Wenn es von Seiten der Opferschutzanwältin Vorschläge für Therapiezahlungen oder Entschädigungen gibt, werde man von Seiten der Kirche diese für bindend erachten.
Wie lange die neue Anwältin und ihr Team im Amt sein werden, konnten weder Schönborn noch Klasnic abschätzen. Nun sei es erst einmal wichtig, einen guten Anfang zu setzen, der irgendwann einmal auch zu einem guten Ende führen werde, so Klasnic.
Auf Anfrage nahm Kardinal Schönborn auch nochmals zu den Vertuschungsvorwürfen gegen Papst Benedikt XVI. Stellung. Er kenne den Papst seit 37 Jahren persönlich und versichere, dass sich dieser als Kardinal und Leiter der Glaubenskongregation immer für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen eingesetzt habe.