Bischöfe setzen Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch
Wien, 5.3.10 (KAP) Österreichs Bischöfe wollen mit zusätzlichen Maßnahmen einen noch wirksameren Umgang der kirchlichen Verantwortungsträger mit Fällen von sexuellem Missbrauch sicherstellen. Bei ihrer Frühlingsvollversammlung in St. Pölten wurde von der Bischofskonferenz daher eine österreichweite innerkirchliche Regelung in Auftrag gegeben, wird in einer am Freitag veröffentlichten Presseerklärung mitgeteilt.
Als verbindliche Verhaltensregel bei Missbrauchsfällen halten die Bischöfe fest: "Entscheidend ist der klare und konsequente Umgang der kirchlichen Verantwortungsträger mit konkreten Verdachtsfällen und Vorwürfen. Die Sorge um die Opfer muss an erster Stelle stehen. Entsprechende Konsequenzen für die Täter sind zu ziehen." Die Bischöfe haben die Erarbeitung von österreichweit gültigen detaillierten Standards dazu in Auftrag gegeben.
Basis für die österreichweite Regelung sollen bereits bestehende Richtlinien sein, wobei die in der Erzdiözese Wien geltenden Bestimmungen Vorbildcharakter hätten. Die Bischöfe verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass die Diözesen in den vergangenen 15 Jahren eine Reihe von Maßnahmen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch getroffen hätten. In allen Diözesen bestünden Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche.
Verbessert werden müsse allerdings noch die österreichweite Vernetzung und Zusammenarbeit der diözesanen Ombudsstellen. Auch die Männer- und Frauenorden in Österreich sollen in die Arbeit der diözesanen Ombudsstellen offiziell eingebunden werden.
Zur Förderung von Bewusstseinsbildung und Prävention zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs soll es weiters vor allem eine verstärkte Aus- und Fortbildung der kirchlichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter geben. Um all diese Maßnahmen rasch und effektiv umsetzen zu können, hat die Bischofskonferenz eine Projektgruppe eingesetzt, die bis zur Sommervollversammlung der Bischofskonferenz im Juni ein detailliertes Gesamtkonzept auszuarbeiten hat.
Fehlverhalten eingeräumt
Die Bischöfe räumen ein, dass in der Kirche in der Vergangenheit zu Unrecht die Täter oft mehr geschützt worden seien als die Opfer. Wörtlich heißt es dazu in der Erklärung: "Mit Scham und Trauer stellen die Bischöfe fest, dass sich erst in den letzten Jahren in der Kirche in Österreich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei Missbrauchsvorwürfen nichts anderes zählt als die Wahrheit, die allein frei macht."
Nur Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit würden dazu beitragen, erlittene Wunden zu heilen, so die Bischöfe, die alle einladen, die Missbrauch erlitten haben, sich an die Ombudsstellen der einzelnen Diözesen zu wenden. Dort würden sie einen geschützten und vertraulichen Rahmen für das Gespräch vorfinden. Ebenso fordern die Bischöfe die Täter auf, ehrlich Rechenschaft zu geben.
Für sexuellen Missbrauch könne es nur Reue, die Bitte um Vergebung und das Bemühen um Heilung der Wunden geben. Dies gelte in besonderem Maß für die Kirche, an die zu Recht hohe ethische Ansprüche gestellt werden.
Die Bischöfe zollen in ihrer Erklärung all jenen großen Respekt, "die bereit sind, über ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld zu sprechen". Es sei nur zu erahnen, "wie viel Überwindung und Mut es braucht, die Erinnerung an erlittenen Missbrauch in Worte zu fassen". Nur so ist die Begegnung mit der befreienden Wahrheit möglich. Die Bischöfe zeigen zugleich auch Verständnis für all jene, "deren Schmerz, Angst oder Wut noch zu groß sind, um sich über den Missbrauch zu äußern".
Gesamtgesellschaftliches Problem
Pauschalverdächtigungen gegen Priester, kirchliche Mitarbeiter oder die Kirche als ganze seien als ungerechtfertigt zurückzuweisen, betonen die Bischöfe weiter. Sie weisen in der Erklärung aber auch darauf hin, dass sexueller Missbrauch ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt: "Sexueller Missbrauch ist eine dunkle Seite der ganzen Gesellschaft. Die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch finden im familiären Umfeld und in anderen gesellschaftlichen Bereichen statt."
Dieser Hinweis solle die Verantwortung der Kirche im eigenen Bereich allerdings nicht kleinreden. Wörtlich heißt es in der Erklärung: "Die Bischöfe wissen, dass für die Kirche hohe ethische Ansprüche gelten, an denen sie zu Recht gemessen wird. Umso mehr wollen sich die Bischöfe ihrer Verantwortung stellen und mit allen in der Gesellschaft zusammenarbeiten, um sexuellen Missbrauch durch bessere Prävention zu verhindern und entstandene Wunden zu heilen."
Schönborn: Jeder Bischof muss sofort aktiv werden
Bei der Pressekonferenz zur Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe am Freitagvormittag in Wien erläuterte Kardinal Christoph Schönborn die angekündigten Maßnahmen näher. Die kirchlich Verantwortlichen müssten bei jedem Verdachtsfall des sexuellen Missbrauchs sofort aktiv werden. Schönborn verwies auf jenen kürzlich in der Erzdiözese Wien aufgetretenen Fall, wo einer unter Kinderpornografieverdacht stehender Pfarrer bereits wenige Stunden nach der entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft von allen Aufgaben dienstfrei gestellt wurde. Dies gelte bis zum Abschluss des Verfahrens - ebenso wie die Unschuldsvermutung.
Schönborn verwies auch auf eine entsprechende vatikanische Richtlinie aus dem Jahr 2001 ("Delicta graviora"), wonach jeder begründete Verdachtsfall von sexuellem Missbrauch von den Bischöfen an die Glaubenskongregation zu melden sei. Bei schweren Fällen könnten die Konsequenzen dann bis zur Laisierung - also der Entlassung aus dem Priesteramt - der Täter reichen. Erst vor wenigen Tagen habe es einen solchen Fall in der Diözese St. Pölten gegeben, so Schönborn.
Er wies auch darauf hin, dass das kirchliche Recht in schwerwiegenden Fällen eine längere Verjährungsfrist als das staatliche Recht vorsieht. Das sei auch sinnvoll, so der Kardinal, da es viele Opfer es erst nach Jahrzehnten schaffen würden, über ihre Verletzungen und das ihnen zugefügte Unrecht zu sprechen.
Was die Präventionsmaßnahmen betrifft, machte Kardinal Schönborn darauf aufmerksam, dass es inzwischen für alle hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter psychologische Eignungstest gebe. Zudem müssten hauptamtliche wie auch alle ehrenamtlichen Mitarbeiter mit ihrer Unterschrift bekunden, dass sie sich an bestimmte Verhaltensregeln im Umgang mit Kindern und Jugendlichen halten.
Zu Vorwürfen des Vereins "Priester ohne Amt", wonach mehrere Priester, die wegen Kindesmissbrauchs bereits rechtskräftig verurteilt sind, immer noch seelsorgerisch tätig sind, meinte Schönborn, ihm sei in seinen 15 Jahren als Erzbischof von Wien kein derartiger Fall bekannt geworden.
Den Vorwurf, dass die kirchliche Einstellung zur Sexualität ein Hauptgrund für die Missbrauchsfälle in der Kirche sei, wollte Schönborn so nicht stehen lassen. Sexueller Missbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem; und es sei wohl bekannt, dass in vielen Bereichen der Gesellschaft mit Sexualität sehr freizügig umgegangen wird und es dennoch zu Missbrauch kommt. Er könne hier nur nochmals betonen, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz, dass die Kirche mit allen gesellschaftlichen Kräften zusammenarbeiten wolle, um wirkungsvoll gegen sexuellen Missbrauch vorzugehen.