Presseerklärungen der Frühjahrsvollversammlung
1. Umgang mit sexuellem Missbrauch
Ein Wort Jesu ist zum Thema Missbrauch eine klare Vorgabe: „Es ist unvermeidlich, dass Ärgernisse kommen. Aber wehe dem, der sie verschuldet. Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als dass er einen von diesen Kleinen zum Bösen verführt. Seht euch vor!" (Lk 17,1-2) Man kann nicht schärfer vor jeder Form von Missbrauch warnen. Jesu drastisches Bild vom Mühlstein will auf die Schwere der Verletzungen hinweisen, die hier „den Kleinen", d.h. den Wehrlosen zugefügt werden.
Besonders nachhaltig sind die Verletzungen, die sexueller Missbrauch zufügt, vor allem dort, wo ein starkes Vertrauensverhältnis besteht: in der Familie und in der Kirche. Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche und in der Gesellschaft wurden oft verschwiegen. Für solche Vorkommnisse kann es nur Reue, die Bitte um Vergebung und das Bemühen um Heilung der Wunden geben. Dies gilt in besonderem Maß für die Kirche, an die zu Recht hohe ethische Ansprüche gestellt werden.
Daher haben die Bischöfe großen Respekt vor jenen, die bereit sind, über ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld zu sprechen. Es ist nur zu erahnen, wie viel Überwindung und Mut es braucht, die Erinnerung an erlittenen Missbrauch in Worte zu fassen. Nur so ist die Begegnung mit der befreienden Wahrheit möglich. Die Bischöfe haben aber auch Verständnis für all jene, deren Schmerz, Angst oder Wut noch zu groß sind, um sich über den Missbrauch zu äußern.
Leider wurden in der Vergangenheit zu Unrecht in der Kirche die Täter oft mehr geschützt als die Opfer. Mit Scham und Trauer stellen die Bischöfe fest, dass sich erst in den letzten Jahren in der Kirche in Österreich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei Missbrauchsvorwürfen nichts anderes zählt als die Wahrheit, die allein frei macht (vgl. Joh 8,32). Nur Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit tragen dazu bei, erlittene Wunden zu heilen. Daher laden die Bischöfe alle ein, die Missbrauch erlitten haben, sich an die Ombudsstellen der einzelnen Diözesen zu wenden, wo sie einen geschützten und vertraulichen Rahmen für das Gespräch haben. Ebenso fordern die Bischöfe die Täter auf, ehrlich Rechenschaft zu geben. Nur wo erzählt und gehört und das Geschehene anerkannt wird, können alle in der Wahrheit frei werden.
In den vergangenen 15 Jahren haben die Diözesen Österreichs eine Reihe von Maßnahmen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch getroffen. In allen Diözesen bestehen Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Entscheidend ist der klare und konsequente Umgang der kirchlichen Verantwortungsträger mit konkreten Verdachtsfällen und Vorwürfen. Die Sorge um die Opfer muss an erster Stelle stehen. Entsprechende Konsequenzen für die Täter sind zu ziehen.
Über die schon bisher getroffenen Maßnahmen hinaus stellen die Bischöfe fest, dass Verbesserungen in folgenden Bereichen notwendig sind:
1. Erarbeitung von österreichweit gültigen Standards und Regelungen auf Basis der bestehenden Richtlinien, wobei die in der Erzdiözese Wien geltenden Bestimmungen Vorbildcharakter haben.
2. Österreichweite Vernetzung und Zusammenarbeit der diözesanen Ombudsstellen.
3. Offizielle Einbindung der Männer- und Frauenorden in die Arbeit der diözesanen Ombudsstellen.
4. Förderung von Bewusstseinsbildung und Prävention zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs insbesondere durch Aus- und Fortbildung der kirchlichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Aus diesem Grund hat die Bischofskonferenz eine Projektgruppe eingesetzt, die den Auftrag hat, bis zur Sommervollversammlung der Bischofskonferenz im Juni ein detailliertes Gesamtkonzept zu einem noch wirksameren Umgang mit sexuellen Missbrauchsfällen im kirchlichen Bereich auszuarbeiten.
Sexueller Missbrauch ist eine dunkle Seite der ganzen Gesellschaft. Die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch finden im familiären Umfeld und in anderen gesellschaftlichen Bereichen statt. Von daher sind alle Pauschalverdächtigungen gegen Priester, kirchliche Mitarbeiter oder die Kirche als ganze als ungerechtfertigt zurückzuweisen. Dieser Hinweis soll die Verantwortung der Kirche im eigenen Bereich nicht kleinreden. Die Bischöfe wissen, dass für die Kirche hohe ethische Ansprüche gelten, an denen sie zu Recht gemessen wird. Umso mehr wollen sich die Bischöfe ihrer Verantwortung stellen und mit allen in der Gesellschaft zusammenarbeiten, um sexuellen Missbrauch durch bessere Prävention zu verhindern und entstandene Wunden zu heilen.
2. Asyl - Migration - Integration
Viele Mitbürger sind durch den Zustrom von Menschen aus anderen Ländern nach Österreich verunsichert. Nicht wenige fürchten, dass Österreich seine in Jahrhunderten gewachsene kulturelle Identität verlieren könnte. Aus vielen persönlichen Begegnungen kennen und achten die Bischöfe diese Befürchtungen. Es gibt aber in der öffentlichen Debatte Entwicklungen, die nicht dazu beitragen, Spannungen abzubauen und Probleme zu lösen. Auf dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Monate plädieren die Bischöfe eindringlich für eine „Abrüstung der Worte". Zugleich appellieren sie an alle, die in der politischen Debatte Verantwortung tragen, in den bevorstehenden Wahlauseinandersetzungen das „Ausländer-Thema" mit der gebotenen Sachlichkeit zu behandeln.
Die Bischöfe plädieren im Blick auf Menschen, die nach Österreich gekommen sind oder kommen wollen, klar zu unterscheiden zwischen Asyl, Migration und Integration.
Bei Asyl geht es um ein international verbrieftes Menschenrecht, das ungerecht Verfolgten Schutz garantiert. Daher geht es nicht an, dass Menschen vorbeugend kriminalisiert und unter einen Generalverdacht gestellt werden, nur weil sie Asyl suchen. Auch der Missbrauch eines Grundrechts durch Einzelne rechtfertigt nicht, dieses Grundrecht unterschiedslos für alle einzuschränken oder gar in Frage zu stellen.
In Sachen Asyl hat Österreich seit 1945 immer wieder großzügig und rasch gehandelt, so bei der Ungarn-Krise, in der Zeit des „Prager Frühlings", bei der Polen-Krise und Balkan-Krise. Dies sollte eine Verpflichtung auch für heute sein. Es ist notwendig, rasche und faire Asylverfahren durchzuführen. Es ist aber auch notwendig, Initiativen zur Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden zu unterstützen. Die katholische Kirche in Österreich kann hier auf gute Erfahrungen im Zusammenhang mit der Aufnahme der vietnamesischen „boat people" zu Beginn der achtziger Jahre und der De-facto-Flüchtlinge aus Bosnien in den neunziger Jahren verweisen.
Vom Recht auf Asyl ist das Phänomen der Migration klar zu unterscheiden. Ein Blick auf die letzten 150 Jahre zeigt, dass es in Österreich Phasen des Kommen und des Gehens, der Einwanderung und der Auswanderung gegeben hat. Es liegt an den politischen Verantwortungsträgern, diesen Vorgang mit Augenmaß zu gestalten.
Beiden Themen, Asyl und Migration, gemeinsam ist die Frage nach dem richtigen Weg für eine gelungene Integration zum Wohl für alle Betroffenen. Gelungene Integration braucht ein Gesamtkonzept, das auf mehreren Säulen ruht: vor allem Bildung, Wohnraum, Beschäftigung, Mitbestimmung. Der Spracherwerb ist dabei ein Schlüsselthema.
Die Bischöfe sind überzeugt, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist; er verlangt Anstrengungen von Seiten der Aufnahmegesellschaft und von Seiten der Zuwanderer. In diesem Zusammenhang erinnern die Bischöfe daran, dass ein Großteil der Zuwanderer - unter denen nicht wenige Katholiken sind - sich problemlos in Österreich integriert. Gelungene Integration ist für alle Beteiligten ein Gewinn. Die Kirche kann in diesem Bereich viel konkrete Erfahrung einbringen; sie leistet in der Seelsorge mit den vielen anderssprachigen katholischen Gemeinden einen wichtigen Beitrag, damit Integration gelingt und gleichzeitig Identität gewahrt bleibt. Eine Grundvoraussetzung für Integration ist freilich, dass Zuwanderer die unbedingte Geltung der Menschenrechte, der demokratischen Verfassung (Religionsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit) und der gleichberechtigten Stellung von Mann und Frau anerkennen müssen.
3. Das Ringen um soziale Gerechtigkeit
Das Zweite Vatikanische Konzil hat am Beginn seiner Patoralkonstitution gesagt, dass Freude und Hoffnung, aber auch Trauer und Angst der Menschen von der Kirche geteilt werden. Viele Menschen in Österreich haben heute große materielle Sorgen. Zu ihnen gehören die Arbeitslosen - rund 400.000 laut jüngsten Zahlen. Es gibt aber auch nicht wenige Menschen, die zwar Arbeit haben, aber zu wenig verdienen, um ihre Angehörigen zu versorgen. Es gibt kinderreiche Familien, Alleinerzieherinnen und Mindestpensionisten, die an der Grenze der Armut leben.
Der offizielle Sozialbericht verweist darauf, dass mehr als eine Million Menschen in Österreich armutsgefährdet sind. Die Caritas und andere kirchliche Einrichtungen leisten wertvolle Hilfe, sie bestätigen aber auch, dass es in den strengen Wintermonaten für viele Bewohner dieses Landes die Alternative zwischen „heizen" und „essen" gab. Für beides hätte das Geld nicht gereicht. Ist das in einem reichen Land wie Österreich nicht vermeidbar?
Es gibt die begründete Sorge, dass sich die Schere zwischen „Besitzenden" und „Nichtbesitzenden" in diesem Land weiter öffnet. Es gibt auch ernst zu nehmende Berichte, dass Menschen, die lediglich über ihre Arbeitskraft verfügen, angesichts der Wirtschaftskrise immer mehr unter Druck geraten: „Die Löhne fallen und die Arbeitsbedingungen verschärfen sich", so beschreiben Betroffene ihre Lage.
Die Bischöfe haben keine Generalrezepte gegen diese Krise. Christen und ihre Gemeinschaften und Institutionen bringen aber viele Kräfte von Hirn, Herz und Hand in die Gesellschaft ein und unterstützen so das Bemühen der Verantwortungsträger in Wirtschaft und Politik, um die Auswirkungen der Krise für Österreich zu mindern. Diese Bemühungen sind ein Dauerauftrag. Dem entsprechend ist die Einigung über eine bedarfsorientierte Mindestsicherung ein positiver Beitrag dazu. Ein dauerhaftes Paradies auf Erden ist nicht erreichbar, aber das Ringen um soziale Gerechtigkeit ist keine Träumerei, sondern eine notwendige Konsequenz des Gebots der Nächstenliebe.
4. Wallfahrt und Kongress der Pfarrgemeinderäte
Papst Benedikt XVI. hat bei seinem Besuch am 8. September 2007 in Mariazell die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte eingeladen, durch ihr Leben und Wirken die Apostelgeschichte in der Gegenwart weiterzuschreiben. Er verband dies mit der Zusage: Wo Gott ist, ist Zukunft. Dieses Wort greift die Österreichische Bischofskonferenz auf und lädt ihrerseits rund 600 Mitglieder der Pfarrgemeinderäte aus ganz Österreich zu einer Wallfahrt und zu einem Kongress von 13. bis 15. Mai nach Mariazell.
Die Pfarrgemeinderäte sind eine Frucht des Zweiten Vatikanischen Konzils und haben sich seither bewährt. In den Pfarrgemeinderäten bekommt die Mitverantwortung der Gläubigen für ihre Kirche konkrete Gestalt. Rund 45.000 Frauen und Männer setzen sich derzeit in ganz Österreich als Mitglieder der Pfarrgemeinderäte für ihren Glauben und ihre Pfarre ein. Sie bilden ein flächendeckendes „Netzwerk der Nächstenliebe" und einen lebendigen „Schatz der Kirche".
Wallfahrt und Kongress sind ein deutliches Zeichen der Wertschätzung der Bischöfe für das Wirken und das Apostolat der Pfarrgemeinderäte. Erstmals treffen Mitglieder der Pfarrgemeinderäte aus allen Teilen Österreichs mit den Bischöfen zusammen. Es geht um den gemeinsamen Blick auf die Zukunft, die Gott schenkt. Im Zentrum des Gesprächs werden die Herausforderungen der kommenden Jahre und die Rolle der Pfarrgemeinderäte für das Leben und die Entwicklung lebendiger christlicher Gemeinden stehen. In der Wallfahrt werden diese Anliegen vor Gott hingetragen.
Wallfahrt und Kongress in Mariazell finden an einem neuralgischen Punkt der Entwicklung von Kirche und Welt statt. Abbrüche und Anfänge, Trauer und Hoffnung ereignen sich gleichzeitig und nebeneinander. Vor diesem Hintergrund laden die Bischöfe ein, in Mariazell in den Tagen der Pfingstnovene einen bisher einzigartigen Gesprächsraum zu eröffnen. Diesen Gesprächsraum gilt es zu schätzen, zu schützen und zu nützen. Es geht um ein gemeinsames Fragen und Suchen, ein Hinhören auf das, was der Geist den Gemeinden sagen will. Im Vordergrund stehen daher nicht die Verabschiedung von Abschlussdokumenten oder Beschlüssen, sondern das Aufeinanderhören und das Austauschen von Erfahrungen, um im Blick auf die „Magna Mater Austriae" einen guten Weg in die Zukunft der Pfarrgemeinden zu entwerfen.
5. Woche für das Leben
Erstmals findet heuer in allen österreichischen Diözesen zwischen Ende Mai und Anfang Juni die „Woche für das Leben" statt. Es gilt dabei, „Feste des Lebens" zu feiern und sich mit der Schönheit und der Würde des Lebens auseinanderzusetzen. Modell ist die Erzdiözese Salzburg, in der es schon seit einigen Jahren erfolgreich die „Woche für das Leben" gibt. Die „Woche für das Leben" findet an unterschiedlichen Terminen statt, um lokalen Bedürfnissen und bereits feststehenden Terminen Rechnung zu tragen. Die Bischöfe veröffentlichen ein gemeinsames Hirtenwort zur „Woche für das Leben", das am Sonntag, 18. April, in den Gottesdiensten verlesen werden soll.
In den einzelnen Diözesen gibt es unterschiedliche Akzente. Geplant ist durchwegs ein zentraler Gottesdienst als „Fest des Lebens" mit Eltern und Kindern. Vielerorts gibt es auch Kinderwallfahrten sowie Feste und Segensfeiern für Kinder und Schwangere. Begegnungen mit Verantwortungsträgern in Politik, Gesellschaft und Kirche werden die Lebensschutzthematik inhaltlich vertiefen. Zahlreiche Veranstaltungen von kirchlichen Lebensschutzinitiativen sowie Kinder- und Jugendorganisationen sind in Vorbereitung. Für die Feiern und Veranstaltungen in den Pfarren wird es entsprechende Gottesdienstbehelfe und Materialien geben.
Die Bischöfe laden die Gläubigen ein, in der „Woche für das Leben" ein starkes Zeichen einer lebensbejahenden Kirche zu setzen.
6. Kreuz im Kindergarten
Das Kreuz ist ein Symbol der Liebe und der Überwindung des Todes. Daher soll es auch in den Bildungsstätten präsent sein.
Die Bischöfe haben während ihrer Frühjahrsvollversammlung in St. Pölten von der Stellungnahme der niederösterreichischen Landesregierung im Verfahren „Kreuz in den Kindergärten" Kenntnis erhalten. Diese Stellungnahme ist ein positives Signal zur Wahrung der Religionsfreiheit, aber auch der kulturellen Identität in Österreich.
Die Bestimmungen des niederösterreichischen Kindergartengesetzes korrespondieren inhaltlich mit den schulrechtlichen Regelungen. Sie entsprechen auch den diesbezüglichen Bestimmungen der österreichischen Bundesverfassung.
Religion als sinnstiftende Kraft ist in der Gesellschaft unentbehrlich; Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie nicht aus eigener Kraft schaffen kann. Damit diese Aufgabe erfüllt werden kann, ist es notwendig, die Präsenz und das Wirken der Kirchen im öffentlichen Raum zu garantieren.