Scheuer: Hilfe für Flüchtlinge verstärken
Innsbrucker Bischof fordert bei Gottesdienst der Bischofskonferenz in Mariazell Politik, Kirche und alle gesellschaftlichen Kräfte auf, mehr Flüchtlingsquartiere bereitzustellen - Österreich braucht neue "Willkommenskultur" für Menschen auf der Flucht
Mariazell, 17.6.2015 (KAP) Zu mehr Anstrengungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und zu einem wohlwollenderen Klima für Menschen auf der Flucht hat der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer aufgerufen. In seiner Predigt beim Abschlussgottesdienst der Bischofskonferenz Mittwochmittag in Mariazell sagte Scheuer, dass die Flüchtlingsströme mit Sicherheit noch zunehmen würden: "Kirche und Politik, Zivilgesellschaft, Sozialpartner und Medien, sind gefragt und angefragt für weitere Flüchtlings-Unterkünfte zu sorgen." Es brauche ein neues wohlwollendes Klima für Menschen auf der Flucht, so Scheuer, der wörtlich von einer "Willkommenskultur" für verzweifelte und notleidende Menschen.
Scheuer: "Menschen gehen nicht aus bloßer Neugier, Abenteuerlust oder Eroberungssucht von zu Hause weg. Fremde, Asylanten, Flüchtlinge sind nicht selten Entwurzelte, Rechtlose, materiell Arme, von den Narben des Krieges Gezeichnete." Die Schauplätze der Not, der kriegerischen Konflikte, der Verfolgung, das Elend in den Flüchtlingslagern Afrikas und Nahen Ostens dürfen niemanden unberührt lassen, forderte Scheuer. Die internationale Gemeinschaft, alle Staaten, Europa, Bund, Länder und Gemeinden stünden vor großen Herausforderungen. Viele Österreicher hätten schon Flüchtlingen geholfen und wollten weiter helfen. Dafür wolle er ein großes Danke sagen, so der Bischof.
Scheuer hob zugleich auch hervor, dass die Sorgen und Ängste in Teilen der Bevölkerung ernst genommen werden müssten man ihnen mit Sachlichkeit und Information begegnen müsse. Papst Franziskus fordere die Überwindung von Vorurteilen und Vorverständnissen bei der Betrachtung der Migranten und Flüchtlingen.
Der Bischof verwies auf die Angst vieler Menschen, "dass sich Umwälzungen in der sozialen Sicherheit ergeben, dass man Gefahr läuft, die eigene Identität und Kultur zu verlieren, dass auf dem Arbeitsmarkt die Konkurrenz geschürt wird oder sogar dass neue Faktoren von Kriminalität eindringen". Auf diesem Gebiet hätten die sozialen Kommunikationsmittel eine verantwortungsvolle Aufgabe, indem sie "feste, eingebürgerte Vorurteile entlarven und korrekte Informationen bieten, wo es darum geht, den Fehler einiger öffentlich anzuklagen, aber auch, die Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Seelengröße der Mehrheit zu beschreiben". Es brauche einen "Übergang von einer Haltung der Verteidigung und der Angst, des Desinteresses oder der Ausgrenzung zu einer Einstellung, deren Basis die 'Kultur der Begegnung' ist". Diese allein könne eine gerechtere und bessere Welt aufbauen.
Menschen auf ihren Lebenswegen begleiten
Der Innsbrucker Bischof ging in seiner Predigt auch auf die Diskussion zu Ehe und Familie im Vorfeld der vatikanischen Synode ein. Er betonte den Auftrag für die Kirche, Menschen auf ihren Lebenswegen zu begleiten: "Die Geschichte der Kirche ist von einer Logik der Eingliederung und einer Logik der Ausgrenzung geprägt gewesen. Jesus hat eindeutig die Logik der Eingliederung gelebt."
Viele Menschen würden sich von der Synode einen Aufbruch und positive Signale erwarten, "Signale der Vertiefung, aber auch Signale der Barmherzigkeit", so Scheuer: "Die Synode war schon und ist ein gemeinsamer Weg, ein Weg der Pilgerschaft mit Jesus an die existentiellen Grenzen und Erfahrungen, auch und gerade in den Beziehungsnöten. Viele haben versucht hinzuschauen, nicht gleich zu urteilen, sondern freimütig ihre Erfahrungen auszutauschen, mit dem Blick, mit der Aufmerksamkeit für die Verwundeten, das sind oft die Kinder."
Die Kirche dürfe darauf vertrauen, dass sich in diesem Prozess der Hl. Geist Raum verschafft, so Scheuer: "An die Grenzen mit Jesus zu gehen, würde gerade nicht verwirklicht durch die Extreme von Rigorismus und Laxismus. Beide Extreme kennen keine Sympathie und keine Einfühlung, keine Versöhnung und keine Heilung." Und wer nur auf Statistiken oder gleich auf Lösungen und Resultaten fixiert ist, würde die Geschichtlichkeit von Ehe und Familie, ihre konkreten Biographien, die kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten ausblenden.
Beziehungen, Ehe, Familie, Sexualität und Intimität seien Wege und Sehnsuchtsorte. Scheuer: "Der Weg von Ehe und Familie ist nicht die gerade einer Autobahn, nicht die geometrisch kürzeste Verbindung zwischen diesem Leben und dem Himmel. Sexualität und Gewalt, Sehnsucht nach Nähe und Verwundbarkeit sind eng miteinander verknüpft. Da gibt es Wachstumsstufen, aber auch Verwelken, da realisiert sich Schönheit und Wertschätzung, da sind alle immer wieder auch der Reinigung und der Umkehr bedürftig in ihren Brüchen, Verwundungen und Verfehlungen."
Die Gabe des Ehesakramentes sei ein Zeichen des Reiches Gottes, dieses werde umfassend aber erst in der eschatologischen Vollendung verwirklicht.
"Geographie des Glaubens"
Im steirischen Marienheiligtum wies Scheuer auch auf die Bedeutung von Wallfahrtsorten und Wallfahrten hin: "Die Wallfahrtsorte haben in unser Land eine Art Geographie des Glaubens eingezeichnet, das heißt an ihnen wird sichtbar, ja fast greifbar, wie unsere Vorfahren dem lebendigen Gott begegnet sind." Aufzubrechen zur Wallfahrt und zu pilgern bewirke Veränderung und mache frei, so der Bischof: "Pilgern kann helfen, den Exodus aus Verstrickungen und Lähmungen zu entdecken sowie Orientierung für die Seele, für die Arbeit und für Beziehungen zu finden das Geheimnis Gottes zu erahnen."
Die Kirche geht den "Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam", so Scheuer, denn "Gott selbst erscheint an den Wegkreuzungen, an den Orten, die uns nicht vertraut sind, an denen wir uns nicht auf Sicherheiten stützen können". Deshalb brauche es eine Kirche, "die keine Angst hat, in die Nacht dieser Menschen hinein zu gehen. Es braucht eine Kirche, die fähig ist, ihnen auf ihren Wegen zu begegnen. Es braucht eine Kirche, die sich in ihr Gespräch einzuschalten vermag. Es braucht eine Kirche, die es versteht, mit den Jungen ins Gespräch zu kommen."
Der Festgottesdienst in der Mariazeller Basilika bildete den Abschluss der Vollversammlung der Bischofskonferenz, die am Montag begonnen hatte. Alle österreichischen Bischöfe feierten mit zahlreichen Gläubigen die Eucharistiefeier, der der Salzburger Erzbischof Franz Lackner vorstand. Unter den Konzelebranten war auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen.