Kirche begrüßt Heimopferrentengesetz
Auf breite Zustimmung innerhalb der katholischen Kirche stößt das am Mittwoch beschlossene Heimopferrentengesetz. Durch den einstimmigen Beschluss im Nationalrat werden ab Juli Opfer von Misshandlungen in Heimen und in Pflegefamilien eine Rentenleistung in Höhe von 300 Euro erhalten. "Es ist ganz im Sinn der Opfer, dass der Staat mit diesem Gesetz Verantwortung übernimmt", sagte Kardinal Christoph Schönborn am Donnerstag im Interview mit "Kathpress". "Besonders erfreulich und vorbildlich" sei dabei "die parlamentarische Einstimmigkeit über Parteigrenzen hinweg sowie die rasche Berücksichtigung der Verbesserungsvorschläge zur Regierungsvorlage", erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Positiv reagierte auch Bischof Klaus Küng, der innerhalb der Bischofskonferenz für diesen Themenbereich zuständig ist: "Das nun beschlossene Gesetz ist ein weiterer bedeutsamer öffentlicher Schritt, um den Opfern von Gewalt und Missbrauch konkret beizustehen, und ein Signal dafür, konsequent die Arbeit zur Aufklärung, Missbrauchsprävention und Bewusstseinsbildung fortzusetzen", erklärte der St. Pöltner Bischof gegenüber "Kathpress".
Die Unabhängige Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic bezeichnete in einer Aussendung den Allparteienkonsens und die weiteren Verbesserungen im Heimopfergesetz "als ein sehr positives Signal". Es komme auf eine "möglichst unbürokratische Vollziehung des Gesetzes und Hilfestellung für die oft schwer traumatisierten Betroffenen" an, erklärte Klasnic, die im Vorfeld der Beschlussfassung als Expertin an einem Hearing im Parlament teilgenommen hatte. Die Opferschutzanwaltschaft werde weiterhin ihre Expertise im Interesse der Betroffenen und der Prävention und Bewusstseinsbildung einbringen. "Bei der Bekämpfung und Verhinderung von Gewalt und Missbrauch und der Opferhilfe kann und darf es keinen Schlussstrich geben", betonte Klasnic.
Valorisierte Rente brutto für netto
Wer im Zeitrahmen vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1999 in Heimen und Internaten des Bundes, der Länder und der Kirche missbraucht bzw. misshandelt wurde und dafür eine pauschalierte Entschädigungsleistung erhalten hat, wird ab Erreichen des Regelpensionsalters bzw. ab Pensionsantritt eine monatliche Zahlung von 300 Euro erhalten. Das ist der Inhalt des Gesetzes, über das die Parlamentskorrespondenz am Mittwochabend nach der Beschlussfassung im Nationalrat informierte. "Die Antragstellung ist unbürokratisch, die Betroffenen müssen ihre Leidensgeschichte nicht noch einmal wiederholen. Umfasst von dieser Regelung sind nun auch ehemals misshandelte und missbrauchte Kinder in Pflegefamilien", heißt es in der Aussendung.
Die Auszahlung der Rente kann erstmals ab Juli 2017 ausbezahlt werden und wird ab 2018 automatisch valorisiert. Diese und einige andere Verbesserungsvorschläge gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage wurden in das neue Gesetz aufgenommen. So gilt die Rente nicht als Einkommen, ist unpfändbar und hat keine Auswirkung auf das jeweilige Existenzminimum. Eine Verfassungsbestimmung stelle sicher, dass die Leistung auch nicht als Einkommen nach den Mindestsicherunsgesetzen der Länder gilt und auch nicht auf diese Geldleistungen anzurechnen ist. "Der Betrag wird also brutto für netto ausbezahlt", heißt es in offiziellen Mitteilung aus dem Hohen Haus, die das Gesetz als konkreten Schritt bewertet, "um der betroffenen Personengruppe den Einkommensnachteil, der durch staatliches Wegschauen bzw. Nichthinschauen entstanden ist, in einem begrenzten Ausmaß auszugleichen".
Antragstellung ab 1. Juli möglich
Aufgrund eines umfassenden, von allen Fraktionen eingebrachten Abänderungsantrags zum ursprünglichen Gesetzesentwurf wurden der Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeweitet und Präzisierungen vorgenommen. Waren ursprünglich nur Kinder in Heimen und Internaten vorgesehen, so sind nunmehr auch all jene umfasst, die in Pflegefamilien misshandelt und missbraucht wurden.
Betroffene Personen, die keine einmalige Entschädigungsleistung bekommen haben, etwa weil der Heimträger einem Antrag nicht entsprochen hat oder ihnen aus besonderen Gründen keine zeitgerechte Einbringung eines Antrags möglich war, müssen die ihnen zugefügte vorsätzliche Gewalt wahrscheinlich machen. In der Regierungsvorlage war noch von "nachweisen" die Rede, hebt die Parlamentskorrespondenz hervor. Bei einer gerichtlich zuerkannten oder mit Vergleich festgesetzten individuellen Entschädigung durch den Heimträger, welche die Ansprüche endgültig und umfassend regelte und die Höhe der pauschalierten Leistungen überstieg, soll laut Gesetz keine Rentenleistung mehr zuerkannt werden.
Die Entscheidung über eine Rentenleistung fällt der zuständige Sozialversicherungsträger mit Bescheid. Dagegen kann beim Arbeits- und Sozialgericht berufen werden. Unberechtigt empfangene Rentenleistungen sind unter bestimmten Voraussetzungen zu refundieren. Ins Gesetz aufgenommen wurde auch eine Verpflichtung, relevante Änderungen der Sozialversicherung zu melden.
Ausgezahlt werden soll die Leistung ab Juli 2017, wobei Personen, die bereits eine Pension beziehen bzw. das Regelpensionsalter erreicht haben, die Rente rückwirkend ab Juli erhalten, wenn sie innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten des Gesetzes einen Antrag einbringen. Ansonsten wird die Rente mit dem Folgemonat des Antrags gewährt. Die Rentenleistung gebührt für die Dauer der Zuerkennung einer Eigenpension, somit würde die Leistung nach Ablauf einer befristet zuerkannten Eigenpension - etwa einer Invaliditätspension - ebenfalls wegfallen. Die Rentenleistung soll zudem für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe und der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und gefährliche Rückfallstäter entfallen.
Volksanwaltschaft als neue Anlaufstelle
Das Gesetz sieht zudem einen Weg für all jene vor, die aus besonderen Gründen kein zulässiges oder zeitgerechtes Ansuchen beim Heim- und Jugendwohlfahrtsträger einbringen konnten, oder diejenigen, die zwar ein zulässiges und zeitgerechtes Ansuchen eingebracht, jedoch keine pauschalierte Entschädigungsleistung erhalten haben. "Sie können sich an die Volksanwaltschaft wenden, die nach diesem Gesetz eine weisungsfreie Rentenkommission einrichten wird, der jedenfalls Vertreter von Opferhilfeorganisationen angehören", heißt es in der Aussendung. Ihre Aufgabe werde es im Wesentlichen sein, Vorschläge für die schriftlich begründeten Empfehlungen zu erstatten, ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rentengewährung vorliegen, um eine einheitliche Entscheidungspraxis sicherzustellen. Die Entscheidung über die Rente obliege jedoch der Sozialversicherung, diese ist nicht an die Empfehlung der Rentenkommission gebunden. Die Kommission kann auch im Vorfeld der Empfehlung Clearingberichte der für die jeweiligen Opfer maßgeblichen Ansprechpartner und Institutionen einholen oder selbst Erhebungen durchführen.
In einem von ebenfalls allen Parteien eingebrachten und angenommenen Entschließungsantrag wird die Bundesregierung ersucht, für die für die Rentenkommission notwendige personelle Ausstattung Sorge zu tragen.
"Geste der Verantwortung"
Dem Gesetz war ein von Nationalratspräsidentin Doris Bures initiierter Staatsakt als "Geste der Verantwortung" am 17. November 2016 vorausgegangen, an dem auch die katholische Kirche durch Kardinal Schönborn mitgewirkt hatte. Die Rentenleistung sei keine Wiedergutmachung, weil sich die seelischen und körperlichen Wunden sich nicht wiedergutmachen ließen, betonte die erste Nationalratspräsidentin nach dem Gesetzesbeschluss, der zeige, "dass man sich der Verantwortung bewusst ist und man es nicht so wie damals verabsäumt zu handeln".
Ehemaligen Heimkindern sei unvorstellbares Leid widerfahren; statt Schutz, Hilfe und Geborgenheit zu finden, hätten sie Gewalt, Demütigung und Missbrauch erfahren, sagte Bures. Die seien damit ihrer Kindheit und allzu oft ihrer Chance auf ein selbstbestimmtes Leben beraubt worden. Die Nationalratspräsidentin dankte allen, die sich für die Leiden von Heimopfern eingesetzt haben, "aber auch den Kommissionen der Länder und der Kirche sowie Wissenschaftlern und Experten, die sich mit der systematischen Gewalt in Kinderheimen auseinandergesetzt und die Basis für diese schwierige Aufarbeitung gelegt haben", heißt es in der Aussendung.
Quelle: kathpress (27.04.2017)