"Das Kreuz im öffentlichen Raum"
Wortlaut einer Presseerklärung der Frühjahrsvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 21. bis 24. März 2011 in Brixen/Südtirol.
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Mit bahnbrechenden Urteilen haben sowohl der österreichische Verfassungsgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in zwei unterschiedlichen Fällen bekräftigt, dass das Kreuz seinen Platz im öffentlichen Raum hat. Beide Urteile anerkennen das Kreuz als religiöses und kulturelles Symbol, das in den vom Christentum geprägten Ländern Europas ein wichtiges Element einer gemeinsamen Identität ist. Gleichzeitig wird klar festgehalten, dass vom Kreuz kein Zwang ausgeht: Als "passives Symbol" indoktriniert es nicht, haben 15 von insgesamt 17 Richtern der Großen Kammer des EGMR mit deutlicher Mehrheit festgehalten.
Die österreichischen Bischöfe begrüßen beide Grundsatzurteile und sehen darin eine Stärkung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit und eine Wahrung der Rechte von Eltern und Kindern auf religiöse Erziehung. Die Entscheidungen der Höchstrichter stärken das Vertrauen der Bürger in die durch Verfassung und Menschenrechtskonvention garantierten Grundrechte. Die Bischofskonferenz dankt allen, die sich um das Zustandekommen der Klarstellungen bemüht haben. Der österreichische Gesetzgeber hat in dieser Frage bereits in der Vergangenheit eine klare rechtliche Basis geschaffen, die für das Zusammenleben in einer pluralen und multireligiösen Gesellschaft einen verlässlichen Rahmen bietet und gelebte Toleranz ermöglicht. Zu erinnern ist auch an die am 19. November 2009 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ angenommene parlamentarische Entschließung, die sich für "die Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum" und "die Anbringung von Kreuzen in den Schulklassen" ausgesprochen hat.
Religiösen Symbolen ist es eigen, dass sie eine vielschichtige Bedeutung in sich tragen. Im Klassenzimmer wie im Gerichtssaal gibt es Beurteilungen und Urteile - das Kreuz hält den Blick offen, dass solch menschliche Entscheidungen keine letztgültigen sind. Es entlastet und relativiert zugleich. Das Kreuz im Krankenzimmer, in dem sich oft unerbittlich die Sinnfrage stellt, steht als Garant einer letzten Hoffnung, denn beim Kreuz ist auch die Auferstehung. Das Kreuz mahnt an, zu welchen Grausamkeiten der Mensch gegenüber Unschuldigen fähig ist und es erinnert gleichzeitig an die Lebenshingabe für Menschen in Liebe. Durch das Kreuz wird deutlich, dass hier Menschen wirken, die sich unter Gott wissen und sich selbst nicht zum Maß der Dinge erheben. Auch für die Andersgläubigen kann sich so eine gemeinsame Basis des Vertrauens ergeben, die für das Zusammenleben sehr wichtig ist.
Es gibt daher nicht nur gläubige Christen, sondern auch Menschen aus anderen Religionen und auch solche, die von sich sagen, dass sie nicht an Gott glauben, die beide Urteile begrüßen. Dies unterstreicht die lebensbejahende und friedensstiftende Botschaft des Kreuzes, die für jeden Menschen zur Quelle der Hoffnung werden kann. Christen sehen darin mit Blick auf Ostern die Botschaft von der Auferstehung und von der Liebe Gottes zu den Menschen. Es liegt an jedem Christen, die Botschaft des Kreuzes Jesu Christi durch das eigene Leben zu bezeugen, damit das Symbol eine lebendige Realität bleibt.