"Welttag der Menschen mit Down-Syndrom"
Wortlaut der Presseerklärungen der Herbstvollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, 19. bis 22. März 2012 in Tainach/Tinje (Kärnten).
» | Presseerklärungen als pdf herunterladen |
1. Pfarrgemeinderatswahlen 2012
Dankbar dürfen wir Bischöfe nach der österreichweiten Pfarrgemeinderatswahl 2012 feststellen, dass sich wieder rund 30.000 Frauen und Männer ehrenamtlich für die nächsten fünf Jahre zur Mitverantwortung in 3.000 Pfarren zur Verfügung stellen.
Von den rund 4,6 Millionen Wahlberechtigten haben rund 20 Prozent ihr Stimmrecht ausgeübt. Auch wenn aufgrund verschiedener Wahlmodelle noch nicht alle Ergebnisse im Detail vorliegen, zeigt sich damit, dass die Wahlbeteiligung im Vergleich zu 2007 stabil geblieben ist. Bemerkenswert ist die Tendenz zur Verjüngung der Pfarrgemeinderäte. Sie hängt auch damit zusammen, dass es rund 45 Prozent neu gewählte Pfarrgemeinderäte gibt, sodass sich das Durchschnittsalter österreichweit auf unter 50 Jahre gesenkt hat. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man gleichzeitig bedenkt, dass die Lebenserwartung insgesamt stetig zunimmt. Weiter angestiegen ist der Anteil der Frauen in den Pfarrgemeinderäten, der nun bei 56 Prozent liegt.
Dieses sehr positive Gesamtbild ist ein starkes Zeichen von Lebendigkeit und Hoffnung in der Kirche. Gerade vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Umbrüche mit ihren Auswirkungen auf die Kirche, aber vor allem angesichts der bekannt gewordenen kirchlichen Fehler und Versäumnisse aus der Vergangenheit wiegen die erfreulichen Ergebnisse dieser Wahl umso mehr. Es zeigt einen nach wie vor großen, stabilen und glaubwürdigen Kern von Kirche, der vor Ort von den Menschen erfahrbar ist. Und es macht deutlich, dass der persönliche Glaube an Jesus Christus eine geheimnisvolle und zugleich unerschöpfliche Quelle des Lebens und der Kirche ist.
Durch die Wahl haben die Kandidaten erfahren, dass viele Gläubige hinter ihnen stehen und ihnen Vertrauen schenken. Allen, die bisher mitgearbeitet und sich im Pfarrgemeinderat engagiert haben, aber jetzt nicht mehr in diesem Gremium sind, sagen wir Bischöfe Dank für die Treue und ihre bisherigen Dienste. Dank gebührt allen, die sich um Vorbereitung und Durchführung der Wahl bemüht haben, und auch jenen, die bereit waren zu kandidieren, aber schließlich nicht gewählt wurden und sich nun als Ersatzmitglieder zur Verfügung halten. Mit der Kandidatur haben sie eine wirkliche Wahl erst ermöglicht und damit einen wichtigen Dienst getan.
In den nächsten fünf Jahren haben die Pfarrgemeinderäte wichtige Aufgaben. Sie bilden einen Knotenpunkt des christlichen Gemeindelebens und ein dichtes Netz der Kirche, die nahe bei den Menschen bleiben will. Pfarrgemeinderäte sind durch ihren Dienst aufgerufen "Apostel unserer Zeit" zu sein. Der Blick auf die wichtigen Glaubensdokumente des Konzils, das vor 50 Jahren begann und das Apostolat der Laien in der Gemeinde und darüber hinaus neu entdeckt hat, möge Begleitung und Stärkung für den übernommenen Dienst im Pfarrgemeinderat sein.
2. "Jahr des Glaubens"
Das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene "Jahr des Glaubens" beginnt anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils weltweit am 11. Oktober 2012. Es ist eine Einladung und eine gute Gelegenheit, den Glauben zu erneuern, zu vertiefen und durch das Lebenszeugnis zur Sprache zu bringen. Die Wiederentdeckung und Auseinandersetzung mit den Konzilsdokumenten mit Blick auf heute soll dabei eine wichtige Rolle spielen.
In den Diözesen und in vielen Bereichen der Kirche haben die Vorbereitungen dafür bereits begonnen. Vorgesehen ist, dass in allen Diözesen in Österreich die Eröffnung des "Jahr des Glaubens" mit einem gemeinsamen Zeichen begangen wird. So sollen am 11. Oktober in ganz Österreich die Türen der Kirchen um die Mittagszeit weit geöffnet werden. Das Läuten der Kirchenglocken wird zum Angelus-Gebet einladen. Daneben finden schon jetzt zahlreiche Initiativen statt oder sind in Vorbereitung, wie beispielsweise ein österreichweites Jugendtreffen in Salzburg. Ein gelungenes Beispiel für die Befassung mit der Lehre des Konzils liegt in der Konzils-Broschüre mit dem Titel "Freudig und furchtlos" vor. Alle Kirchenzeitungen beteiligen sich daran und der gewählte Titel ist ein treffendes Leitwort für die vielen Herausforderungen unserer Zeit.
Jeder Generation ist es aufs Neue aufgegeben den Glauben und das Evangelium zu verkündigen und weiterzugeben. Dieser Auftrag an alle Getauften betrifft besonders Eltern und Paten sowie jene, die durch die Kirche eigens dazu beauftragt sind. Als Hilfe für den Verkündigungsdienst hat die Bischofskonferenz bei der Vollversammlung daher ein Dokument zur Katechese beschlossen, das in Kürze in der Schriftenreihe der Österreichischen Bischofskonferenz veröffentlicht wird. Damit wollen die Bischöfe konkrete Anregungen geben, auf welche Weise und auf welchen Wegen eine "neue" Evangelisierung der Menschen in der Welt von heute gelingen kann. Das neue Dokument nimmt erfahrungsbezogen die Mitte des Glaubens in Blick. Es formuliert Kernbotschaften des Glaubens altersgemäß und auf die jeweilige Zielgruppe hin.
Das "Jahr des Glaubens" kann zu einer echten Erneuerung der Kirche werden, wenn sich die Gläubigen davon inspirieren und herausfordern lassen. Denn der Glaube ist der Grund, auf dem wir stehen. Er ist immer Geschenk. Glauben in und mit der Kirche öffnet die Tür zur Freundschaft mit Christus. Viel Wahres, Gutes und Schönes in unserer Gesellschaft wird getragen durch unseren christlichen Glauben.
Welch ein Ruck könnte durch Kirche und Gesellschaft gehen, wenn allein all jene, die in der Kirche haupt- oder ehrenamtlich tätig sind, einmal in der Woche den Glauben so zur Sprache bringen, dass es zu einem tieferen Nachdenken führt! Die schlichte Frage "Wie geht es Dir und wie geht es mir als Mensch und Christ?" könnte dabei Ausgangspunkt für einen echten Dialog sein, der offen ist für die Frage nach Gott und die Relevanz des Glaubens. Wagen wir das gemeinsam im "Jahr des Glaubens" - freudig und furchtlos.
3. Einheitsübersetzung des Neuen Testaments / Gemeinsames Gebet- und Gesangbuch
Mit der Revision der Einheitsübersetzung des Neuen Testaments und der Vorbereitung für das Gemeinsame Gebet- und Gesangbuch sind zwei wichtige kirchliche Vorhaben im deutschsprachigen Raum nach jahrelangen Vorarbeiten in eine wichtige Phase der Realisierung getreten. Beide Projekte berühren den Kern des Glaubens und des kirchlichen Lebens. Bildet doch die Heilige Schrift eine Säule des christlichen Glaubens, der in Gebet, Gesang und Gottesdienst gefeiert wird.
So wird seit dem Jahr 2005 an einer moderaten Revision der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift gearbeitet. Das geschieht im Auftrag der katholischen Herausgeber der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift; das sind neben der Österreichischen auch die Deutsche und Schweizer Bischofskonferenz, der Erzbischof von Luxemburg sowie die Bischöfe von Bozen-Brixen und Lüttich unter Einschluss der Erzbischöfe von Straßburg und Vaduz. Es geht dabei nicht um eine völlige Neuübersetzung der biblischen Texte, sondern um eine größere Nähe zum Urtext. Die Bischöfe haben sich im Rahmen der Vollversammlung mit der Approbationsvorlage des Neuen Testamentes auseinandergesetzt und festgelegt, dass noch Änderungswünsche für die Endredaktion eingebracht werden können. Geplant ist, dass der endgültige Text im Laufe des Jahres zur Approbation vorgelegt werden soll.
Auch beim Gemeinsamen Gebet- und Gesangbuch sind die seit 2001 laufenden Arbeiten in die Phase der Endredaktion getreten. Das künftige Gotteslob wird wie bisher einen für Österreich, Deutschland und die Diözese Bozen-Brixen gemeinsamen Stammteil besitzen. Dieser wurde von den österreichischen Bischöfen bereits im letzten Jahr fixiert. Daneben enthält es einen gemeinsamen Teil für alle Diözesen in Österreich. Wenn alle weiteren Schritte zeitgerecht gelingen, ist die Einführung mit Advent 2013 möglich. Das neue Gebet- und Gesangbuch löst dann das bisherige Gotteslob ab, das seit 1975 in Verwendung ist.
4. Welttag der Menschen mit Down-Syndrom
Am 21. März wird jährlich weltweit der Tag der Menschen mit Down-Syndrom begangen als Ausdruck für den unendlichen Wert und die unantastbare Würde jedes Menschen. Mit Verbundenheit, Respekt und Liebe stehen die Bischöfe zu den Menschen mit Trisomie-21 und ihren Angehörigen.
Gleichzeitig stellt sich heute die bedrängende Frage, wie lange es diesen Tag noch geben wird: Ernsthafte Untersuchungen zeigen, dass die Diagnose Down-Syndrom bei rund 90 Prozent zu einem Schwangerschaftsabbruch führt. Grundlage dafür sind diagnostische Methoden, deren Ziel nicht die Heilung, sondern die Selektion vor der Geburt ist.
Verschärft wird die Situation durch die gesetzlich Regelung, wonach die Abtreibung eines Kindes mit Behinderung bis unmittelbar vor der Geburt möglich ist.
Dadurch verstärkt sich zusehends der gesellschaftliche Druck auf Menschen mit Down-Syndrom oder anderen Behinderungen. Immer bedrohlicher wird die Tendenz, dass ein Lebensrecht nur mehr jene haben sollen, die perfekt sind und allen Wünschen entsprechen.
Vor diesem Hintergrund unterstützen und bekräftigen die Bischöfe alle Initiativen in Politik und Gesellschaft um die volle Anerkennung und Wertschätzung von Menschen mit Down-Syndrom zu sichern. In kirchlichen Einrichtungen wird viel konkret getan, diese Menschen schon vom Kleinkindalter an zu fördern und ihnen sowie den Angehörigen zu helfen.
Die Bischöfe bestärken alle politischen Verantwortungsträger darin, nicht zuzulassen, dass Menschen schon vor der Geburt mit dem Argument der Vermeidung von Krankheit und Behinderung selektiert werden. Die klaren Worte von Vizekanzler Michael Spindelegger und anderen Politikern sind dabei eine große Hilfe.
5. Fatwa zur Zerstörung von Kirchen
Mit großem Befremden haben die österreichischen Bischöfe während ihrer Vollversammlung die Nachricht von der Fatwa des Großmufti Abd al-Aziz Ibn Abdullah Al asch-Sheikh von Saudi Arabien erhalten. Darin erklärt der Großmufti, auf eine Anfrage kuwaitischer Abgeordneter bezüglich des Kirchenbaus in deren Land, dass es nicht erlaubt sei, neue Kirchen auf der Arabischen Halbinsel zu bauen. Ferner seien alle Kirchen um Saudi Arabien herum zu zerstören, da es davon viel zu viele gebe. Obwohl im Koran keine solche Weisung zu finden ist, begründet der Rechtsgelehrte seine Fatwa auf der Hadithe Muhammads.
Ein solcher Erlass ist für uns Bischöfe völlig inakzeptabel und auch nicht nachvollziehbar, da es auf der arabischen Halbinsel verschiedene Initiativen des interreligiösen Dialogs gibt. Auch der Herrscher von Saudi Arabien, König Abdullah Ibn Abd al-Aziz, ist durch seine Anstrengungen um den interreligiösen Dialog bemüht. König Abdullah selbst hat den Kongress zur Förderung des interreligiösen Dialogs in Madrid (2008) und die Gründung des interreligiösen Dialogzentrums (2011) in Wien initiiert. Wie konnte der Großmufti eine Fatwa von solcher Tragweite an seinem König vorbei veröffentlichen? Wir sehen einen Widerspruch zwischen dem praktizierten Dialog, den Bestrebungen des Königs und denen seines obersten Mufti. Es bedarf einer Klärung, weshalb der Mufti eine solche Fatwa erlassen konnte. Wir verlangen daher eine offizielle Erklärung und eine eindeutige Bejahung des Existenzrechts der Kirchen und Christen in dieser Region.
Es ist nicht nur für die Christen auf der arabischen Halbinsel, sondern in der ganzen Welt verunsichernd, wenn eine Fatwa wie diejenige des saudischen Großmuftis erlassen wird. Sie stellt die Ernsthaftigkeit eines Dialogs grundsätzlich in Frage. Gerade in einer Zeit, in der durch die arabischen Revolutionen die ganze Region in Aufruhr steht, helfen den Menschen solche Erklärungen nicht. Vielmehr droht dadurch eine gefährliche Verschärfung der ohnedies schon so schwierigen und bedrohlichen Situation von Christen in arabischen Ländern.
Alle Länder der arabischen Halbinsel, das Königreich von Saudi Arabien eingeschlossen, verdanken ihre rasante wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich der Hilfe von Millionen auswärtiger Spezialisten und Arbeitskräfte. Unter ihnen gehören mehr als drei Millionen Christen zu den zuverlässigen Mitarbeitern an diesem Aufbau. Abgesehen von der eklatanten Verletzung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit wäre es eine Beleidigung der in Arabien lebenden ausländischen Bevölkerung, ihnen die wenigen Gottesdienststätten wegzunehmen und zu zerstören.
So wie die katholische Kirche in Österreich und überall auf der Welt für die Religionsfreiheit eintritt, erwartet sie umgekehrt, dass auch auf der arabischen Halbinsel das Recht auf Religionsfreiheit beachtet und respektiert wird. Wir Bischöfe erwarten von den religiösen und politischen Führungskräften der muslimischen Welt eine klare Zurückweisung der Fatwa des saudischen Großmuftis.