Betr.: Selbständiger Antrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Karl Nehammer, MSc, Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betr. ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird, eingebracht am 22.11.2018
Das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz gibt zu oben genanntem Initiativantrag, 495/A XXVI.GP, innerhalb offener Frist folgende Stellungnahme ab:
Der Initiativantrag sieht die Aufnahme einer Verfassungsbestimmung in das Schulunterrichtsgesetz vor, wonach den Schülerinnen und Schülern bis zum Ende des Schuljahres, in welchem sie das zehnte Lebensjahr vollenden, das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist, untersagt ist. Konkret bezieht sich das Verbot dabei auf Bekleidung, welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllt. Bei Zuwiderhandlung sind Sanktionen vorgesehen.
Der Initiativantrag zielt damit auf die Ausweitung des im Entwurf einer Vereinbarung gemäß Art 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22, GZ BMBWF-14.363/0005-II/3/2018, enthaltenen inhaltsgleichen Verbots auf den Bereich der Volksschule aus.
Das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz möchte deshalb seine Stellungnahme zum Entwurf der Art 15a B-VG Vereinbarung vom 16.10.2018 in Erinnerung rufen und hält fest:
Das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz unterstützt das Anliegen, Maßnahmen umzusetzen, welche die pädagogische Förderung und Integration aller Kinder in elementaren Bildungseinrichtungen begünstigen sollen. Inklusion ist die Voraussetzung für das Funktionieren einer pluralen, den Grund- und Menschenrechten verpflichteten Gesellschaft, die durch (auch religiöse) Vielfalt nicht gefährdet wird, sondern auf ihr beruht.
Maßnahmen, welche in diesem Sinne die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung von Kindern sicherstellen, werden daher ausdrücklich begrüßt. Dies gilt auch für Maßnahmen, die geeignet sind, der potentiellen Gefahr eines bereits im Kindesalter einsetzenden Segregationsprozesses wirksam zu begegnen.
Vor diesem Hintergrund teilt das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz die Sorge, dass die Integration von Mädchen durch das Tragen eines Kopftuches in der Volksschule (wie auch im Kindergarten) erschwert sein kann. Ebenso nachvollziehbar ist das Anliegen, diesem Risiko durch eine Maßnahme begegnen zu wollen, die das Risiko der Segregation und Exklusion wirksam ausschließen kann.
Nach wie vor stellen sich aber für das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz in Bezug auf das konkret geplante Verbot die bereits in der Stellungnahme vom 16.10.2018 angesprochenen, wesentlichen Fragen:
1) Begegnet diese Maßnahme einem tatsächlichen, in signifikantem Ausmaß auftretenden Problem?
Die Erläuternden Bemerkungen zum Initiativantrag geben darüber keine Auskunft. Gesetzliche Regelungen sollten allerdings grundsätzlich nur dann erlassen werden, wenn Regelungsbedarf besteht. Ein solcher ist bislang nicht eindeutig erhoben worden. Es wäre daher bloß konsequent, diesen Grundsatz auch auf die in Frage stehende Regelung anzuwenden. In diesem Zusammenhang darf darin erinnert werden, dass auch erst kürzlich mithilfe des 2. Bundesrechtsbereinigungsgesetzes Regelungen ohne Anwendungsbereich aufgehoben werden sollten. Dem gleichen Anliegen würde es daher entsprechen, eine gesetzliche Maßnahme ohne Anwendungsbereich gar nicht erst zu erlassen.
2) Liegen ausreichende Gründe für den Eingriff in die Grund- und Menschenrechte vor?
Das anvisierte Verbot stellt einen Eingriff in die Religionsfreiheit (vgl Art 9 EMRK, Art 10 GRC, Art 14 StGG 1867 und Art 63 Abs 2 StV St.Germain) und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (vgl Art 8 EMRK) der betroffenen Kinder und ihrer Eltern sowie in das Erziehungsrecht der Eltern (vgl Art 2 des 1. ZP zur EMRK) dar. Unabhängig davon, ob das Kopftuch als religiöses Symbol verstanden wird oder nicht, greift ein Verbot, dieses Kleidungsstück zu tragen, jedenfalls in das Recht auf Privat- und Familienleben der Eltern der betroffenen Kinder ein, die das Recht haben, ihr Kind ihren sittlichen und kulturellen Vorstellungen entsprechend zu kleiden. Wenn das Kopftuch als religiöses Symbol verstanden wird, so liegt darüber hinaus auch ein Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit der Eltern vor, da diese nicht nur das Recht haben, ihre Religion selbst frei und öffentlich auszuüben, sondern aufgrund des ihnen zukommenden Erziehungsrechtes (vgl. u.a. §1 des Bundesgesetzes über die religiöse Kindererziehung 1985 oder auch § 160 ABGB) auch das Recht haben, ihre religiösen Vorstellungen und Gebräuche dadurch zu leben, indem sie ihre Kinder entsprechend erziehen, wozu auch das Tragen bestimmter Kleidung, auch des Kopftuches, gehört. Da das anvisierte Verbot immer auch direkt die Kinder betrifft, sind, neben ihren Eltern, auch sie in ihren oben angeführten Grundrechten, wenn auch in einer ihnen entsprechenden spezifischen Art und Weise, verletzt.
Ein solcher Eingriff ist nur zulässig, wenn legitime Gründe bestehen, welche die Einführung eines derart tief in die Privatsphäre der betroffenen Familien, wie es die Frage der Kleidung ist, eingreifenden Verbotes rechtfertigen können. Konkret wäre ein Eingriff nur aus solchen Gründen statthaft, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer sind (vgl. Art. 9 EMRK).
Die Erläuterungen zum Initiativantrag setzen sich etwas ausführlicher als jene zur oben angeführten Art 15a B-VG-Vereinbarung mit dem Vorliegen von Rechtfertigungsgründen auseinander, was ausdrücklich begrüßt wird. Zu den in den Erläuterungen konkret angeführten Rechtfertigungsgründen ist im Einzelnen anzumerken:
Die Erläuterungen führen an, dass durch das Tragen des Kopftuches „mehrere Dinge öffentlich erkennbar“ wären, wie der „Stand der körperlichen Reife“, die „Konfession und Zugehörigkeit zu bestimmten Gemeinschaften“ oder „die Einhaltung von religiösen Regelungen und damit innerfamiliäre Situationen“. Dies mag zutreffen, jedoch ist demgegenüber gleichzeitig festzuhalten, dass das Tragen des Kopftuches und somit das Offenlegen damit allenfalls verbundener Informationen – wie jede Handlung, durch die Glaubensüberzeugungen öffentlich bekundet werden – im eigenen Ermessen der betroffenen Schülerinnen und Schüler bzw deren Obsorgeberechtigten liegt.
Ausgehend von der Prämisse, dass das Tragen des Kopftuches die Verwirklichung eines Aktes individueller Freiheit und Selbstbestimmtheit darstellt, ist diese Freiheit daher durch einen säkularen, weltanschaulich neutralen Staat zu akzeptieren. Ebenso ist aber auch festzuhalten, dass jede Form der Einschränkung dieser individuellen Freiheit, die über das legitime Erziehungsrecht der Eltern hinausreicht, ebenso einen Grundrechtseingriff darstellt. Dem Staat kommt umgekehrt sogar die Pflicht zu, geeignete Maßnahmen zu setzen, um diese Freiheit zu gewährleisten. Die Erläuterungen deuten lediglich an, dass diese Freiheit im Einzelfall eingeschränkt sein könnte. So wird darin angeführt, dass das Verbot den Schutz der Rechte Dritter bezweckt und dass der Staat seine besondere Schutzfunktion wahrzunehmen habe, um sozialen Druck auf Mädchen hintanzuhalten und deren freie Selbstbestimmung zu gewährleisten. Bedauerlicherweise enthalten die Erläuterungen keine näheren Ausführungen, weshalb auch die Beurteilung schwerfällt, ob das anvisierte Verbot geeignet ist, den konkreten Ursachen für die Beeinträchtigung wirksam und sinnvoll zu begegnen. Jedenfalls wäre überzeugend zu begründen, weshalb die Freiheit der betroffenen Schülerinnen und Schüler wirksamer durch einen Eingriff in ihre eigenen Freiheitsrechte, als durch einen Eingriff in die Rechte jener, die unzulässig Zwang ausüben, gewährleistet werden kann (vgl. dazu Punkt 3. unten).
Ebenso wäre darzulegen, dass die in den Erläuterungen angeführten Rechtfertigungsgründe auch auf andere vom Verbot erfasste Verhüllungen zutreffen, wie beispielsweise auf den Turban der Sikhs, und ihre Grundrechtskonformität zu begründen.
Im Ergebnis können die Argumente zur rechtlichen Zulässigkeit der Grundrechtseingriffe daher nicht überzeugen.
3) Ist die geplante Regelung die geeignete Maßnahme, um das angestrebte Ziel zu erreichen?
Es stellt sich die Frage, ob es nicht zielführender ist, durch Aufklärung, pädagogische Begleitung und Unterstützung sowie einen breiten gesellschaftlichen Diskurs zur Vielfalt einer pluralen Gesellschaft und der Gleichstellung der Geschlechter einer möglichen Segregation entgegenzuwirken, um auf diese Weise die soziale Integration zu ermöglichen bzw aktiv zu begünstigen. Daher müsste umgekehrt erst überzeugend dargelegt werden, dass das geplante Verbot aufgrund der Einschränkung der individuellen Grundrechte nicht die Integration gerade jener Familien unterbindet, deren Integration das erklärte Ziel der Regierung ist.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das anvisierte Verbot gemäß § 13 Abs 2 lit c Privatschulgesetz mangels Ausnahme auch auf Privatschulen in konfessioneller Trägerschaft Anwendung finden würde. Gerade in katholischen Privatschulen ist der sensible, aber freundliche Umgang mit religiösen Symbolen eine Frage der Schulkultur und damit ein wesentlicher Beitrag zur angesprochenen pädagogischen Begleitung und Unterstützung des gesellschaftlichen Diskurses. Die Erläuterungen können bestehende Zweifel an der Überzeugung, dass die Umsetzung des Verbotes diesem Diskurs und damit dem Ziel der Integration schaden würde, nicht ausräumen.
Im Übrigen darf auf die sich aus der Formulierung des Initiativantrages ergebende Konsequenz hingewiesen werden, dass Kinder in Fällen von Früheinschulungen das zehnte Lebensjahr oft erst im Lauf der ersten Klasse Mittelschule/AHS vollenden, weshalb das „Kopftuchverbot“ dann auch in der ersten Klasse Mittelschule/AHS für diese Kinder gelten würde, nicht aber für alle übrigen, welche das zehnte Lebensjahr bereits vollendet haben.
4) Wurde das Einvernehmen mit den betroffenen Kirchen und Religionsgesellschaften gesucht?
Österreich ist ein religionsfreundlicher Staat, in dem Kirchen und Religionsgesellschaften im Verhältnis zum Staat eigenständig sind und mit diesem in jenen Bereichen kooperieren, die für beide Seiten wichtig sind. Daher wird angeregt, in solchen grundrechtssensiblen Fragen das Einvernehmen zumindest mit den betroffenen gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften zu suchen, um in der für Österreich spezifischen und vorbildlichen Art und Weise, in Kooperation mit den Betroffenen, die Anliegen umzusetzen, die im Interesse der gesamten Gesellschaft liegen.
Unabhängig von der konkreten Maßnahme stellt das dauerhafte und ernsthafte Bemühen aller Akteure die Grundlage erfolgreicher sozialer Integration dar. Ein Ausweichen vor diesem, möglicherweise auch mühevollen Diskurs bringt nicht nur die betroffenen Personengruppen, sondern die gesamte Gesellschaft um eine weitere Möglichkeit, dass zu integrierende Menschen ihren persönlichen Beitrag zur Integration leisten können, und verlagert die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen in die Zukunft, wodurch sich diese jedoch lediglich vergrößern.
Das Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz ersucht daher darum, vor Normierung des „Kopftuchverbots“ die oben angesprochenen Fragen zu klären.
Es ist nicht wünschenswert, wenn Kinder in Volksschulen „Kopftuch“ tragen müssen. Genauso wenig wünschenswert ist aber dessen Verbot. Von elementarer Bedeutung sind vielmehr das Gespräch und der Dialog mit Eltern und Obsorgeberechtigten!
Der verantwortungsvolle Umgang mit Geld ist für Mission und Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche eine selbstverständliche Verpflichtung aus dem Evangelium. Ausdruck davon ist die 2017 von der Österreichischen Bischofskonferenz beschlossene